Das Resultat aus diesen Betrachtungen giebt uns einen Grundsatz, durch den schon vieles in dieser dun- keln Sache ausgemacht ist, und der dem Materialisten Eine seiner gewöhnlichsten Erklärungsarten gänzlich entziehet.
Es sey nämlich die Seele ein Jnbegriff mehrerer Wesen, die zusammen wirken; und es sey das, was je- des einfache Wesen für sich allein wirket, und was in jedem einzeln genommen vorgeht, wenn das Ganze fühlet, ein Druck zur Bewegung, oder sonst so et- was, wie die Reaktion eines Körpers; nur sey es kein Fühlen noch Denken: so müssen alle diese Aktus, oder die Folgen und Verbindungen von ihnen, zusammen- laufen und sich irgendwo in Einem Dinge vereinigen, damit ihre Kollektion ein Fühlen und Denken werden könne. Entweder giebt es also außer diesem zu- sammengesetzten Jch noch ein andres Jch, worinnen diese Vereinigung vorgehet, wie die Bewegungen der einzelnen Soldaten eines Regiments in dem Zuschauer, der sie alle zusammen siehet, vereiniget werden; oder dieses kollektirende Jch ist selbst ein Bestandtheil des gesammten wirkenden Jchs, wenn es nur ein einziges dergleichen giebt; oder es ist jeder einfache Theil des Ganzen selbst ein solches. Das letztere wird viel- leicht von den Gegnern am ersten zugegeben werden; in- dem es ohne dieß schon eine Folge ist, die aus der Ver- einigung mehrerer Substanzen zu Einer fließet. Denn so weit die Vereinigung geht, so weit wird auch jedwe- de Veränderung in jeder, und also die ganze Menge von gleichzeitigen Veränderungen in allen, auf jede ein- zelne, so zu sagen, reflektiret, und in ihren Folgen ver- einiget.
Diese unmittelbare Folgerung hat die vollkommen- ste Evidenz. Denn das Fühlen ist entweder eine ab-
solute
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
6.
Das Reſultat aus dieſen Betrachtungen giebt uns einen Grundſatz, durch den ſchon vieles in dieſer dun- keln Sache ausgemacht iſt, und der dem Materialiſten Eine ſeiner gewoͤhnlichſten Erklaͤrungsarten gaͤnzlich entziehet.
Es ſey naͤmlich die Seele ein Jnbegriff mehrerer Weſen, die zuſammen wirken; und es ſey das, was je- des einfache Weſen fuͤr ſich allein wirket, und was in jedem einzeln genommen vorgeht, wenn das Ganze fuͤhlet, ein Druck zur Bewegung, oder ſonſt ſo et- was, wie die Reaktion eines Koͤrpers; nur ſey es kein Fuͤhlen noch Denken: ſo muͤſſen alle dieſe Aktus, oder die Folgen und Verbindungen von ihnen, zuſammen- laufen und ſich irgendwo in Einem Dinge vereinigen, damit ihre Kollektion ein Fuͤhlen und Denken werden koͤnne. Entweder giebt es alſo außer dieſem zu- ſammengeſetzten Jch noch ein andres Jch, worinnen dieſe Vereinigung vorgehet, wie die Bewegungen der einzelnen Soldaten eines Regiments in dem Zuſchauer, der ſie alle zuſammen ſiehet, vereiniget werden; oder dieſes kollektirende Jch iſt ſelbſt ein Beſtandtheil des geſammten wirkenden Jchs, wenn es nur ein einziges dergleichen giebt; oder es iſt jeder einfache Theil des Ganzen ſelbſt ein ſolches. Das letztere wird viel- leicht von den Gegnern am erſten zugegeben werden; in- dem es ohne dieß ſchon eine Folge iſt, die aus der Ver- einigung mehrerer Subſtanzen zu Einer fließet. Denn ſo weit die Vereinigung geht, ſo weit wird auch jedwe- de Veraͤnderung in jeder, und alſo die ganze Menge von gleichzeitigen Veraͤnderungen in allen, auf jede ein- zelne, ſo zu ſagen, reflektiret, und in ihren Folgen ver- einiget.
Dieſe unmittelbare Folgerung hat die vollkommen- ſte Evidenz. Denn das Fuͤhlen iſt entweder eine ab-
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
6.
Das Reſultat aus dieſen Betrachtungen giebt uns
einen Grundſatz, durch den ſchon vieles in dieſer dun-
keln Sache ausgemacht iſt, und der dem Materialiſten
Eine ſeiner gewoͤhnlichſten Erklaͤrungsarten gaͤnzlich
entziehet.
Es ſey naͤmlich die Seele ein Jnbegriff mehrerer
Weſen, die zuſammen wirken; und es ſey das, was je-
des einfache Weſen fuͤr ſich allein wirket, und was in
jedem einzeln genommen vorgeht, wenn das Ganze
fuͤhlet, ein Druck zur Bewegung, oder ſonſt ſo et-
was, wie die Reaktion eines Koͤrpers; nur ſey es kein
Fuͤhlen noch Denken: ſo muͤſſen alle dieſe Aktus, oder
die Folgen und Verbindungen von ihnen, zuſammen-
laufen und ſich irgendwo in Einem Dinge vereinigen,
damit ihre Kollektion ein Fuͤhlen und Denken
werden koͤnne. Entweder giebt es alſo außer dieſem zu-
ſammengeſetzten Jch noch ein andres Jch, worinnen
dieſe Vereinigung vorgehet, wie die Bewegungen der
einzelnen Soldaten eines Regiments in dem Zuſchauer,
der ſie alle zuſammen ſiehet, vereiniget werden; oder
dieſes kollektirende Jch iſt ſelbſt ein Beſtandtheil des
geſammten wirkenden Jchs, wenn es nur ein einziges
dergleichen giebt; oder es iſt jeder einfache Theil
des Ganzen ſelbſt ein ſolches. Das letztere wird viel-
leicht von den Gegnern am erſten zugegeben werden; in-
dem es ohne dieß ſchon eine Folge iſt, die aus der Ver-
einigung mehrerer Subſtanzen zu Einer fließet. Denn
ſo weit die Vereinigung geht, ſo weit wird auch jedwe-
de Veraͤnderung in jeder, und alſo die ganze Menge
von gleichzeitigen Veraͤnderungen in allen, auf jede ein-
zelne, ſo zu ſagen, reflektiret, und in ihren Folgen ver-
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ſte Evidenz. Denn das Fuͤhlen iſt entweder eine ab-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/234>, abgerufen am 21.12.2024.
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