7) Ob man aus der Abnahme an Thätigkeit auf die Abnahme an Kräften und Vermö- gen schließen könne? 8) Wie weit die Abnahme des Seelenwesens eine Abnahme der unkörperlichen Seele sey? Was die Analogie hievon lehre, und wie ferne die Erfahrungen damit übereinstim- men?
1.
Die Seelenvermögen nehmen in derselbigen Ordnung in dem Menschen wieder ab, in der sie entwickelt sind: zuerst die Sinne, dann die Einbildungskraft, dann der Verstand, mit ihnen die davon abhangenden äußern Thätigkeiten. Zufällige Ursachen ändern frey- lich hiebey manches; aber doch ist jenes der natürliche Gang der Natur zum Alter und zum Tode, den die Zu- fälle verkürzen, und etwas verdrehen, aber bey keinem Jndividuum unkenntlich machen.
Diese Abnahme muß nun zwar zuerst von der Seite betrachtet werden, wo sie sich äußerlich in den Alten zei- get. Aber dieß ist doch nicht, wobey man stillstehen muß. Was geht in dem Jnnern des Seelenwesens vor? Auf welche Art, und in welchen Stufen steigen hier die Kräfte allmälich herunter? Davon sey hier die Rede. Die Seele des Alten macht sich gewissermas- sen von der äußern Welt los, und zieht sich mehr in sich selbst zusammen. Man würde sich übereilen, wenn man schließen wollte, sie sey so schwach und unthätig in ihrem Jnnern geworden, als es nach dem schwachen Einfluß in die äußern Dinge mittelst des Körpers schei- nen möchte.
2.
Die Abnahme an den körperlichen Geschicklichkeiten, im Tanzen, Fechten, Reiten, Spielen, Malen und
so
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
7) Ob man aus der Abnahme an Thaͤtigkeit auf die Abnahme an Kraͤften und Vermoͤ- gen ſchließen koͤnne? 8) Wie weit die Abnahme des Seelenweſens eine Abnahme der unkoͤrperlichen Seele ſey? Was die Analogie hievon lehre, und wie ferne die Erfahrungen damit uͤbereinſtim- men?
1.
Die Seelenvermoͤgen nehmen in derſelbigen Ordnung in dem Menſchen wieder ab, in der ſie entwickelt ſind: zuerſt die Sinne, dann die Einbildungskraft, dann der Verſtand, mit ihnen die davon abhangenden aͤußern Thaͤtigkeiten. Zufaͤllige Urſachen aͤndern frey- lich hiebey manches; aber doch iſt jenes der natuͤrliche Gang der Natur zum Alter und zum Tode, den die Zu- faͤlle verkuͤrzen, und etwas verdrehen, aber bey keinem Jndividuum unkenntlich machen.
Dieſe Abnahme muß nun zwar zuerſt von der Seite betrachtet werden, wo ſie ſich aͤußerlich in den Alten zei- get. Aber dieß iſt doch nicht, wobey man ſtillſtehen muß. Was geht in dem Jnnern des Seelenweſens vor? Auf welche Art, und in welchen Stufen ſteigen hier die Kraͤfte allmaͤlich herunter? Davon ſey hier die Rede. Die Seele des Alten macht ſich gewiſſermaſ- ſen von der aͤußern Welt los, und zieht ſich mehr in ſich ſelbſt zuſammen. Man wuͤrde ſich uͤbereilen, wenn man ſchließen wollte, ſie ſey ſo ſchwach und unthaͤtig in ihrem Jnnern geworden, als es nach dem ſchwachen Einfluß in die aͤußern Dinge mittelſt des Koͤrpers ſchei- nen moͤchte.
2.
Die Abnahme an den koͤrperlichen Geſchicklichkeiten, im Tanzen, Fechten, Reiten, Spielen, Malen und
ſo
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
7) Ob man aus der Abnahme an Thaͤtigkeit
auf die Abnahme an Kraͤften und Vermoͤ-
gen ſchließen koͤnne?
8) Wie weit die Abnahme des Seelenweſens
eine Abnahme der unkoͤrperlichen Seele ſey?
Was die Analogie hievon lehre, und wie
ferne die Erfahrungen damit uͤbereinſtim-
men?
1.
Die Seelenvermoͤgen nehmen in derſelbigen Ordnung
in dem Menſchen wieder ab, in der ſie entwickelt
ſind: zuerſt die Sinne, dann die Einbildungskraft,
dann der Verſtand, mit ihnen die davon abhangenden
aͤußern Thaͤtigkeiten. Zufaͤllige Urſachen aͤndern frey-
lich hiebey manches; aber doch iſt jenes der natuͤrliche
Gang der Natur zum Alter und zum Tode, den die Zu-
faͤlle verkuͤrzen, und etwas verdrehen, aber bey keinem
Jndividuum unkenntlich machen.
Dieſe Abnahme muß nun zwar zuerſt von der Seite
betrachtet werden, wo ſie ſich aͤußerlich in den Alten zei-
get. Aber dieß iſt doch nicht, wobey man ſtillſtehen
muß. Was geht in dem Jnnern des Seelenweſens
vor? Auf welche Art, und in welchen Stufen ſteigen
hier die Kraͤfte allmaͤlich herunter? Davon ſey hier
die Rede. Die Seele des Alten macht ſich gewiſſermaſ-
ſen von der aͤußern Welt los, und zieht ſich mehr in
ſich ſelbſt zuſammen. Man wuͤrde ſich uͤbereilen, wenn
man ſchließen wollte, ſie ſey ſo ſchwach und unthaͤtig in
ihrem Jnnern geworden, als es nach dem ſchwachen
Einfluß in die aͤußern Dinge mittelſt des Koͤrpers ſchei-
nen moͤchte.
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Die Abnahme an den koͤrperlichen Geſchicklichkeiten,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/774>, abgerufen am 21.11.2024.
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