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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der allgem. Vernunftwahrheiten, etc.

Dahin gehören zunächst die blos aus einer Verglei-
chung
entspringenden Verhältnißgedanken, von der
Einerleyheit und Verschiedenheit, mit allen ihren
Arten. Denn wenn das Prädikat einerley ist mit dem
Subjekt, oder mit einem Theil und Beschaffenheit der-
selben; wenn es in ihr lieget, wie wir sagen, oder wenn
das Gegentheil von diesem statt findet, und die Ver-
gleichung wird nur auf dieselbige Art angestellet, so muß
auch die Wirkung der Denkthätigkeit, oder das Urtheil
in allen Fällen dasselbige seyn.

Der leere Raum, saget eine Parthey der Philo-
sophen, ist etwas, das nachbleibet, wenn der Körper weg-
genommen wird, und ein reelles Ding. Der Gegner
urtheilet, er sey ein pures Nichts. Scheint dieß Bey-
spiel nicht eine Ausnahme zu machen? Jch meine nicht.
Denn ohne Zweifel ist in dem Kopf des Einen eine an-
dere Nebenidee mit dem Begrif des Subjekts oder auch
mit dem Begrif des Prädikats verbunden, als in dem
andern. Die Verschiedenheit liegt in den Jdeen, ohne
daß es vielleicht die Streitenden selbst wahrnehmen, weil
jene von dem Gleichlaut der Wörter unterdrücket wird.
Hievon an einem andern Ort. Jeder urtheilet nach sei-
nen Jdeen, und muß darnach urtheilen.

4.

Bestehen aber alle nothwendigen Urtheile ohne
Ausnahme in Gedanken von der Einerleyheit, oder
der Verschiedenheit der Dinge? Dieß ist ein oft be-
rührter, aber noch nie ins Helle gesetzter Punkt in der
Natur des menschlichen Verstandes. Einige Philoso-
phen haben alle Urtheile auf diese einzige Gedankengat-
tung reducirt, daß die Dinge einerley oder verschieden
sind. Jch habe oben gezeiget, *) daß dieß unrichtig sey,

wenn
*) Versuch 4. VII. 6.
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.

Dahin gehoͤren zunaͤchſt die blos aus einer Verglei-
chung
entſpringenden Verhaͤltnißgedanken, von der
Einerleyheit und Verſchiedenheit, mit allen ihren
Arten. Denn wenn das Praͤdikat einerley iſt mit dem
Subjekt, oder mit einem Theil und Beſchaffenheit der-
ſelben; wenn es in ihr lieget, wie wir ſagen, oder wenn
das Gegentheil von dieſem ſtatt findet, und die Ver-
gleichung wird nur auf dieſelbige Art angeſtellet, ſo muß
auch die Wirkung der Denkthaͤtigkeit, oder das Urtheil
in allen Faͤllen daſſelbige ſeyn.

Der leere Raum, ſaget eine Parthey der Philo-
ſophen, iſt etwas, das nachbleibet, wenn der Koͤrper weg-
genommen wird, und ein reelles Ding. Der Gegner
urtheilet, er ſey ein pures Nichts. Scheint dieß Bey-
ſpiel nicht eine Ausnahme zu machen? Jch meine nicht.
Denn ohne Zweifel iſt in dem Kopf des Einen eine an-
dere Nebenidee mit dem Begrif des Subjekts oder auch
mit dem Begrif des Praͤdikats verbunden, als in dem
andern. Die Verſchiedenheit liegt in den Jdeen, ohne
daß es vielleicht die Streitenden ſelbſt wahrnehmen, weil
jene von dem Gleichlaut der Woͤrter unterdruͤcket wird.
Hievon an einem andern Ort. Jeder urtheilet nach ſei-
nen Jdeen, und muß darnach urtheilen.

4.

Beſtehen aber alle nothwendigen Urtheile ohne
Ausnahme in Gedanken von der Einerleyheit, oder
der Verſchiedenheit der Dinge? Dieß iſt ein oft be-
ruͤhrter, aber noch nie ins Helle geſetzter Punkt in der
Natur des menſchlichen Verſtandes. Einige Philoſo-
phen haben alle Urtheile auf dieſe einzige Gedankengat-
tung reducirt, daß die Dinge einerley oder verſchieden
ſind. Jch habe oben gezeiget, *) daß dieß unrichtig ſey,

wenn
*) Verſuch 4. VII. 6.
H h 4
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[487/0547] der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c. Dahin gehoͤren zunaͤchſt die blos aus einer Verglei- chung entſpringenden Verhaͤltnißgedanken, von der Einerleyheit und Verſchiedenheit, mit allen ihren Arten. Denn wenn das Praͤdikat einerley iſt mit dem Subjekt, oder mit einem Theil und Beſchaffenheit der- ſelben; wenn es in ihr lieget, wie wir ſagen, oder wenn das Gegentheil von dieſem ſtatt findet, und die Ver- gleichung wird nur auf dieſelbige Art angeſtellet, ſo muß auch die Wirkung der Denkthaͤtigkeit, oder das Urtheil in allen Faͤllen daſſelbige ſeyn. Der leere Raum, ſaget eine Parthey der Philo- ſophen, iſt etwas, das nachbleibet, wenn der Koͤrper weg- genommen wird, und ein reelles Ding. Der Gegner urtheilet, er ſey ein pures Nichts. Scheint dieß Bey- ſpiel nicht eine Ausnahme zu machen? Jch meine nicht. Denn ohne Zweifel iſt in dem Kopf des Einen eine an- dere Nebenidee mit dem Begrif des Subjekts oder auch mit dem Begrif des Praͤdikats verbunden, als in dem andern. Die Verſchiedenheit liegt in den Jdeen, ohne daß es vielleicht die Streitenden ſelbſt wahrnehmen, weil jene von dem Gleichlaut der Woͤrter unterdruͤcket wird. Hievon an einem andern Ort. Jeder urtheilet nach ſei- nen Jdeen, und muß darnach urtheilen. 4. Beſtehen aber alle nothwendigen Urtheile ohne Ausnahme in Gedanken von der Einerleyheit, oder der Verſchiedenheit der Dinge? Dieß iſt ein oft be- ruͤhrter, aber noch nie ins Helle geſetzter Punkt in der Natur des menſchlichen Verſtandes. Einige Philoſo- phen haben alle Urtheile auf dieſe einzige Gedankengat- tung reducirt, daß die Dinge einerley oder verſchieden ſind. Jch habe oben gezeiget, *) daß dieß unrichtig ſey, wenn *) Verſuch 4. VII. 6. H h 4

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/547>, abgerufen am 25.12.2024.