Hitze sind in dem Körper; aber das Sanfte, die Glätte, die Festigkeit, die Härte, die Bewegung sind Beschaf- fenheiten äußerer Dinge, nach unsern sinnlichen Ur- theilen.
An eine sonsten auffallende Beobachtung will ich nur mit zwey Worten erinnern. Unsere Urtheile über die subjektivische und objektivische Existenz der Empfindun- gen, kleben diesen so fest an, daß si[e] auch in der Repro- duktion mit ihnen verbunden bleiben. Jm Traum stel- len wir uns die gesehenen Dinge, Figuren und Farben als äußere Gegenstände vor, niemals als etwas in uns; -- und unsere Gemüthsbewegungen dagegen als etwas, das in uns ist, niemals als äußere Objekte.
XII. Wie daraus der Unterschied zwischen qualita- tibus primariis und secundariis zu begreif- fen sey.
Die alten und auch einige von den neuern Philosophen, haben viel auf den Unterschied zwischen den so ge- nannten qualitatibus primariis et secundariis gebauet. Was wir schmecken, riechen, hören, auch die Farben rechnen die mehresten zu den qualitatibus secundariis. Diese Abtheilung ist mit einer andern Abtheilung der Beschaffenheiten, in Grundbeschaffenheiten und in abgeleitete Beschaffenheiten verwandt, aber doch nicht völlig dieselbe.
Die Empfindungen und Empfindungsvorstellungen haben ihren Grund in den reellen Beschaffenheiten der Dinge, denen sie entsprechen. Aber einigen von diesen objektivischen Beschaffenheiten sollen unsern sub- jektivischen Bildern von ihnen ähnlich seyn, wie verschiedene Philosophen sich ausdrücken. Und dieß sind
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſrer
Hitze ſind in dem Koͤrper; aber das Sanfte, die Glaͤtte, die Feſtigkeit, die Haͤrte, die Bewegung ſind Beſchaf- fenheiten aͤußerer Dinge, nach unſern ſinnlichen Ur- theilen.
An eine ſonſten auffallende Beobachtung will ich nur mit zwey Worten erinnern. Unſere Urtheile uͤber die ſubjektiviſche und objektiviſche Exiſtenz der Empfindun- gen, kleben dieſen ſo feſt an, daß ſi[e] auch in der Repro- duktion mit ihnen verbunden bleiben. Jm Traum ſtel- len wir uns die geſehenen Dinge, Figuren und Farben als aͤußere Gegenſtaͤnde vor, niemals als etwas in uns; — und unſere Gemuͤthsbewegungen dagegen als etwas, das in uns iſt, niemals als aͤußere Objekte.
XII. Wie daraus der Unterſchied zwiſchen qualita- tibus primariis und ſecundariis zu begreif- fen ſey.
Die alten und auch einige von den neuern Philoſophen, haben viel auf den Unterſchied zwiſchen den ſo ge- nannten qualitatibus primariis et ſecundariis gebauet. Was wir ſchmecken, riechen, hoͤren, auch die Farben rechnen die mehreſten zu den qualitatibus ſecundariis. Dieſe Abtheilung iſt mit einer andern Abtheilung der Beſchaffenheiten, in Grundbeſchaffenheiten und in abgeleitete Beſchaffenheiten verwandt, aber doch nicht voͤllig dieſelbe.
Die Empfindungen und Empfindungsvorſtellungen haben ihren Grund in den reellen Beſchaffenheiten der Dinge, denen ſie entſprechen. Aber einigen von dieſen objektiviſchen Beſchaffenheiten ſollen unſern ſub- jektiviſchen Bildern von ihnen aͤhnlich ſeyn, wie verſchiedene Philoſophen ſich ausdruͤcken. Und dieß ſind
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſrer
Hitze ſind in dem Koͤrper; aber das Sanfte, die Glaͤtte,
die Feſtigkeit, die Haͤrte, die Bewegung ſind Beſchaf-
fenheiten aͤußerer Dinge, nach unſern ſinnlichen Ur-
theilen.
An eine ſonſten auffallende Beobachtung will ich nur
mit zwey Worten erinnern. Unſere Urtheile uͤber die
ſubjektiviſche und objektiviſche Exiſtenz der Empfindun-
gen, kleben dieſen ſo feſt an, daß ſie auch in der Repro-
duktion mit ihnen verbunden bleiben. Jm Traum ſtel-
len wir uns die geſehenen Dinge, Figuren und Farben
als aͤußere Gegenſtaͤnde vor, niemals als etwas in
uns; — und unſere Gemuͤthsbewegungen dagegen als
etwas, das in uns iſt, niemals als aͤußere Objekte.
XII.
Wie daraus der Unterſchied zwiſchen qualita-
tibus primariis und ſecundariis zu begreif-
fen ſey.
Die alten und auch einige von den neuern Philoſophen,
haben viel auf den Unterſchied zwiſchen den ſo ge-
nannten qualitatibus primariis et ſecundariis gebauet.
Was wir ſchmecken, riechen, hoͤren, auch die Farben
rechnen die mehreſten zu den qualitatibus ſecundariis.
Dieſe Abtheilung iſt mit einer andern Abtheilung der
Beſchaffenheiten, in Grundbeſchaffenheiten und in
abgeleitete Beſchaffenheiten verwandt, aber doch nicht
voͤllig dieſelbe.
Die Empfindungen und Empfindungsvorſtellungen
haben ihren Grund in den reellen Beſchaffenheiten der
Dinge, denen ſie entſprechen. Aber einigen von dieſen
objektiviſchen Beſchaffenheiten ſollen unſern ſub-
jektiviſchen Bildern von ihnen aͤhnlich ſeyn, wie
verſchiedene Philoſophen ſich ausdruͤcken. Und dieß ſind
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/482>, abgerufen am 21.11.2024.
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