ten Vermögen zu Fühlen, Vorstellungen zu machen und zu Denken, aus Einer Grundkraft entspringen, und nur Erhöhungen derselben sind an verschiedenen Seiten hin? oder, ob sie selbst an sich schon unterschiedenartige und trennbare Grundprincipe in der Seele vorausse- tzen? solche Principe, die in Einem Wesen zwar zu Ei- ner Natur vereiniget sind, aber bis in ihre ersten Anla- gen in der Urkraft der Seele zurück, als unterschiedene Fasern hinlaufen, und sich entweder nirgends in Einen und denselbigen Anfangspunkt endigen, oder, wenn es denn nur Eine Urkraft in einem einfachen Wesen geben soll, ihren gemeinschaftlichen Anfangspunkt erst in der innersten Tiefe der Seele in ihrer Urkraft haben? Ohne ein Wort weiter darüber zu sagen, wie Condillac, Bonnet und andere nach ihnen bey ihrer Analyse ver- fahren sind, will ich meinen eigenen Weg fortgehen, und nochmals die Natur dieser angeführten Wirkungsarten aus den Beobachtungen ihrer selbst gegen einander stel- len, und alsdenn denjenigen Begrif von dem Grund- princip der menschlichen Erkenntnißkraft angeben, der aus diesen verglichenen Erfahrungen von selbst sich anzu- bieten scheint.
II. Das Princip des Fühlens fällt mit dem Prin- cip des Denkens an Einer Seite zusammen.
Jn dem vierten Versuch*) sind alle Verhältnißge- danken in diese zwo einfachen Aktus aufgelöset, in das Beziehen der Vorstellungen auf einander, und in das Gewahrnehmen. Das Gewahrnehmen faßt wiederum zwey Thätigkeiten in sich, davon eine die Sonderung der Vorstellungen genannt wurde, und
auch
*)VII. 2. 3.
IX. Verſuch. Ueber das Grundprincip
ten Vermoͤgen zu Fuͤhlen, Vorſtellungen zu machen und zu Denken, aus Einer Grundkraft entſpringen, und nur Erhoͤhungen derſelben ſind an verſchiedenen Seiten hin? oder, ob ſie ſelbſt an ſich ſchon unterſchiedenartige und trennbare Grundprincipe in der Seele vorausſe- tzen? ſolche Principe, die in Einem Weſen zwar zu Ei- ner Natur vereiniget ſind, aber bis in ihre erſten Anla- gen in der Urkraft der Seele zuruͤck, als unterſchiedene Faſern hinlaufen, und ſich entweder nirgends in Einen und denſelbigen Anfangspunkt endigen, oder, wenn es denn nur Eine Urkraft in einem einfachen Weſen geben ſoll, ihren gemeinſchaftlichen Anfangspunkt erſt in der innerſten Tiefe der Seele in ihrer Urkraft haben? Ohne ein Wort weiter daruͤber zu ſagen, wie Condillac, Bonnet und andere nach ihnen bey ihrer Analyſe ver- fahren ſind, will ich meinen eigenen Weg fortgehen, und nochmals die Natur dieſer angefuͤhrten Wirkungsarten aus den Beobachtungen ihrer ſelbſt gegen einander ſtel- len, und alsdenn denjenigen Begrif von dem Grund- princip der menſchlichen Erkenntnißkraft angeben, der aus dieſen verglichenen Erfahrungen von ſelbſt ſich anzu- bieten ſcheint.
II. Das Princip des Fuͤhlens faͤllt mit dem Prin- cip des Denkens an Einer Seite zuſammen.
Jn dem vierten Verſuch*) ſind alle Verhaͤltnißge- danken in dieſe zwo einfachen Aktus aufgeloͤſet, in das Beziehen der Vorſtellungen auf einander, und in das Gewahrnehmen. Das Gewahrnehmen faßt wiederum zwey Thaͤtigkeiten in ſich, davon eine die Sonderung der Vorſtellungen genannt wurde, und
auch
*)VII. 2. 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0652"n="592"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IX.</hi> Verſuch. Ueber das Grundprincip</hi></fw><lb/>
ten Vermoͤgen zu Fuͤhlen, Vorſtellungen zu machen und<lb/>
zu Denken, aus Einer Grundkraft entſpringen, und<lb/>
nur Erhoͤhungen derſelben ſind an verſchiedenen Seiten<lb/>
hin? oder, ob ſie ſelbſt an ſich ſchon unterſchiedenartige<lb/>
und trennbare <hirendition="#fr">Grundprincipe</hi> in der Seele vorausſe-<lb/>
tzen? ſolche Principe, die in Einem Weſen zwar zu Ei-<lb/>
ner Natur vereiniget ſind, aber bis in ihre erſten Anla-<lb/>
gen in der Urkraft der Seele zuruͤck, als unterſchiedene<lb/>
Faſern hinlaufen, und ſich entweder nirgends in Einen<lb/>
und denſelbigen Anfangspunkt endigen, oder, wenn es<lb/>
denn nur Eine Urkraft in einem einfachen Weſen geben<lb/>ſoll, ihren gemeinſchaftlichen Anfangspunkt erſt in der<lb/>
innerſten Tiefe der Seele in ihrer Urkraft haben? Ohne<lb/>
ein Wort weiter daruͤber zu ſagen, wie <hirendition="#fr">Condillac,<lb/>
Bonnet</hi> und andere nach ihnen bey ihrer Analyſe ver-<lb/>
fahren ſind, will ich meinen eigenen Weg fortgehen, und<lb/>
nochmals die Natur dieſer angefuͤhrten Wirkungsarten<lb/>
aus den Beobachtungen ihrer ſelbſt gegen einander ſtel-<lb/>
len, und alsdenn denjenigen Begrif von dem Grund-<lb/>
princip der menſchlichen Erkenntnißkraft angeben, der<lb/>
aus dieſen verglichenen Erfahrungen von ſelbſt ſich anzu-<lb/>
bieten ſcheint.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">II.</hi><lb/>
Das Princip des Fuͤhlens faͤllt mit dem Prin-<lb/>
cip des Denkens an Einer Seite zuſammen.</head><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>n dem <hirendition="#fr">vierten Verſuch</hi><noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">VII.</hi> 2. 3.</note>ſind alle Verhaͤltnißge-<lb/>
danken in dieſe zwo einfachen Aktus aufgeloͤſet, in das<lb/><hirendition="#fr">Beziehen der Vorſtellungen</hi> auf einander, und in<lb/>
das <hirendition="#fr">Gewahrnehmen.</hi> Das Gewahrnehmen faßt<lb/>
wiederum zwey Thaͤtigkeiten in ſich, davon eine die<lb/><hirendition="#fr">Sonderung</hi> der Vorſtellungen genannt wurde, und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[592/0652]
IX. Verſuch. Ueber das Grundprincip
ten Vermoͤgen zu Fuͤhlen, Vorſtellungen zu machen und
zu Denken, aus Einer Grundkraft entſpringen, und
nur Erhoͤhungen derſelben ſind an verſchiedenen Seiten
hin? oder, ob ſie ſelbſt an ſich ſchon unterſchiedenartige
und trennbare Grundprincipe in der Seele vorausſe-
tzen? ſolche Principe, die in Einem Weſen zwar zu Ei-
ner Natur vereiniget ſind, aber bis in ihre erſten Anla-
gen in der Urkraft der Seele zuruͤck, als unterſchiedene
Faſern hinlaufen, und ſich entweder nirgends in Einen
und denſelbigen Anfangspunkt endigen, oder, wenn es
denn nur Eine Urkraft in einem einfachen Weſen geben
ſoll, ihren gemeinſchaftlichen Anfangspunkt erſt in der
innerſten Tiefe der Seele in ihrer Urkraft haben? Ohne
ein Wort weiter daruͤber zu ſagen, wie Condillac,
Bonnet und andere nach ihnen bey ihrer Analyſe ver-
fahren ſind, will ich meinen eigenen Weg fortgehen, und
nochmals die Natur dieſer angefuͤhrten Wirkungsarten
aus den Beobachtungen ihrer ſelbſt gegen einander ſtel-
len, und alsdenn denjenigen Begrif von dem Grund-
princip der menſchlichen Erkenntnißkraft angeben, der
aus dieſen verglichenen Erfahrungen von ſelbſt ſich anzu-
bieten ſcheint.
II.
Das Princip des Fuͤhlens faͤllt mit dem Prin-
cip des Denkens an Einer Seite zuſammen.
Jn dem vierten Verſuch *) ſind alle Verhaͤltnißge-
danken in dieſe zwo einfachen Aktus aufgeloͤſet, in das
Beziehen der Vorſtellungen auf einander, und in
das Gewahrnehmen. Das Gewahrnehmen faßt
wiederum zwey Thaͤtigkeiten in ſich, davon eine die
Sonderung der Vorſtellungen genannt wurde, und
auch
*) VII. 2. 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/652>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.