Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite


Vorrede.

Die nachstehenden Versuche betreffen die
Wirkungen des menschlichen Verstan-
des,
seine Denkgesetze und seine Grundvermögen;
ferner die thätige Willenskraft, den Grund-
charakter der Menschheit,
die Freyheit, die
Natur der Seele, und ihre Entwickelung.
Dieß sind ohne Zweifel die wesentlichsten Punkte
in unserer Natur. Jch verehre die großen Män-
ner, die ihren Scharfsinn auf diese Gegenstände
schon verwendet haben, und ich habe gesucht, ihre
Bemühungen zu nutzen. Aber ich meine nicht,
daß daraus ein Vorurtheil gegen die meinigen,
wenn sie auch jener ihren nicht gleichen, entstehen
werde. Die Menschheit ist noch lange eine Gru-
be, aus der sich jeder Forscher eine gute Ausbeute
versprechen kann, und ich möchte hinzusetzen, auch
dann sogar, wenn er nur die schon oft bearbeiteten
Gänge von neuem vornimmt. Denn auch bey
den angelegentlichsten Wahrheiten, über welche
schon einiges Licht verbreitet ist, fehlet noch hie
und da sehr viel an der völligen Evidenz, die alle
vernünftige Zweifel ausschließt.

Was die Methode betrifft, deren ich mich
bedient habe, so halte ichs für nöthig, darüber zum

voraus
a 2


Vorrede.

Die nachſtehenden Verſuche betreffen die
Wirkungen des menſchlichen Verſtan-
des,
ſeine Denkgeſetze und ſeine Grundvermoͤgen;
ferner die thaͤtige Willenskraft, den Grund-
charakter der Menſchheit,
die Freyheit, die
Natur der Seele, und ihre Entwickelung.
Dieß ſind ohne Zweifel die weſentlichſten Punkte
in unſerer Natur. Jch verehre die großen Maͤn-
ner, die ihren Scharfſinn auf dieſe Gegenſtaͤnde
ſchon verwendet haben, und ich habe geſucht, ihre
Bemuͤhungen zu nutzen. Aber ich meine nicht,
daß daraus ein Vorurtheil gegen die meinigen,
wenn ſie auch jener ihren nicht gleichen, entſtehen
werde. Die Menſchheit iſt noch lange eine Gru-
be, aus der ſich jeder Forſcher eine gute Ausbeute
verſprechen kann, und ich moͤchte hinzuſetzen, auch
dann ſogar, wenn er nur die ſchon oft bearbeiteten
Gaͤnge von neuem vornimmt. Denn auch bey
den angelegentlichſten Wahrheiten, uͤber welche
ſchon einiges Licht verbreitet iſt, fehlet noch hie
und da ſehr viel an der voͤlligen Evidenz, die alle
vernuͤnftige Zweifel ausſchließt.

Was die Methode betrifft, deren ich mich
bedient habe, ſo halte ichs fuͤr noͤthig, daruͤber zum

voraus
a 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0007" n="[III]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie nach&#x017F;tehenden Ver&#x017F;uche betreffen die<lb/>
Wirkungen des men&#x017F;chlichen <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tan-<lb/>
des,</hi> &#x017F;eine Denkge&#x017F;etze und &#x017F;eine Grundvermo&#x0364;gen;<lb/>
ferner die tha&#x0364;tige <hi rendition="#fr">Willenskraft,</hi> den <hi rendition="#fr">Grund-<lb/>
charakter der Men&#x017F;chheit,</hi> die <hi rendition="#fr">Freyheit,</hi> die<lb/><hi rendition="#fr">Natur der Seele,</hi> und ihre <hi rendition="#fr">Entwickelung.</hi><lb/>
Dieß &#x017F;ind ohne Zweifel die we&#x017F;entlich&#x017F;ten Punkte<lb/>
in un&#x017F;erer Natur. Jch verehre die großen Ma&#x0364;n-<lb/>
ner, die ihren Scharf&#x017F;inn auf die&#x017F;e Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;chon verwendet haben, und ich habe ge&#x017F;ucht, ihre<lb/>
Bemu&#x0364;hungen zu nutzen. Aber ich meine nicht,<lb/>
daß daraus ein Vorurtheil gegen die meinigen,<lb/>
wenn &#x017F;ie auch jener ihren nicht gleichen, ent&#x017F;tehen<lb/>
werde. Die Men&#x017F;chheit i&#x017F;t noch lange eine Gru-<lb/>
be, aus der &#x017F;ich jeder For&#x017F;cher eine gute Ausbeute<lb/>
ver&#x017F;prechen kann, und ich mo&#x0364;chte hinzu&#x017F;etzen, auch<lb/>
dann &#x017F;ogar, wenn er nur die &#x017F;chon oft bearbeiteten<lb/>
Ga&#x0364;nge von neuem vornimmt. Denn auch bey<lb/>
den angelegentlich&#x017F;ten Wahrheiten, u&#x0364;ber welche<lb/>
&#x017F;chon einiges Licht verbreitet i&#x017F;t, fehlet noch hie<lb/>
und da &#x017F;ehr viel an der vo&#x0364;lligen Evidenz, die alle<lb/>
vernu&#x0364;nftige Zweifel aus&#x017F;chließt.</p><lb/>
        <p>Was die <hi rendition="#fr">Methode</hi> betrifft, deren ich mich<lb/>
bedient habe, &#x017F;o halte ichs fu&#x0364;r no&#x0364;thig, daru&#x0364;ber zum<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">a 2</fw><fw place="bottom" type="catch">voraus</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[III]/0007] Vorrede. Die nachſtehenden Verſuche betreffen die Wirkungen des menſchlichen Verſtan- des, ſeine Denkgeſetze und ſeine Grundvermoͤgen; ferner die thaͤtige Willenskraft, den Grund- charakter der Menſchheit, die Freyheit, die Natur der Seele, und ihre Entwickelung. Dieß ſind ohne Zweifel die weſentlichſten Punkte in unſerer Natur. Jch verehre die großen Maͤn- ner, die ihren Scharfſinn auf dieſe Gegenſtaͤnde ſchon verwendet haben, und ich habe geſucht, ihre Bemuͤhungen zu nutzen. Aber ich meine nicht, daß daraus ein Vorurtheil gegen die meinigen, wenn ſie auch jener ihren nicht gleichen, entſtehen werde. Die Menſchheit iſt noch lange eine Gru- be, aus der ſich jeder Forſcher eine gute Ausbeute verſprechen kann, und ich moͤchte hinzuſetzen, auch dann ſogar, wenn er nur die ſchon oft bearbeiteten Gaͤnge von neuem vornimmt. Denn auch bey den angelegentlichſten Wahrheiten, uͤber welche ſchon einiges Licht verbreitet iſt, fehlet noch hie und da ſehr viel an der voͤlligen Evidenz, die alle vernuͤnftige Zweifel ausſchließt. Was die Methode betrifft, deren ich mich bedient habe, ſo halte ichs fuͤr noͤthig, daruͤber zum voraus a 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/7
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/7>, abgerufen am 30.12.2024.