lehrt es die Geschichte der Menschheit, was aus einem solchen Wesen, wie der Mensch ist, bey der natürlichen Schwäche und Trägheit der Kräfte, bey der Größe und Mannigfaltigkeit der körperlichen Bedürfnisse, wodurch die thierische Kraft zuerst und am stärksten hervorgelo- cket, aber auch die feinern Wirkungen der Selbstmacht in der Seele verhindert werden, und endlich unter mehr oder günstigern Gelegenheiten mit seiner innern Selbst- thätigkeit zu wirken, werden kann. Aber der Grundcha- rakter der Menschheit, die vorzügliche Modifikabilität, und Anlage zur Selbstthätigkeit, sie mag sich wenig oder viel entwickeln, und auch bey den verschiedenen Jn- dividuen von verschiedener Größe seyn, gehöret unter die unveränderlichen Kennzeichen der Menschheit, die man allenthalben findet, wo es Menschen giebet.
Anhang zum eilften Versuch. Einige Anmerkungen über die natürliche Sprachfähigkeit des Menschen.
I. Aus der natürlichen Vernunft- und Sprach- fähigkeit des Menschen kann nicht geschlossen werden, daß solche bey ihm auch hinreiche, selbst sich eine Sprache zu erfinden.
1.
Wenn der Mensch so weit gekommen ist, daß er spre- chen kann, so sind alle Grundzüge der Seele deut- lich entwickelt, und der Mensch der Seele nach, völ- lig ausgebildet, so daß alles was nun noch weiter ge- schehen kann, blos im Auswachsen bestehet. Jst Spra- che da, so ist auch schon ein wirklicher Gebrauch des
Ver-
Anhang
lehrt es die Geſchichte der Menſchheit, was aus einem ſolchen Weſen, wie der Menſch iſt, bey der natuͤrlichen Schwaͤche und Traͤgheit der Kraͤfte, bey der Groͤße und Mannigfaltigkeit der koͤrperlichen Beduͤrfniſſe, wodurch die thieriſche Kraft zuerſt und am ſtaͤrkſten hervorgelo- cket, aber auch die feinern Wirkungen der Selbſtmacht in der Seele verhindert werden, und endlich unter mehr oder guͤnſtigern Gelegenheiten mit ſeiner innern Selbſt- thaͤtigkeit zu wirken, werden kann. Aber der Grundcha- rakter der Menſchheit, die vorzuͤgliche Modifikabilitaͤt, und Anlage zur Selbſtthaͤtigkeit, ſie mag ſich wenig oder viel entwickeln, und auch bey den verſchiedenen Jn- dividuen von verſchiedener Groͤße ſeyn, gehoͤret unter die unveraͤnderlichen Kennzeichen der Menſchheit, die man allenthalben findet, wo es Menſchen giebet.
Anhang zum eilften Verſuch. Einige Anmerkungen uͤber die natuͤrliche Sprachfaͤhigkeit des Menſchen.
I. Aus der natuͤrlichen Vernunft- und Sprach- faͤhigkeit des Menſchen kann nicht geſchloſſen werden, daß ſolche bey ihm auch hinreiche, ſelbſt ſich eine Sprache zu erfinden.
1.
Wenn der Menſch ſo weit gekommen iſt, daß er ſpre- chen kann, ſo ſind alle Grundzuͤge der Seele deut- lich entwickelt, und der Menſch der Seele nach, voͤl- lig ausgebildet, ſo daß alles was nun noch weiter ge- ſchehen kann, blos im Auswachſen beſtehet. Jſt Spra- che da, ſo iſt auch ſchon ein wirklicher Gebrauch des
Ver-
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Anhang
lehrt es die Geſchichte der Menſchheit, was aus einem
ſolchen Weſen, wie der Menſch iſt, bey der natuͤrlichen
Schwaͤche und Traͤgheit der Kraͤfte, bey der Groͤße und
Mannigfaltigkeit der koͤrperlichen Beduͤrfniſſe, wodurch
die thieriſche Kraft zuerſt und am ſtaͤrkſten hervorgelo-
cket, aber auch die feinern Wirkungen der Selbſtmacht
in der Seele verhindert werden, und endlich unter mehr
oder guͤnſtigern Gelegenheiten mit ſeiner innern Selbſt-
thaͤtigkeit zu wirken, werden kann. Aber der Grundcha-
rakter der Menſchheit, die vorzuͤgliche Modifikabilitaͤt,
und Anlage zur Selbſtthaͤtigkeit, ſie mag ſich wenig
oder viel entwickeln, und auch bey den verſchiedenen Jn-
dividuen von verſchiedener Groͤße ſeyn, gehoͤret unter
die unveraͤnderlichen Kennzeichen der Menſchheit, die
man allenthalben findet, wo es Menſchen giebet.
Anhang zum eilften Verſuch.
Einige Anmerkungen uͤber die natuͤrliche
Sprachfaͤhigkeit des Menſchen.
I.
Aus der natuͤrlichen Vernunft- und Sprach-
faͤhigkeit des Menſchen kann nicht geſchloſſen
werden, daß ſolche bey ihm auch hinreiche,
ſelbſt ſich eine Sprache zu erfinden.
1.
Wenn der Menſch ſo weit gekommen iſt, daß er ſpre-
chen kann, ſo ſind alle Grundzuͤge der Seele deut-
lich entwickelt, und der Menſch der Seele nach, voͤl-
lig ausgebildet, ſo daß alles was nun noch weiter ge-
ſchehen kann, blos im Auswachſen beſtehet. Jſt Spra-
che da, ſo iſt auch ſchon ein wirklicher Gebrauch des
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/826>, abgerufen am 21.11.2024.
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