Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Schätzen ihr auch wohl folgen würden und sie wandte sich um, nach ihnen zu sehen. Aber das war ihr großes Unglück: denn auf einmal verwandelte sich der alte König in einen großen schwarzen Hund, der mit feurigem Rachen und glühenden Augen auf sie zusprang, und wie sie nun weiter vor Angst und Entsetzen laut ausrief: O Herr je! da schlug auf einmal die Thür über ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und sie fiel in den großen Saal hinein, in dem die Lichter plötzlich verlöschten. Darin sitzt sie nun schon viele hundert Jahre lang, und muß dem alten Heidenkönige helfen, seine Schätze zu hüten.

Sie kann nur erlöset werden, wenn ein reiner Junggesell es wagt, in der Johannisnacht auf dieselbe Weise, wie sie es that, auf den Garzer Schloßwall zu gehen, und in die Schatzkammer hinabzufallen. Er muß sich dann dreimal vor ihr neigen, und ihr einen Kuß geben, und sie still an der Hand herausführen. Sprechen darf er dabei kein Wort. Wer sie so herausbringt, der wird ihr Gemahl werden, und so viel Schätze erwerben, daß er sich ein ganzes Königreich kaufen kann.

Es sollen schon Viele dieses Wagestück versucht haben; aber es ist noch Keiner zurückgekommen. Man sagt, der alte schwarze Hund sey so schrecklich, daß Alle, die ihn sehen, vor Entsetzen laut schreien müssen, und dann ist Alles vorbei. Zuletzt soll noch vor dreißig oder vierzig Jahren ein Schuhmachergesell hier verschwunden seyn.

E. M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 10-29.
210. Die schwarze Frau auf dem Königsstuhl.

In Rügen hat einst eine Fürstin gelebt, die viele Schätze hatte. Sie fürchtete, daß ihr diese geraubt werden möchten, und sie ließ sie daher in dem Kreidefelsen der Stubbenkammer vergraben. Die Gräber aber ließ sie

Schätzen ihr auch wohl folgen würden und sie wandte sich um, nach ihnen zu sehen. Aber das war ihr großes Unglück: denn auf einmal verwandelte sich der alte König in einen großen schwarzen Hund, der mit feurigem Rachen und glühenden Augen auf sie zusprang, und wie sie nun weiter vor Angst und Entsetzen laut ausrief: O Herr je! da schlug auf einmal die Thür über ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und sie fiel in den großen Saal hinein, in dem die Lichter plötzlich verlöschten. Darin sitzt sie nun schon viele hundert Jahre lang, und muß dem alten Heidenkönige helfen, seine Schätze zu hüten.

Sie kann nur erlöset werden, wenn ein reiner Junggesell es wagt, in der Johannisnacht auf dieselbe Weise, wie sie es that, auf den Garzer Schloßwall zu gehen, und in die Schatzkammer hinabzufallen. Er muß sich dann dreimal vor ihr neigen, und ihr einen Kuß geben, und sie still an der Hand herausführen. Sprechen darf er dabei kein Wort. Wer sie so herausbringt, der wird ihr Gemahl werden, und so viel Schätze erwerben, daß er sich ein ganzes Königreich kaufen kann.

Es sollen schon Viele dieses Wagestück versucht haben; aber es ist noch Keiner zurückgekommen. Man sagt, der alte schwarze Hund sey so schrecklich, daß Alle, die ihn sehen, vor Entsetzen laut schreien müssen, und dann ist Alles vorbei. Zuletzt soll noch vor dreißig oder vierzig Jahren ein Schuhmachergesell hier verschwunden seyn.

E. M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 10-29.
210. Die schwarze Frau auf dem Königsstuhl.

In Rügen hat einst eine Fürstin gelebt, die viele Schätze hatte. Sie fürchtete, daß ihr diese geraubt werden möchten, und sie ließ sie daher in dem Kreidefelsen der Stubbenkammer vergraben. Die Gräber aber ließ sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="247"/>
Schätzen ihr auch wohl folgen würden und sie wandte sich um, nach ihnen zu sehen. Aber das war ihr großes Unglück: denn auf einmal verwandelte sich der alte König in einen großen schwarzen Hund, der mit feurigem Rachen und glühenden Augen auf sie zusprang, und wie sie nun weiter vor Angst und Entsetzen laut ausrief: O Herr je! da schlug auf einmal die Thür über ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und sie fiel in den großen Saal hinein, in dem die Lichter plötzlich verlöschten. Darin sitzt sie nun schon viele hundert Jahre lang, und muß dem alten Heidenkönige helfen, seine Schätze zu hüten.</p>
          <p>Sie kann nur erlöset werden, wenn ein reiner Junggesell es wagt, in der Johannisnacht auf dieselbe Weise, wie sie es that, auf den Garzer Schloßwall zu gehen, und in die Schatzkammer hinabzufallen. Er muß sich dann dreimal vor ihr neigen, und ihr einen Kuß geben, und sie still an der Hand herausführen. Sprechen darf er dabei kein Wort. Wer sie so herausbringt, der wird ihr Gemahl werden, und so viel Schätze erwerben, daß er sich ein ganzes Königreich kaufen kann.</p>
          <p>Es sollen schon Viele dieses Wagestück versucht haben; aber es ist noch Keiner zurückgekommen. Man sagt, der alte schwarze Hund sey so schrecklich, daß Alle, die ihn sehen, vor Entsetzen laut schreien müssen, und dann ist Alles vorbei. Zuletzt soll noch vor dreißig oder vierzig Jahren ein Schuhmachergesell hier verschwunden seyn.</p>
          <listBibl>
            <bibl>E. M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 10-29.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>210. Die schwarze Frau auf dem Königsstuhl.</head><lb/>
          <p>In Rügen hat einst eine Fürstin gelebt, die viele Schätze hatte. Sie fürchtete, daß ihr diese geraubt werden möchten, und sie ließ sie daher in dem Kreidefelsen der Stubbenkammer vergraben. Die Gräber aber ließ sie
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0279] Schätzen ihr auch wohl folgen würden und sie wandte sich um, nach ihnen zu sehen. Aber das war ihr großes Unglück: denn auf einmal verwandelte sich der alte König in einen großen schwarzen Hund, der mit feurigem Rachen und glühenden Augen auf sie zusprang, und wie sie nun weiter vor Angst und Entsetzen laut ausrief: O Herr je! da schlug auf einmal die Thür über ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und sie fiel in den großen Saal hinein, in dem die Lichter plötzlich verlöschten. Darin sitzt sie nun schon viele hundert Jahre lang, und muß dem alten Heidenkönige helfen, seine Schätze zu hüten. Sie kann nur erlöset werden, wenn ein reiner Junggesell es wagt, in der Johannisnacht auf dieselbe Weise, wie sie es that, auf den Garzer Schloßwall zu gehen, und in die Schatzkammer hinabzufallen. Er muß sich dann dreimal vor ihr neigen, und ihr einen Kuß geben, und sie still an der Hand herausführen. Sprechen darf er dabei kein Wort. Wer sie so herausbringt, der wird ihr Gemahl werden, und so viel Schätze erwerben, daß er sich ein ganzes Königreich kaufen kann. Es sollen schon Viele dieses Wagestück versucht haben; aber es ist noch Keiner zurückgekommen. Man sagt, der alte schwarze Hund sey so schrecklich, daß Alle, die ihn sehen, vor Entsetzen laut schreien müssen, und dann ist Alles vorbei. Zuletzt soll noch vor dreißig oder vierzig Jahren ein Schuhmachergesell hier verschwunden seyn. E. M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 10-29. 210. Die schwarze Frau auf dem Königsstuhl. In Rügen hat einst eine Fürstin gelebt, die viele Schätze hatte. Sie fürchtete, daß ihr diese geraubt werden möchten, und sie ließ sie daher in dem Kreidefelsen der Stubbenkammer vergraben. Die Gräber aber ließ sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/279
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/279>, abgerufen am 21.11.2024.