b) Der Markt hat eine Konkurrenz von fremden Käufern, wie dies hauptsäch- lich der Fall an schiffbaren Strömen und noch mehr in der Nähe des Meeres ist. Hier scheitert man oft mit den wahrscheinlichsten Voraussagungen. Denn die man- nigfaltigen Umstände, welche hier eintreten können, lassen sich nicht übersehen und berechnen. Es können hier sehr schnelle und unerwartete Veränderungen vorgehen, je nachdem nämlich fremde Käufer sich nach diesem Markte hinzuwenden bewogen oder genöthigt werden, oder aber es vortheilhafter finden, ihre Einkäufe in einer andern Gegend zu machen. Außer dem wirklichen Bedarf der auswärtigen Käufer können manche andere Handelsspekulationen sie veranlassen, sich bald hier-, bald dorthin zu wenden. Sie können sich bewogen finden, einen etwas theurern Markt einem wohl- feilern vorzuziehen, wenn sie dorthin Waaren zu führen haben, und die Landespro- dukte nur als Rückfracht mitnehmen. Auch wird sie in dem Falle die erleichterte Zah- lung und der vortheilhaftere Kurs dazu vermögen. Dann können auch diese Käufer durch Krieg und Sperrung der Häfen abgeschnitten werden, wie gegenwärtig der Fall ist, aber uns gleichgültig seyn kann, indem die ostseeischen Gegenden seit meh- rern Jahren ohnehin keinen Ueberfluß an Getreide zum Verkauf gehabt haben, und die einländischen Preise zu hoch für auswärtige Käufer stehen.
§. 221.
Auf allen Märkten pflegen die Preise in der Regel in den Zeitpunkten am nie- drigsten zu stehen, wo der Landwirth des Geldes am meisten bedarf und überhaupt die Geldumschläge am stärksten betrieben werden. Also zu den Zins- und Zahlungs- terminen vor den Quartalen, vornämlich gegen Neujahr, wo alle minder Vermö- gende verkaufen müssen. Dazu kommt, daß auf Märkten, wo fremde Käufer kon- kurriren, um die Zeit selten schon Kommissionen gegeben worden, weil die Speku- lanten im Auslande noch nicht wissen, wie groß der Bedarf derer Gegenden, wohin sie das Korn verführen wollen, sey, auch ihre Erkundigungen noch nicht eingezogen haben, wo sie jenen Bedarf am wohlfeilsten zu erhalten hoffen können, wenn ihnen anders die Wahl zwischen mehrern Handelsplätzen frei steht. Im Frühjahre pflegen die Preise wegen der mindern Konkurrenz der Verkäufer und der stärkern der Käufer gewöhnlich zu steigen. Vor allem ist dies der Fall an solchen Orten, die ihren Be- darf aus ziemlich weiter Entfernung ziehen müssen, in der letzten Hälfte des Januars und im Februar, wenn sich der schlechten Wege und vielleicht der gehemmten Schiff-
Erster Theil. C c
Direktion der Wirthſchaft.
b) Der Markt hat eine Konkurrenz von fremden Kaͤufern, wie dies hauptſaͤch- lich der Fall an ſchiffbaren Stroͤmen und noch mehr in der Naͤhe des Meeres iſt. Hier ſcheitert man oft mit den wahrſcheinlichſten Vorausſagungen. Denn die man- nigfaltigen Umſtaͤnde, welche hier eintreten koͤnnen, laſſen ſich nicht uͤberſehen und berechnen. Es koͤnnen hier ſehr ſchnelle und unerwartete Veraͤnderungen vorgehen, je nachdem naͤmlich fremde Kaͤufer ſich nach dieſem Markte hinzuwenden bewogen oder genoͤthigt werden, oder aber es vortheilhafter finden, ihre Einkaͤufe in einer andern Gegend zu machen. Außer dem wirklichen Bedarf der auswaͤrtigen Kaͤufer koͤnnen manche andere Handelsſpekulationen ſie veranlaſſen, ſich bald hier-, bald dorthin zu wenden. Sie koͤnnen ſich bewogen finden, einen etwas theurern Markt einem wohl- feilern vorzuziehen, wenn ſie dorthin Waaren zu fuͤhren haben, und die Landespro- dukte nur als Ruͤckfracht mitnehmen. Auch wird ſie in dem Falle die erleichterte Zah- lung und der vortheilhaftere Kurs dazu vermoͤgen. Dann koͤnnen auch dieſe Kaͤufer durch Krieg und Sperrung der Haͤfen abgeſchnitten werden, wie gegenwaͤrtig der Fall iſt, aber uns gleichguͤltig ſeyn kann, indem die oſtſeeiſchen Gegenden ſeit meh- rern Jahren ohnehin keinen Ueberfluß an Getreide zum Verkauf gehabt haben, und die einlaͤndiſchen Preiſe zu hoch fuͤr auswaͤrtige Kaͤufer ſtehen.
§. 221.
Auf allen Maͤrkten pflegen die Preiſe in der Regel in den Zeitpunkten am nie- drigſten zu ſtehen, wo der Landwirth des Geldes am meiſten bedarf und uͤberhaupt die Geldumſchlaͤge am ſtaͤrkſten betrieben werden. Alſo zu den Zins- und Zahlungs- terminen vor den Quartalen, vornaͤmlich gegen Neujahr, wo alle minder Vermoͤ- gende verkaufen muͤſſen. Dazu kommt, daß auf Maͤrkten, wo fremde Kaͤufer kon- kurriren, um die Zeit ſelten ſchon Kommiſſionen gegeben worden, weil die Speku- lanten im Auslande noch nicht wiſſen, wie groß der Bedarf derer Gegenden, wohin ſie das Korn verfuͤhren wollen, ſey, auch ihre Erkundigungen noch nicht eingezogen haben, wo ſie jenen Bedarf am wohlfeilſten zu erhalten hoffen koͤnnen, wenn ihnen anders die Wahl zwiſchen mehrern Handelsplaͤtzen frei ſteht. Im Fruͤhjahre pflegen die Preiſe wegen der mindern Konkurrenz der Verkaͤufer und der ſtaͤrkern der Kaͤufer gewoͤhnlich zu ſteigen. Vor allem iſt dies der Fall an ſolchen Orten, die ihren Be- darf aus ziemlich weiter Entfernung ziehen muͤſſen, in der letzten Haͤlfte des Januars und im Februar, wenn ſich der ſchlechten Wege und vielleicht der gehemmten Schiff-
Erſter Theil. C c
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[201/0231]
Direktion der Wirthſchaft.
b) Der Markt hat eine Konkurrenz von fremden Kaͤufern, wie dies hauptſaͤch-
lich der Fall an ſchiffbaren Stroͤmen und noch mehr in der Naͤhe des Meeres iſt.
Hier ſcheitert man oft mit den wahrſcheinlichſten Vorausſagungen. Denn die man-
nigfaltigen Umſtaͤnde, welche hier eintreten koͤnnen, laſſen ſich nicht uͤberſehen und
berechnen. Es koͤnnen hier ſehr ſchnelle und unerwartete Veraͤnderungen vorgehen,
je nachdem naͤmlich fremde Kaͤufer ſich nach dieſem Markte hinzuwenden bewogen oder
genoͤthigt werden, oder aber es vortheilhafter finden, ihre Einkaͤufe in einer andern
Gegend zu machen. Außer dem wirklichen Bedarf der auswaͤrtigen Kaͤufer koͤnnen
manche andere Handelsſpekulationen ſie veranlaſſen, ſich bald hier-, bald dorthin zu
wenden. Sie koͤnnen ſich bewogen finden, einen etwas theurern Markt einem wohl-
feilern vorzuziehen, wenn ſie dorthin Waaren zu fuͤhren haben, und die Landespro-
dukte nur als Ruͤckfracht mitnehmen. Auch wird ſie in dem Falle die erleichterte Zah-
lung und der vortheilhaftere Kurs dazu vermoͤgen. Dann koͤnnen auch dieſe Kaͤufer
durch Krieg und Sperrung der Haͤfen abgeſchnitten werden, wie gegenwaͤrtig der
Fall iſt, aber uns gleichguͤltig ſeyn kann, indem die oſtſeeiſchen Gegenden ſeit meh-
rern Jahren ohnehin keinen Ueberfluß an Getreide zum Verkauf gehabt haben, und
die einlaͤndiſchen Preiſe zu hoch fuͤr auswaͤrtige Kaͤufer ſtehen.
§. 221.
Auf allen Maͤrkten pflegen die Preiſe in der Regel in den Zeitpunkten am nie-
drigſten zu ſtehen, wo der Landwirth des Geldes am meiſten bedarf und uͤberhaupt
die Geldumſchlaͤge am ſtaͤrkſten betrieben werden. Alſo zu den Zins- und Zahlungs-
terminen vor den Quartalen, vornaͤmlich gegen Neujahr, wo alle minder Vermoͤ-
gende verkaufen muͤſſen. Dazu kommt, daß auf Maͤrkten, wo fremde Kaͤufer kon-
kurriren, um die Zeit ſelten ſchon Kommiſſionen gegeben worden, weil die Speku-
lanten im Auslande noch nicht wiſſen, wie groß der Bedarf derer Gegenden, wohin
ſie das Korn verfuͤhren wollen, ſey, auch ihre Erkundigungen noch nicht eingezogen
haben, wo ſie jenen Bedarf am wohlfeilſten zu erhalten hoffen koͤnnen, wenn ihnen
anders die Wahl zwiſchen mehrern Handelsplaͤtzen frei ſteht. Im Fruͤhjahre pflegen
die Preiſe wegen der mindern Konkurrenz der Verkaͤufer und der ſtaͤrkern der Kaͤufer
gewoͤhnlich zu ſteigen. Vor allem iſt dies der Fall an ſolchen Orten, die ihren Be-
darf aus ziemlich weiter Entfernung ziehen muͤſſen, in der letzten Haͤlfte des Januars
und im Februar, wenn ſich der ſchlechten Wege und vielleicht der gehemmten Schiff-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/231>, abgerufen am 21.12.2024.
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