Denkens nicht aufgehalten würde. Die Logik dieser Philosophen ist nicht unrichtig, wenn es nur ihre Vor- aussetzungen nicht wären.
IV. Wie überhaupt in allen Fällen, bey einer wah- ren Disharmonie der höhern Vernunft und des gemeinen Menschenverstandes zu ver- fahren sey?
Wie man nach einer gesunden Vernunftlehre in solchen Fällen zu verfahren habe, wo Vernunft dem ge- meinen Verstande entgegen ist, deucht mich, sey nun von selbst klar.
Behaupten, man müsse der Evidenz der Sinne nachgehen, und nicht der Evidenz der Vernunft, heißt so viel, als man müsse der Evidenz nachgehen in einem Fall, und der nämlichen Evidenz nicht trauen in einem andern Fall. Derselbige Fehler ist da, wenn man es umkehren will.
Die Raisonnements nur schlechthin bey Seite setzen, und dem so genannten Sensus kommunis allein folgen, ist ein Princip, das zur Schwärmerey führet. Es führet schon zu sinnlichen Vorurtheilen, wenn man, ohne vorhergehende Prüfung, woher die scheinbare Nothwen- digkeit und Evidenz in unsern Urtheilen entspringe, den Menschenverstand allein zur Richtschnur nimmt, ob- gleich noch nichts von besserer Einsicht dagegen eingewen- det wird. Jn solchen Fällen die Frage: "ob auch wohl irgendwo wahre subjektivische Naturnothwendigkeit mit angenommener Gewohnheit verwechselt werde?" für ganz unnütz zu erkennen, und nach Reids, Beatties und Oswalds Vorschriften, dem ungeprüften Men- schenverstand sich ganz allein zu überlassen, heißt, der vernünftigen Untersuchung entsagen.
Dage-
VIII. Verſuch. Von der Beziehung
Denkens nicht aufgehalten wuͤrde. Die Logik dieſer Philoſophen iſt nicht unrichtig, wenn es nur ihre Vor- ausſetzungen nicht waͤren.
IV. Wie uͤberhaupt in allen Faͤllen, bey einer wah- ren Disharmonie der hoͤhern Vernunft und des gemeinen Menſchenverſtandes zu ver- fahren ſey?
Wie man nach einer geſunden Vernunftlehre in ſolchen Faͤllen zu verfahren habe, wo Vernunft dem ge- meinen Verſtande entgegen iſt, deucht mich, ſey nun von ſelbſt klar.
Behaupten, man muͤſſe der Evidenz der Sinne nachgehen, und nicht der Evidenz der Vernunft, heißt ſo viel, als man muͤſſe der Evidenz nachgehen in einem Fall, und der naͤmlichen Evidenz nicht trauen in einem andern Fall. Derſelbige Fehler iſt da, wenn man es umkehren will.
Die Raiſonnements nur ſchlechthin bey Seite ſetzen, und dem ſo genannten Senſus kommunis allein folgen, iſt ein Princip, das zur Schwaͤrmerey fuͤhret. Es fuͤhret ſchon zu ſinnlichen Vorurtheilen, wenn man, ohne vorhergehende Pruͤfung, woher die ſcheinbare Nothwen- digkeit und Evidenz in unſern Urtheilen entſpringe, den Menſchenverſtand allein zur Richtſchnur nimmt, ob- gleich noch nichts von beſſerer Einſicht dagegen eingewen- det wird. Jn ſolchen Faͤllen die Frage: „ob auch wohl irgendwo wahre ſubjektiviſche Naturnothwendigkeit mit angenommener Gewohnheit verwechſelt werde?‟ fuͤr ganz unnuͤtz zu erkennen, und nach Reids, Beatties und Oswalds Vorſchriften, dem ungepruͤften Men- ſchenverſtand ſich ganz allein zu uͤberlaſſen, heißt, der vernuͤnftigen Unterſuchung entſagen.
Dage-
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VIII. Verſuch. Von der Beziehung
Denkens nicht aufgehalten wuͤrde. Die Logik dieſer
Philoſophen iſt nicht unrichtig, wenn es nur ihre Vor-
ausſetzungen nicht waͤren.
IV.
Wie uͤberhaupt in allen Faͤllen, bey einer wah-
ren Disharmonie der hoͤhern Vernunft und
des gemeinen Menſchenverſtandes zu ver-
fahren ſey?
Wie man nach einer geſunden Vernunftlehre in ſolchen
Faͤllen zu verfahren habe, wo Vernunft dem ge-
meinen Verſtande entgegen iſt, deucht mich, ſey nun
von ſelbſt klar.
Behaupten, man muͤſſe der Evidenz der Sinne
nachgehen, und nicht der Evidenz der Vernunft, heißt
ſo viel, als man muͤſſe der Evidenz nachgehen in einem
Fall, und der naͤmlichen Evidenz nicht trauen in einem
andern Fall. Derſelbige Fehler iſt da, wenn man es
umkehren will.
Die Raiſonnements nur ſchlechthin bey Seite ſetzen,
und dem ſo genannten Senſus kommunis allein folgen,
iſt ein Princip, das zur Schwaͤrmerey fuͤhret. Es
fuͤhret ſchon zu ſinnlichen Vorurtheilen, wenn man, ohne
vorhergehende Pruͤfung, woher die ſcheinbare Nothwen-
digkeit und Evidenz in unſern Urtheilen entſpringe, den
Menſchenverſtand allein zur Richtſchnur nimmt, ob-
gleich noch nichts von beſſerer Einſicht dagegen eingewen-
det wird. Jn ſolchen Faͤllen die Frage: „ob auch wohl
irgendwo wahre ſubjektiviſche Naturnothwendigkeit mit
angenommener Gewohnheit verwechſelt werde?‟ fuͤr
ganz unnuͤtz zu erkennen, und nach Reids, Beatties
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/644>, abgerufen am 21.11.2024.
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