noch mehr verdunkelt wird, und noch weniger der Refle- xion vorlieget, wenn diese ihr Urtheil fällt. Das na- türliche Urtheil wird also, wenn nicht ganz unterdrücket, doch in etwas zurückgehalten.
Jn diesen Beyspielen sehen wir eine eigene Gattung von subjektivisch nothwendigen Gedanken, die besonders ausgezeichnet zu werden verdienet. Sie sind physisch nothwendig, und hangen doch ab, von ge- wissen Verbindungen in den ersten Empfindungen. Der Grund der Nothwendigkeit lieget in einer, unsern Vor- stellungen aus ihrem Ursprung anklebenden Beschaffen- heit, die eigentlich von ihnen unzertrennlich ist, aber doch mittelst einer Abstraktion, zwar nicht völlig abge- sondert, aber doch in so weit unterdrückt werden kann, daß wir die Vorstellungen selbst, nach ihren übrigen Zü- gen gegenwärtig haben, sie vergleichen, und über sie ur- theilen können, ohne jener ihre Beschaffenheit, mit der sie auf andere hinweisen, so deutlich gewahrzunehmen, daß unsere Urtheile auch nothwendig in jedwedem Fall von diesen letztern bestimmet würden. Diese Gattung schien es mir zu verdienen, daß ich mich besonders bey ihr aufhielt.
11.
Ueberhaupt lassen sich die subjektivisch nothwen- digen Denkarten, Gedanken, Sätze, Urtheile nach der Verschiedenheit der Gründe, worauf diese Noth- wendigkeit beruhet, und ihrer Quelle, woraus sie ent- springet, unter gewisse allgemeine Klassen bringen.
I.) Die subjektivisch nothwendige Formen der Urtheile, vorausgesetzt, daß die Vorstellungen oder Jdeen von den Objekten, auf deren Beziehung und Verhältniß es ankommt, so sind, wie sie wirklich alsdenn in uns sind, indem wir denken, das heißt, die Noth- wendigkeit der Denkweise, ist in der Natur der
Denk-
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
noch mehr verdunkelt wird, und noch weniger der Refle- xion vorlieget, wenn dieſe ihr Urtheil faͤllt. Das na- tuͤrliche Urtheil wird alſo, wenn nicht ganz unterdruͤcket, doch in etwas zuruͤckgehalten.
Jn dieſen Beyſpielen ſehen wir eine eigene Gattung von ſubjektiviſch nothwendigen Gedanken, die beſonders ausgezeichnet zu werden verdienet. Sie ſind phyſiſch nothwendig, und hangen doch ab, von ge- wiſſen Verbindungen in den erſten Empfindungen. Der Grund der Nothwendigkeit lieget in einer, unſern Vor- ſtellungen aus ihrem Urſprung anklebenden Beſchaffen- heit, die eigentlich von ihnen unzertrennlich iſt, aber doch mittelſt einer Abſtraktion, zwar nicht voͤllig abge- ſondert, aber doch in ſo weit unterdruͤckt werden kann, daß wir die Vorſtellungen ſelbſt, nach ihren uͤbrigen Zuͤ- gen gegenwaͤrtig haben, ſie vergleichen, und uͤber ſie ur- theilen koͤnnen, ohne jener ihre Beſchaffenheit, mit der ſie auf andere hinweiſen, ſo deutlich gewahrzunehmen, daß unſere Urtheile auch nothwendig in jedwedem Fall von dieſen letztern beſtimmet wuͤrden. Dieſe Gattung ſchien es mir zu verdienen, daß ich mich beſonders bey ihr aufhielt.
11.
Ueberhaupt laſſen ſich die ſubjektiviſch nothwen- digen Denkarten, Gedanken, Saͤtze, Urtheile nach der Verſchiedenheit der Gruͤnde, worauf dieſe Noth- wendigkeit beruhet, und ihrer Quelle, woraus ſie ent- ſpringet, unter gewiſſe allgemeine Klaſſen bringen.
I.) Die ſubjektiviſch nothwendige Formen der Urtheile, vorausgeſetzt, daß die Vorſtellungen oder Jdeen von den Objekten, auf deren Beziehung und Verhaͤltniß es ankommt, ſo ſind, wie ſie wirklich alsdenn in uns ſind, indem wir denken, das heißt, die Noth- wendigkeit der Denkweiſe, iſt in der Natur der
Denk-
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
noch mehr verdunkelt wird, und noch weniger der Refle-
xion vorlieget, wenn dieſe ihr Urtheil faͤllt. Das na-
tuͤrliche Urtheil wird alſo, wenn nicht ganz unterdruͤcket,
doch in etwas zuruͤckgehalten.
Jn dieſen Beyſpielen ſehen wir eine eigene Gattung
von ſubjektiviſch nothwendigen Gedanken, die
beſonders ausgezeichnet zu werden verdienet. Sie ſind
phyſiſch nothwendig, und hangen doch ab, von ge-
wiſſen Verbindungen in den erſten Empfindungen. Der
Grund der Nothwendigkeit lieget in einer, unſern Vor-
ſtellungen aus ihrem Urſprung anklebenden Beſchaffen-
heit, die eigentlich von ihnen unzertrennlich iſt, aber
doch mittelſt einer Abſtraktion, zwar nicht voͤllig abge-
ſondert, aber doch in ſo weit unterdruͤckt werden kann,
daß wir die Vorſtellungen ſelbſt, nach ihren uͤbrigen Zuͤ-
gen gegenwaͤrtig haben, ſie vergleichen, und uͤber ſie ur-
theilen koͤnnen, ohne jener ihre Beſchaffenheit, mit der
ſie auf andere hinweiſen, ſo deutlich gewahrzunehmen,
daß unſere Urtheile auch nothwendig in jedwedem Fall
von dieſen letztern beſtimmet wuͤrden. Dieſe Gattung
ſchien es mir zu verdienen, daß ich mich beſonders bey
ihr aufhielt.
11.
Ueberhaupt laſſen ſich die ſubjektiviſch nothwen-
digen Denkarten, Gedanken, Saͤtze, Urtheile nach
der Verſchiedenheit der Gruͤnde, worauf dieſe Noth-
wendigkeit beruhet, und ihrer Quelle, woraus ſie ent-
ſpringet, unter gewiſſe allgemeine Klaſſen bringen.
I.) Die ſubjektiviſch nothwendige Formen
der Urtheile, vorausgeſetzt, daß die Vorſtellungen
oder Jdeen von den Objekten, auf deren Beziehung und
Verhaͤltniß es ankommt, ſo ſind, wie ſie wirklich alsdenn
in uns ſind, indem wir denken, das heißt, die Noth-
wendigkeit der Denkweiſe, iſt in der Natur der
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/572>, abgerufen am 21.11.2024.
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