jene, ob sie gleich überhaupt vorhanden ist, dennoch so eingeschränkt seyn, daß sie so gut, als gar nicht vor- handen angesehen werden müßte. Wer die Unzersche Physiologie studirt hat, wird auf diese Fragen die Antworten für viele Fälle darinnen angetroffen haben. Da ich solche aber selbst aus den Beobachtungen für mich aufgesucht, so sey es mir auch erlaubt, sie auf meine eigene Art herzusetzen.
4.
Es werden gemeiniglich die körperlichen Bewe- gungen in zwo Klassen gebracht; in die unwillkürli- chen, mechanischen, und in die willkürlichen. Aber sobald man nur ein wenig auf die große Mannichfaltig- keit von beiden aufmerksam ist, muß man bemerken, daß die mehresten von ihnen, sowohl von denen, die zu den unwillkürlichen, als von denen, die zu den willkür- lichen gerechnet werden, beides, dem Einflusse des Wil- lens, und den Gesetzen der Organisation unterworfen, und nur darinn von einander unterschieden sind, daß bey der Einen Gattung die Seele, bey der andern der Mechanismus des Körpers, die vornehmste und meist bestimmende Ursache sey. Jhr Unterschied beruhet also auf dem Mehr oder Minder in dem Verhältnisse, worinnen die Seelenkräfte und Körperkräfte in ihrer Vereinigung gegen einander stehen. Daher giebt es zwischen denen, die am meisten unwillkürlich, und de- nen die am meisten willkürlich sind, unzählige Mittel- arten, die zwischen den beiden äußersten stehen, und bald der Einen, bald der andern Gattung näher sind. Das nämliche kann von unsern Reihen von Veränderungen in dem Körper gesagt werden. Aber wenn man die beiden Gattungen untersucht, welche die äußersten sind, und die am weitesten von einander abstehen, so ist es leichter die Natur der mittlern Arten zu begreifen.
Die
im Menſchen.
jene, ob ſie gleich uͤberhaupt vorhanden iſt, dennoch ſo eingeſchraͤnkt ſeyn, daß ſie ſo gut, als gar nicht vor- handen angeſehen werden muͤßte. Wer die Unzerſche Phyſiologie ſtudirt hat, wird auf dieſe Fragen die Antworten fuͤr viele Faͤlle darinnen angetroffen haben. Da ich ſolche aber ſelbſt aus den Beobachtungen fuͤr mich aufgeſucht, ſo ſey es mir auch erlaubt, ſie auf meine eigene Art herzuſetzen.
4.
Es werden gemeiniglich die koͤrperlichen Bewe- gungen in zwo Klaſſen gebracht; in die unwillkuͤrli- chen, mechaniſchen, und in die willkuͤrlichen. Aber ſobald man nur ein wenig auf die große Mannichfaltig- keit von beiden aufmerkſam iſt, muß man bemerken, daß die mehreſten von ihnen, ſowohl von denen, die zu den unwillkuͤrlichen, als von denen, die zu den willkuͤr- lichen gerechnet werden, beides, dem Einfluſſe des Wil- lens, und den Geſetzen der Organiſation unterworfen, und nur darinn von einander unterſchieden ſind, daß bey der Einen Gattung die Seele, bey der andern der Mechanismus des Koͤrpers, die vornehmſte und meiſt beſtimmende Urſache ſey. Jhr Unterſchied beruhet alſo auf dem Mehr oder Minder in dem Verhaͤltniſſe, worinnen die Seelenkraͤfte und Koͤrperkraͤfte in ihrer Vereinigung gegen einander ſtehen. Daher giebt es zwiſchen denen, die am meiſten unwillkuͤrlich, und de- nen die am meiſten willkuͤrlich ſind, unzaͤhlige Mittel- arten, die zwiſchen den beiden aͤußerſten ſtehen, und bald der Einen, bald der andern Gattung naͤher ſind. Das naͤmliche kann von unſern Reihen von Veraͤnderungen in dem Koͤrper geſagt werden. Aber wenn man die beiden Gattungen unterſucht, welche die aͤußerſten ſind, und die am weiteſten von einander abſtehen, ſo iſt es leichter die Natur der mittlern Arten zu begreifen.
Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0345"n="315"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">im Menſchen.</hi></fw><lb/>
jene, ob ſie gleich uͤberhaupt vorhanden iſt, dennoch ſo<lb/>
eingeſchraͤnkt ſeyn, daß ſie ſo gut, als gar nicht vor-<lb/>
handen angeſehen werden muͤßte. Wer die <hirendition="#fr">Unzerſche</hi><lb/>
Phyſiologie ſtudirt hat, wird auf dieſe Fragen die<lb/>
Antworten fuͤr viele Faͤlle darinnen angetroffen haben.<lb/>
Da ich ſolche aber ſelbſt aus den Beobachtungen fuͤr<lb/>
mich aufgeſucht, ſo ſey es mir auch erlaubt, ſie auf<lb/>
meine eigene Art herzuſetzen.</p></div><lb/><divn="4"><head>4.</head><lb/><p>Es werden gemeiniglich die <hirendition="#fr">koͤrperlichen</hi> Bewe-<lb/>
gungen in zwo Klaſſen gebracht; in die <hirendition="#fr">unwillkuͤrli-<lb/>
chen,</hi> mechaniſchen, und in die <hirendition="#fr">willkuͤrlichen.</hi> Aber<lb/>ſobald man nur ein wenig auf die große Mannichfaltig-<lb/>
keit von beiden aufmerkſam iſt, muß man bemerken,<lb/>
daß die mehreſten von ihnen, ſowohl von denen, die zu<lb/>
den unwillkuͤrlichen, als von denen, die zu den willkuͤr-<lb/>
lichen gerechnet werden, beides, dem Einfluſſe des Wil-<lb/>
lens, und den Geſetzen der Organiſation unterworfen,<lb/>
und nur darinn von einander unterſchieden ſind, daß<lb/>
bey der Einen Gattung die Seele, bey der andern der<lb/>
Mechanismus des Koͤrpers, die <hirendition="#fr">vornehmſte</hi> und <hirendition="#fr">meiſt<lb/>
beſtimmende</hi> Urſache ſey. Jhr Unterſchied beruhet<lb/>
alſo auf dem Mehr oder Minder in dem Verhaͤltniſſe,<lb/>
worinnen die Seelenkraͤfte und Koͤrperkraͤfte in ihrer<lb/>
Vereinigung gegen einander ſtehen. Daher giebt es<lb/>
zwiſchen denen, die am meiſten unwillkuͤrlich, und de-<lb/>
nen die am meiſten willkuͤrlich ſind, unzaͤhlige Mittel-<lb/>
arten, die zwiſchen den beiden aͤußerſten ſtehen, und bald<lb/>
der Einen, bald der andern Gattung naͤher ſind. Das<lb/>
naͤmliche kann von unſern Reihen von Veraͤnderungen<lb/>
in dem Koͤrper geſagt werden. Aber wenn man die<lb/>
beiden Gattungen unterſucht, welche die aͤußerſten ſind,<lb/>
und die am weiteſten von einander abſtehen, ſo iſt es<lb/>
leichter die Natur der mittlern Arten zu begreifen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[315/0345]
im Menſchen.
jene, ob ſie gleich uͤberhaupt vorhanden iſt, dennoch ſo
eingeſchraͤnkt ſeyn, daß ſie ſo gut, als gar nicht vor-
handen angeſehen werden muͤßte. Wer die Unzerſche
Phyſiologie ſtudirt hat, wird auf dieſe Fragen die
Antworten fuͤr viele Faͤlle darinnen angetroffen haben.
Da ich ſolche aber ſelbſt aus den Beobachtungen fuͤr
mich aufgeſucht, ſo ſey es mir auch erlaubt, ſie auf
meine eigene Art herzuſetzen.
4.
Es werden gemeiniglich die koͤrperlichen Bewe-
gungen in zwo Klaſſen gebracht; in die unwillkuͤrli-
chen, mechaniſchen, und in die willkuͤrlichen. Aber
ſobald man nur ein wenig auf die große Mannichfaltig-
keit von beiden aufmerkſam iſt, muß man bemerken,
daß die mehreſten von ihnen, ſowohl von denen, die zu
den unwillkuͤrlichen, als von denen, die zu den willkuͤr-
lichen gerechnet werden, beides, dem Einfluſſe des Wil-
lens, und den Geſetzen der Organiſation unterworfen,
und nur darinn von einander unterſchieden ſind, daß
bey der Einen Gattung die Seele, bey der andern der
Mechanismus des Koͤrpers, die vornehmſte und meiſt
beſtimmende Urſache ſey. Jhr Unterſchied beruhet
alſo auf dem Mehr oder Minder in dem Verhaͤltniſſe,
worinnen die Seelenkraͤfte und Koͤrperkraͤfte in ihrer
Vereinigung gegen einander ſtehen. Daher giebt es
zwiſchen denen, die am meiſten unwillkuͤrlich, und de-
nen die am meiſten willkuͤrlich ſind, unzaͤhlige Mittel-
arten, die zwiſchen den beiden aͤußerſten ſtehen, und bald
der Einen, bald der andern Gattung naͤher ſind. Das
naͤmliche kann von unſern Reihen von Veraͤnderungen
in dem Koͤrper geſagt werden. Aber wenn man die
beiden Gattungen unterſucht, welche die aͤußerſten ſind,
und die am weiteſten von einander abſtehen, ſo iſt es
leichter die Natur der mittlern Arten zu begreifen.
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/345>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.