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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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X. Versuch. Ueber die Beziehung
"zumal solche vereiniget, die ohnedieß schon an einigen
"Beschaffenheiten mit einander übereinstimmen.".

5.

Nur im Vorübergehen setze ich noch diese Erinne-
rung hinzu. Die ganze Macht der Einbildungskraft
auf den Körper, wovon die Schriften der Physiologen
so voll sind, *) beruhet auf der hier erklärten Art, wie
Vorstellungen von körperlichen Handlungen und Bewe-
gungen in der Seele vorhanden sind. Diese Jdeen sind
allemal mit wirklichen Anfängen von solchen Bewegun-
gen verbunden, so bald sie lebhaft wieder erwecket sind,
und es kommt nur darauf an, wie weit diese ersten innern
Anfänge von ihrer völligen Entwickelung zu wahren Em-
pfindungen abstehen, und ob eine solche Entwickelung
ohne einen neuen von außen hinzukommenden Eindruck
auf die Organe erfolgen könne? Auch bey den will-
kührlichsten
Handlungen wirken organische Kräfte
der Fibern und Nerven; deren Wirksamkeit aber dem
Antrieb, der von den Vorstellungen aus der Seele
kommt, unterworfen ist. Wie weit sind also die Ner-
venkräfte auch in andern Fällen den Vorstellungen un-
tergeordnet, oder wie weit können sie es werden?
Was die verstimmte Einbildungskraft in dem Phanta-
sten mit den Jdeen von äußern Gegenständen vor-
nimmt, die sie von innen aus bis zu vollen Empfindungen
entwickelt, das kann die lebhafte und gespannte Einbil-
dungskraft noch viel häufiger bey den Vorstellungen von
Bewegungen und Handlungen zu Stande bringen.
Bey diesen letztern bewirket sie eben so starke Fiktionen,
als bey jenen. Wie weit aber solches wirklich bey dem

Men-
*) Die Unzersche Physiologie verdienet von andern an-
geführet zu werden. Man sehe §. 587. und an vielen
andern Stellen.

X. Verſuch. Ueber die Beziehung
„zumal ſolche vereiniget, die ohnedieß ſchon an einigen
„Beſchaffenheiten mit einander uͤbereinſtimmen.‟.

5.

Nur im Voruͤbergehen ſetze ich noch dieſe Erinne-
rung hinzu. Die ganze Macht der Einbildungskraft
auf den Koͤrper, wovon die Schriften der Phyſiologen
ſo voll ſind, *) beruhet auf der hier erklaͤrten Art, wie
Vorſtellungen von koͤrperlichen Handlungen und Bewe-
gungen in der Seele vorhanden ſind. Dieſe Jdeen ſind
allemal mit wirklichen Anfaͤngen von ſolchen Bewegun-
gen verbunden, ſo bald ſie lebhaft wieder erwecket ſind,
und es kommt nur darauf an, wie weit dieſe erſten innern
Anfaͤnge von ihrer voͤlligen Entwickelung zu wahren Em-
pfindungen abſtehen, und ob eine ſolche Entwickelung
ohne einen neuen von außen hinzukommenden Eindruck
auf die Organe erfolgen koͤnne? Auch bey den will-
kuͤhrlichſten
Handlungen wirken organiſche Kraͤfte
der Fibern und Nerven; deren Wirkſamkeit aber dem
Antrieb, der von den Vorſtellungen aus der Seele
kommt, unterworfen iſt. Wie weit ſind alſo die Ner-
venkraͤfte auch in andern Faͤllen den Vorſtellungen un-
tergeordnet, oder wie weit koͤnnen ſie es werden?
Was die verſtimmte Einbildungskraft in dem Phanta-
ſten mit den Jdeen von aͤußern Gegenſtaͤnden vor-
nimmt, die ſie von innen aus bis zu vollen Empfindungen
entwickelt, das kann die lebhafte und geſpannte Einbil-
dungskraft noch viel haͤufiger bey den Vorſtellungen von
Bewegungen und Handlungen zu Stande bringen.
Bey dieſen letztern bewirket ſie eben ſo ſtarke Fiktionen,
als bey jenen. Wie weit aber ſolches wirklich bey dem

Men-
*) Die Unzerſche Phyſiologie verdienet von andern an-
gefuͤhret zu werden. Man ſehe §. 587. und an vielen
andern Stellen.
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[684/0744] X. Verſuch. Ueber die Beziehung „zumal ſolche vereiniget, die ohnedieß ſchon an einigen „Beſchaffenheiten mit einander uͤbereinſtimmen.‟. 5. Nur im Voruͤbergehen ſetze ich noch dieſe Erinne- rung hinzu. Die ganze Macht der Einbildungskraft auf den Koͤrper, wovon die Schriften der Phyſiologen ſo voll ſind, *) beruhet auf der hier erklaͤrten Art, wie Vorſtellungen von koͤrperlichen Handlungen und Bewe- gungen in der Seele vorhanden ſind. Dieſe Jdeen ſind allemal mit wirklichen Anfaͤngen von ſolchen Bewegun- gen verbunden, ſo bald ſie lebhaft wieder erwecket ſind, und es kommt nur darauf an, wie weit dieſe erſten innern Anfaͤnge von ihrer voͤlligen Entwickelung zu wahren Em- pfindungen abſtehen, und ob eine ſolche Entwickelung ohne einen neuen von außen hinzukommenden Eindruck auf die Organe erfolgen koͤnne? Auch bey den will- kuͤhrlichſten Handlungen wirken organiſche Kraͤfte der Fibern und Nerven; deren Wirkſamkeit aber dem Antrieb, der von den Vorſtellungen aus der Seele kommt, unterworfen iſt. Wie weit ſind alſo die Ner- venkraͤfte auch in andern Faͤllen den Vorſtellungen un- tergeordnet, oder wie weit koͤnnen ſie es werden? Was die verſtimmte Einbildungskraft in dem Phanta- ſten mit den Jdeen von aͤußern Gegenſtaͤnden vor- nimmt, die ſie von innen aus bis zu vollen Empfindungen entwickelt, das kann die lebhafte und geſpannte Einbil- dungskraft noch viel haͤufiger bey den Vorſtellungen von Bewegungen und Handlungen zu Stande bringen. Bey dieſen letztern bewirket ſie eben ſo ſtarke Fiktionen, als bey jenen. Wie weit aber ſolches wirklich bey dem Men- *) Die Unzerſche Phyſiologie verdienet von andern an- gefuͤhret zu werden. Man ſehe §. 587. und an vielen andern Stellen.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/744>, abgerufen am 21.11.2024.