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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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I. Versuch. Ueber die Natur
sind, und wie sie in dem Dinge vor der Veränderung
schon gewesen sind. Wenn dieß ist, so ist weiter zwi-
schen solchen Dingen kein Unterschied, als nur in den
Größen. Sie verhalten sich zu einander wie ähnliche
Figuren. Nur die absoluten Größen, die Materie ist
verschieden; die Form ist dieselbige. Diese Homoge-
neität ist Aehnlichkeit, welche auch zugleich eine Analo-
gie ist, aber noch mehr als diese. Denn Analogie kann
statt finden, wo die analogen Dinge verschiedenartig sind.

4.

Wenn man diese gemeine Begriffe auf die Beob-
achtungen von unseren Vorstellungsarten und Seelen-
vermögen anwendet, so deucht mich doch, es zeige sich
deutlicher, worauf es bey ihrer Vergleichung ankomme,
als vorher.

Jst denn das Vermögen zu percipiren, das ist,
Vorstellungen von gegenwärtigen Objekten bey der Em-
pfindung anzunehmen, mit dem zwoten Vermögen, die-
se Vorstellungen wieder hervorzuziehen in der Ab-
wesenheit der Gegenstände, und ist beydes mit dem drit-
ten Vermögen, mit der Dichtkraft, einartig, und wie
weit sind sie alle Ein und dasselbige Vermögen? Diese
Frage hänget nun von der folgenden ab: kann jedes die-
ser Vermögen durch eine Vermehrung oder durch eine
Verminderung seiner veränderlichen Größe in jedes an-
dere übergehen, und in wie fern? und worinn bestehet
die absolute veränderliche Größe, durch deren Erhebung
oder Heruntersetzung die eine Thätigkeitsweise in die an-
dere verwandelt wird?

Auf dem letztern Theil der Frage beruhet das Erheb-
lichste. Wenn man gerade zu behauptet, das Percipi-
ren, das Aufnehmen einer gewissen Spur von einem
vorherempfangenen Eindruck, oder erlittenen Verände-
rung sey das nämlich, was wir das Reproduciren nen-

nen,

I. Verſuch. Ueber die Natur
ſind, und wie ſie in dem Dinge vor der Veraͤnderung
ſchon geweſen ſind. Wenn dieß iſt, ſo iſt weiter zwi-
ſchen ſolchen Dingen kein Unterſchied, als nur in den
Groͤßen. Sie verhalten ſich zu einander wie aͤhnliche
Figuren. Nur die abſoluten Groͤßen, die Materie iſt
verſchieden; die Form iſt dieſelbige. Dieſe Homoge-
neitaͤt iſt Aehnlichkeit, welche auch zugleich eine Analo-
gie iſt, aber noch mehr als dieſe. Denn Analogie kann
ſtatt finden, wo die analogen Dinge verſchiedenartig ſind.

4.

Wenn man dieſe gemeine Begriffe auf die Beob-
achtungen von unſeren Vorſtellungsarten und Seelen-
vermoͤgen anwendet, ſo deucht mich doch, es zeige ſich
deutlicher, worauf es bey ihrer Vergleichung ankomme,
als vorher.

Jſt denn das Vermoͤgen zu percipiren, das iſt,
Vorſtellungen von gegenwaͤrtigen Objekten bey der Em-
pfindung anzunehmen, mit dem zwoten Vermoͤgen, die-
ſe Vorſtellungen wieder hervorzuziehen in der Ab-
weſenheit der Gegenſtaͤnde, und iſt beydes mit dem drit-
ten Vermoͤgen, mit der Dichtkraft, einartig, und wie
weit ſind ſie alle Ein und daſſelbige Vermoͤgen? Dieſe
Frage haͤnget nun von der folgenden ab: kann jedes die-
ſer Vermoͤgen durch eine Vermehrung oder durch eine
Verminderung ſeiner veraͤnderlichen Groͤße in jedes an-
dere uͤbergehen, und in wie fern? und worinn beſtehet
die abſolute veraͤnderliche Groͤße, durch deren Erhebung
oder Herunterſetzung die eine Thaͤtigkeitsweiſe in die an-
dere verwandelt wird?

Auf dem letztern Theil der Frage beruhet das Erheb-
lichſte. Wenn man gerade zu behauptet, das Percipi-
ren, das Aufnehmen einer gewiſſen Spur von einem
vorherempfangenen Eindruck, oder erlittenen Veraͤnde-
rung ſey das naͤmlich, was wir das Reproduciren nen-

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[154/0214] I. Verſuch. Ueber die Natur ſind, und wie ſie in dem Dinge vor der Veraͤnderung ſchon geweſen ſind. Wenn dieß iſt, ſo iſt weiter zwi- ſchen ſolchen Dingen kein Unterſchied, als nur in den Groͤßen. Sie verhalten ſich zu einander wie aͤhnliche Figuren. Nur die abſoluten Groͤßen, die Materie iſt verſchieden; die Form iſt dieſelbige. Dieſe Homoge- neitaͤt iſt Aehnlichkeit, welche auch zugleich eine Analo- gie iſt, aber noch mehr als dieſe. Denn Analogie kann ſtatt finden, wo die analogen Dinge verſchiedenartig ſind. 4. Wenn man dieſe gemeine Begriffe auf die Beob- achtungen von unſeren Vorſtellungsarten und Seelen- vermoͤgen anwendet, ſo deucht mich doch, es zeige ſich deutlicher, worauf es bey ihrer Vergleichung ankomme, als vorher. Jſt denn das Vermoͤgen zu percipiren, das iſt, Vorſtellungen von gegenwaͤrtigen Objekten bey der Em- pfindung anzunehmen, mit dem zwoten Vermoͤgen, die- ſe Vorſtellungen wieder hervorzuziehen in der Ab- weſenheit der Gegenſtaͤnde, und iſt beydes mit dem drit- ten Vermoͤgen, mit der Dichtkraft, einartig, und wie weit ſind ſie alle Ein und daſſelbige Vermoͤgen? Dieſe Frage haͤnget nun von der folgenden ab: kann jedes die- ſer Vermoͤgen durch eine Vermehrung oder durch eine Verminderung ſeiner veraͤnderlichen Groͤße in jedes an- dere uͤbergehen, und in wie fern? und worinn beſtehet die abſolute veraͤnderliche Groͤße, durch deren Erhebung oder Herunterſetzung die eine Thaͤtigkeitsweiſe in die an- dere verwandelt wird? Auf dem letztern Theil der Frage beruhet das Erheb- lichſte. Wenn man gerade zu behauptet, das Percipi- ren, das Aufnehmen einer gewiſſen Spur von einem vorherempfangenen Eindruck, oder erlittenen Veraͤnde- rung ſey das naͤmlich, was wir das Reproduciren nen- nen,

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/214>, abgerufen am 21.11.2024.