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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
10.

Diese Fertigkeiten in willkürlichen Bewegungen er-
fodern:

1) Eine Fertigkeit in der Seele, die dazu ge-
hörigen Vorstellungen zu reproduciren. Dieß ist das
Geistige in ihnen, oder der Antheil der Seele bey ihnen.

Es bedarf dieß keiner weitern Bestätigung. Der
Spieler kann nicht zunehmen an Geschicklichkeit, wofern
nicht auch seine Fertigkeit in der Seele größer wird, die
Folge der Noten und der Töne in der Vorstellung schnell
zu fassen, und schnell die nöthigen Aktionen der Bewe-
gungskraft hervorzubringen. Die Zauberkraft in der
Hand, die leblose Körper beseelt oder durch Töne das
Herz zerschmelzt, hat ihren innern Sitz in der mächti-
gen Phantasie; und selbst dauert sie noch fort, wenn
gleich die Hand gelähmet ist und die entsprechenden
Bewegungen nicht mehr darstellen kann.

Aber ob denn auch 2) zugleich in dem Körper ei-
ne organische Fertigkeit,
solche Bewegungen auf-
einander folgen zu lassen, vorhanden sey, das ist, ob
auch in dem Körper eine Verbindung der aufeinander
folgenden einzelnen willkürlichen Bewegungen statt-
finde, mittelst welcher sie sich erwecken können? Ob
der Ausdruck philosophisch richtig sey, wenn man zuwei-
len von dieser Art von Handlungen saget, daß sie uns
völlig mechanisch sind? dieß ist hier der vornehmste Punkt.

Es scheinet solches im Allgemeinen nicht bezweifelt
werden zu können, und zwar aus folgenden Gründen.

Um eine Fertigkeit im Schreiben, Tanzen, Spie-
len und so weiter zu erlangen, ist es nicht genug, die
dazu gehörige Reihe von Vorstellungen in der Seele
sich so bekannt zu machen, daß ihre Reproduktion uns
leicht werde; man muß auch selbst handeln und sich
üben. Theils freylich darum, weil ohne die Handlung
vorzunehmen auch die Vorstellung von ihr nicht an-

schaulich
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im Menſchen.
10.

Dieſe Fertigkeiten in willkuͤrlichen Bewegungen er-
fodern:

1) Eine Fertigkeit in der Seele, die dazu ge-
hoͤrigen Vorſtellungen zu reproduciren. Dieß iſt das
Geiſtige in ihnen, oder der Antheil der Seele bey ihnen.

Es bedarf dieß keiner weitern Beſtaͤtigung. Der
Spieler kann nicht zunehmen an Geſchicklichkeit, wofern
nicht auch ſeine Fertigkeit in der Seele groͤßer wird, die
Folge der Noten und der Toͤne in der Vorſtellung ſchnell
zu faſſen, und ſchnell die noͤthigen Aktionen der Bewe-
gungskraft hervorzubringen. Die Zauberkraft in der
Hand, die lebloſe Koͤrper beſeelt oder durch Toͤne das
Herz zerſchmelzt, hat ihren innern Sitz in der maͤchti-
gen Phantaſie; und ſelbſt dauert ſie noch fort, wenn
gleich die Hand gelaͤhmet iſt und die entſprechenden
Bewegungen nicht mehr darſtellen kann.

Aber ob denn auch 2) zugleich in dem Koͤrper ei-
ne organiſche Fertigkeit,
ſolche Bewegungen auf-
einander folgen zu laſſen, vorhanden ſey, das iſt, ob
auch in dem Koͤrper eine Verbindung der aufeinander
folgenden einzelnen willkuͤrlichen Bewegungen ſtatt-
finde, mittelſt welcher ſie ſich erwecken koͤnnen? Ob
der Ausdruck philoſophiſch richtig ſey, wenn man zuwei-
len von dieſer Art von Handlungen ſaget, daß ſie uns
voͤllig mechaniſch ſind? dieß iſt hier der vornehmſte Punkt.

Es ſcheinet ſolches im Allgemeinen nicht bezweifelt
werden zu koͤnnen, und zwar aus folgenden Gruͤnden.

Um eine Fertigkeit im Schreiben, Tanzen, Spie-
len und ſo weiter zu erlangen, iſt es nicht genug, die
dazu gehoͤrige Reihe von Vorſtellungen in der Seele
ſich ſo bekannt zu machen, daß ihre Reproduktion uns
leicht werde; man muß auch ſelbſt handeln und ſich
uͤben. Theils freylich darum, weil ohne die Handlung
vorzunehmen auch die Vorſtellung von ihr nicht an-

ſchaulich
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[341/0371] im Menſchen. 10. Dieſe Fertigkeiten in willkuͤrlichen Bewegungen er- fodern: 1) Eine Fertigkeit in der Seele, die dazu ge- hoͤrigen Vorſtellungen zu reproduciren. Dieß iſt das Geiſtige in ihnen, oder der Antheil der Seele bey ihnen. Es bedarf dieß keiner weitern Beſtaͤtigung. Der Spieler kann nicht zunehmen an Geſchicklichkeit, wofern nicht auch ſeine Fertigkeit in der Seele groͤßer wird, die Folge der Noten und der Toͤne in der Vorſtellung ſchnell zu faſſen, und ſchnell die noͤthigen Aktionen der Bewe- gungskraft hervorzubringen. Die Zauberkraft in der Hand, die lebloſe Koͤrper beſeelt oder durch Toͤne das Herz zerſchmelzt, hat ihren innern Sitz in der maͤchti- gen Phantaſie; und ſelbſt dauert ſie noch fort, wenn gleich die Hand gelaͤhmet iſt und die entſprechenden Bewegungen nicht mehr darſtellen kann. Aber ob denn auch 2) zugleich in dem Koͤrper ei- ne organiſche Fertigkeit, ſolche Bewegungen auf- einander folgen zu laſſen, vorhanden ſey, das iſt, ob auch in dem Koͤrper eine Verbindung der aufeinander folgenden einzelnen willkuͤrlichen Bewegungen ſtatt- finde, mittelſt welcher ſie ſich erwecken koͤnnen? Ob der Ausdruck philoſophiſch richtig ſey, wenn man zuwei- len von dieſer Art von Handlungen ſaget, daß ſie uns voͤllig mechaniſch ſind? dieß iſt hier der vornehmſte Punkt. Es ſcheinet ſolches im Allgemeinen nicht bezweifelt werden zu koͤnnen, und zwar aus folgenden Gruͤnden. Um eine Fertigkeit im Schreiben, Tanzen, Spie- len und ſo weiter zu erlangen, iſt es nicht genug, die dazu gehoͤrige Reihe von Vorſtellungen in der Seele ſich ſo bekannt zu machen, daß ihre Reproduktion uns leicht werde; man muß auch ſelbſt handeln und ſich uͤben. Theils freylich darum, weil ohne die Handlung vorzunehmen auch die Vorſtellung von ihr nicht an- ſchaulich Y 3

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/371>, abgerufen am 03.12.2024.