II. Der Grund, warum vorzüglich die Töne zu Zeichen der Sachen gebrauchet worden sind, liegt nicht sowohl darinn, daß der Sinn des Gehörs ein mittler Sinn ist, als darinn, daß der Mensch die Eindrücke auf diesen Sinn eben so durch sein Stimmorgan andern em- pfinden lassen kann, als er sie selbst em- pfunden hat.
Darinnen, daß der Sinn des Gehörs unter den äußern Sinnen in mancher Hinsicht gleichsam der mittlere Sinn ist, dessen Eindrücke nicht zu matt und nicht zu stark, nicht zu undeutlich, noch zu deutlich, nicht in zu großer Menge auf einmal die Seele überfallen, u. s. w. darinnen fuchet der Verfasser der vortrefflichen Preis- schrift die vornehmste Ursache, warum die Eindrücke auf diesen Sinn zuerst und am leichtesten die Merkmale der Objekte darreichen; welches denn die Veranlassung war, daß auch die übrigen aus andern Empfindungen hinzu gekommenen Merkmale, mit jenen vereinigt, und mit ih- nen auf dieselbige Art durch die Schallarten bezeichnet wurden. Ueber diese Mittelheit des Gehörs saget uns der gedachte Verfasser viel Wahres, Schönes und Ein- nehmendes. Aber es scheinet mir selbige doch nicht die Ursache, wenigstens nicht die vornehmste von dem zu seyn, was Hr. Herder daraus herleitet. Sollte das Blöcken des Schaafs wohl das erste Merkzeichen dieses Gegen- standes darbieten? Das erste, was die Reflexion fas- sen, und was sie vor allen andern angeben müsse, wenn sie das Schaaf für sich selbst sich bemerken will? und wenn es in diesem einzelnen Fall also gewesen wäre, soll- ten denn wohl überhaupt im Durchschnitt die Schallar- ten und die Töne die ersten Kennzeichen gewesen seyn, welche die Reflexion unterschieden hätte. Die Jmpres-
sionen
Anhang
II. Der Grund, warum vorzuͤglich die Toͤne zu Zeichen der Sachen gebrauchet worden ſind, liegt nicht ſowohl darinn, daß der Sinn des Gehoͤrs ein mittler Sinn iſt, als darinn, daß der Menſch die Eindruͤcke auf dieſen Sinn eben ſo durch ſein Stimmorgan andern em- pfinden laſſen kann, als er ſie ſelbſt em- pfunden hat.
Darinnen, daß der Sinn des Gehoͤrs unter den aͤußern Sinnen in mancher Hinſicht gleichſam der mittlere Sinn iſt, deſſen Eindruͤcke nicht zu matt und nicht zu ſtark, nicht zu undeutlich, noch zu deutlich, nicht in zu großer Menge auf einmal die Seele uͤberfallen, u. ſ. w. darinnen fuchet der Verfaſſer der vortrefflichen Preis- ſchrift die vornehmſte Urſache, warum die Eindruͤcke auf dieſen Sinn zuerſt und am leichteſten die Merkmale der Objekte darreichen; welches denn die Veranlaſſung war, daß auch die uͤbrigen aus andern Empfindungen hinzu gekommenen Merkmale, mit jenen vereinigt, und mit ih- nen auf dieſelbige Art durch die Schallarten bezeichnet wurden. Ueber dieſe Mittelheit des Gehoͤrs ſaget uns der gedachte Verfaſſer viel Wahres, Schoͤnes und Ein- nehmendes. Aber es ſcheinet mir ſelbige doch nicht die Urſache, wenigſtens nicht die vornehmſte von dem zu ſeyn, was Hr. Herder daraus herleitet. Sollte das Bloͤcken des Schaafs wohl das erſte Merkzeichen dieſes Gegen- ſtandes darbieten? Das erſte, was die Reflexion faſ- ſen, und was ſie vor allen andern angeben muͤſſe, wenn ſie das Schaaf fuͤr ſich ſelbſt ſich bemerken will? und wenn es in dieſem einzelnen Fall alſo geweſen waͤre, ſoll- ten denn wohl uͤberhaupt im Durchſchnitt die Schallar- ten und die Toͤne die erſten Kennzeichen geweſen ſeyn, welche die Reflexion unterſchieden haͤtte. Die Jmpreſ-
ſionen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0830"n="770"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anhang</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">II.</hi><lb/>
Der Grund, warum vorzuͤglich die Toͤne zu<lb/>
Zeichen der Sachen gebrauchet worden ſind,<lb/>
liegt nicht ſowohl darinn, daß der Sinn des<lb/>
Gehoͤrs ein mittler Sinn iſt, als darinn, daß<lb/>
der Menſch die Eindruͤcke auf dieſen Sinn<lb/>
eben ſo durch ſein Stimmorgan andern em-<lb/>
pfinden laſſen kann, als er ſie ſelbſt em-<lb/>
pfunden hat.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>arinnen, daß der <hirendition="#fr">Sinn des Gehoͤrs</hi> unter den<lb/>
aͤußern Sinnen in mancher Hinſicht gleichſam der<lb/><hirendition="#fr">mittlere</hi> Sinn iſt, deſſen Eindruͤcke nicht zu matt und<lb/>
nicht zu ſtark, nicht zu undeutlich, noch zu deutlich, nicht<lb/>
in zu großer Menge auf einmal die Seele uͤberfallen, u. ſ. w.<lb/>
darinnen fuchet der Verfaſſer der vortrefflichen Preis-<lb/>ſchrift die vornehmſte Urſache, warum die Eindruͤcke auf<lb/>
dieſen Sinn zuerſt und am leichteſten die Merkmale der<lb/>
Objekte darreichen; welches denn die Veranlaſſung war,<lb/>
daß auch die uͤbrigen aus andern Empfindungen hinzu<lb/>
gekommenen Merkmale, mit jenen vereinigt, und mit ih-<lb/>
nen auf dieſelbige Art durch die Schallarten bezeichnet<lb/>
wurden. Ueber dieſe Mittelheit des Gehoͤrs ſaget uns<lb/>
der gedachte Verfaſſer viel Wahres, Schoͤnes und Ein-<lb/>
nehmendes. Aber es ſcheinet mir ſelbige doch nicht die<lb/>
Urſache, wenigſtens nicht die vornehmſte von dem zu ſeyn,<lb/>
was Hr. <hirendition="#fr">Herder</hi> daraus herleitet. Sollte das Bloͤcken<lb/>
des Schaafs wohl das <hirendition="#fr">erſte</hi> Merkzeichen dieſes Gegen-<lb/>ſtandes darbieten? Das erſte, was die Reflexion faſ-<lb/>ſen, und was ſie vor allen andern angeben muͤſſe, wenn<lb/>ſie das Schaaf fuͤr ſich ſelbſt ſich bemerken will? und<lb/>
wenn es in dieſem einzelnen Fall alſo geweſen waͤre, ſoll-<lb/>
ten denn wohl uͤberhaupt im Durchſchnitt die Schallar-<lb/>
ten und die Toͤne die erſten Kennzeichen geweſen ſeyn,<lb/>
welche die Reflexion unterſchieden haͤtte. Die Jmpreſ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſionen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[770/0830]
Anhang
II.
Der Grund, warum vorzuͤglich die Toͤne zu
Zeichen der Sachen gebrauchet worden ſind,
liegt nicht ſowohl darinn, daß der Sinn des
Gehoͤrs ein mittler Sinn iſt, als darinn, daß
der Menſch die Eindruͤcke auf dieſen Sinn
eben ſo durch ſein Stimmorgan andern em-
pfinden laſſen kann, als er ſie ſelbſt em-
pfunden hat.
Darinnen, daß der Sinn des Gehoͤrs unter den
aͤußern Sinnen in mancher Hinſicht gleichſam der
mittlere Sinn iſt, deſſen Eindruͤcke nicht zu matt und
nicht zu ſtark, nicht zu undeutlich, noch zu deutlich, nicht
in zu großer Menge auf einmal die Seele uͤberfallen, u. ſ. w.
darinnen fuchet der Verfaſſer der vortrefflichen Preis-
ſchrift die vornehmſte Urſache, warum die Eindruͤcke auf
dieſen Sinn zuerſt und am leichteſten die Merkmale der
Objekte darreichen; welches denn die Veranlaſſung war,
daß auch die uͤbrigen aus andern Empfindungen hinzu
gekommenen Merkmale, mit jenen vereinigt, und mit ih-
nen auf dieſelbige Art durch die Schallarten bezeichnet
wurden. Ueber dieſe Mittelheit des Gehoͤrs ſaget uns
der gedachte Verfaſſer viel Wahres, Schoͤnes und Ein-
nehmendes. Aber es ſcheinet mir ſelbige doch nicht die
Urſache, wenigſtens nicht die vornehmſte von dem zu ſeyn,
was Hr. Herder daraus herleitet. Sollte das Bloͤcken
des Schaafs wohl das erſte Merkzeichen dieſes Gegen-
ſtandes darbieten? Das erſte, was die Reflexion faſ-
ſen, und was ſie vor allen andern angeben muͤſſe, wenn
ſie das Schaaf fuͤr ſich ſelbſt ſich bemerken will? und
wenn es in dieſem einzelnen Fall alſo geweſen waͤre, ſoll-
ten denn wohl uͤberhaupt im Durchſchnitt die Schallar-
ten und die Toͤne die erſten Kennzeichen geweſen ſeyn,
welche die Reflexion unterſchieden haͤtte. Die Jmpreſ-
ſionen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/830>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.