Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.haben in das Meer stürzen lassen; aber ein Engel hat sie, wie die Leute sagen, in seine Arme genommen und sanft hinuntergetragen; und unten hat ihr Geliebter schon auf sie gewartet und sie in seinem Schiffe mit sich genommen in seine ferne Heimath. Einige erzählen, der Priester habe die Schwangerschaft der Priesterin entdeckt, und wie er sie vergebens zu einem Geständniß ermahnt, habe er sie zuletzt jene Probe bestehen lassen, worauf dann das Wunder sich begeben. Das Mädchen soll darauf in dem heiligen See ertränkt seyn. Mündlich. Ein Rügenscher Dichter hat übrigens diese Sage in folgende Verse gebracht, welche auf der Insel Rügen ehr verbreitet sind: Die Steinprobe. (Eine Rügische Sage.) Auf der Stubnitz waldumkränzten Höhen, In des Haines stiller Dunkelheit, Stand, wo wir noch jetzt die Stätte sehen, Eine Burg, dem Hertha-Dienst geweiht. In der Götter schauerlichen Hallen Sah man Rügens schönste Mädchenschaar; Eine mußte ihr zum Opfer fallen Von den Priesterinnen jedes Jahr. Aus den edelsten Geschlechtern strebten Holde Jungfrau'n dieser Ehre nach; Wonnetrunken ihre Herzen bebten An der Weihe feierlichem Tag. Aber Allem mußten sie entsagen, Was des Lebens Lenz uns Schönes beut, haben in das Meer stürzen lassen; aber ein Engel hat sie, wie die Leute sagen, in seine Arme genommen und sanft hinuntergetragen; und unten hat ihr Geliebter schon auf sie gewartet und sie in seinem Schiffe mit sich genommen in seine ferne Heimath. Einige erzählen, der Priester habe die Schwangerschaft der Priesterin entdeckt, und wie er sie vergebens zu einem Geständniß ermahnt, habe er sie zuletzt jene Probe bestehen lassen, worauf dann das Wunder sich begeben. Das Mädchen soll darauf in dem heiligen See ertränkt seyn. Mündlich. Ein Rügenscher Dichter hat übrigens diese Sage in folgende Verse gebracht, welche auf der Insel Rügen ehr verbreitet sind: Die Steinprobe. (Eine Rügische Sage.) Auf der Stubnitz waldumkränzten Höhen, In des Haines stiller Dunkelheit, Stand, wo wir noch jetzt die Stätte sehen, Eine Burg, dem Hertha-Dienst geweiht. In der Götter schauerlichen Hallen Sah man Rügens schönste Mädchenschaar; Eine mußte ihr zum Opfer fallen Von den Priesterinnen jedes Jahr. Aus den edelsten Geschlechtern strebten Holde Jungfrau’n dieser Ehre nach; Wonnetrunken ihre Herzen bebten An der Weihe feierlichem Tag. Aber Allem mußten sie entsagen, Was des Lebens Lenz uns Schönes beut, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0356" n="324"/> haben in das Meer stürzen lassen; aber ein Engel hat sie, wie die Leute sagen, in seine Arme genommen und sanft hinuntergetragen; und unten hat ihr Geliebter schon auf sie gewartet und sie in seinem Schiffe mit sich genommen in seine ferne Heimath.</p> <p>Einige erzählen, der Priester habe die Schwangerschaft der Priesterin entdeckt, und wie er sie vergebens zu einem Geständniß ermahnt, habe er sie zuletzt jene Probe bestehen lassen, worauf dann das Wunder sich begeben. Das Mädchen soll darauf in dem heiligen See ertränkt seyn.</p> <listBibl> <bibl>Mündlich.</bibl><lb/> </listBibl> <p>Ein Rügenscher Dichter hat übrigens diese Sage in folgende Verse gebracht, welche auf der Insel Rügen ehr verbreitet sind:</p> <div type="poem"> <head><hi rendition="#g">Die Steinprobe</hi>.</head><lb/> <p rendition="#c">(Eine Rügische Sage.)</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l> <hi rendition="#et">Auf der Stubnitz waldumkränzten Höhen,</hi> </l><lb/> <l>In des Haines stiller Dunkelheit,</l><lb/> <l>Stand, wo wir noch jetzt die Stätte sehen,</l><lb/> <l>Eine Burg, dem Hertha-Dienst geweiht.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l> <hi rendition="#et">In der Götter schauerlichen Hallen</hi> </l><lb/> <l>Sah man Rügens schönste Mädchenschaar;</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Eine</hi> mußte ihr zum Opfer fallen</l><lb/> <l>Von den Priesterinnen jedes Jahr.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l> <hi rendition="#et">Aus den edelsten Geschlechtern strebten</hi> </l><lb/> <l>Holde Jungfrau’n dieser Ehre nach;</l><lb/> <l>Wonnetrunken ihre Herzen bebten</l><lb/> <l>An der Weihe feierlichem Tag.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l> <hi rendition="#et">Aber Allem mußten sie entsagen,</hi> </l><lb/> <l>Was des Lebens Lenz uns Schönes beut,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [324/0356]
haben in das Meer stürzen lassen; aber ein Engel hat sie, wie die Leute sagen, in seine Arme genommen und sanft hinuntergetragen; und unten hat ihr Geliebter schon auf sie gewartet und sie in seinem Schiffe mit sich genommen in seine ferne Heimath.
Einige erzählen, der Priester habe die Schwangerschaft der Priesterin entdeckt, und wie er sie vergebens zu einem Geständniß ermahnt, habe er sie zuletzt jene Probe bestehen lassen, worauf dann das Wunder sich begeben. Das Mädchen soll darauf in dem heiligen See ertränkt seyn.
Mündlich.
Ein Rügenscher Dichter hat übrigens diese Sage in folgende Verse gebracht, welche auf der Insel Rügen ehr verbreitet sind:
Die Steinprobe.
(Eine Rügische Sage.)
Auf der Stubnitz waldumkränzten Höhen,
In des Haines stiller Dunkelheit,
Stand, wo wir noch jetzt die Stätte sehen,
Eine Burg, dem Hertha-Dienst geweiht.
In der Götter schauerlichen Hallen
Sah man Rügens schönste Mädchenschaar;
Eine mußte ihr zum Opfer fallen
Von den Priesterinnen jedes Jahr.
Aus den edelsten Geschlechtern strebten
Holde Jungfrau’n dieser Ehre nach;
Wonnetrunken ihre Herzen bebten
An der Weihe feierlichem Tag.
Aber Allem mußten sie entsagen,
Was des Lebens Lenz uns Schönes beut,
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Zitationshilfe: | Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/356>, abgerufen am 22.02.2025. |