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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Fläche bekommt, so daß sie nun, nach Art einer
fertigen Kupferplatte mit Farb eingerieben und ab-
gedrukt einen durchaus schwarzen Abdruk geben
würde. Ehedem brauchte man dazu eine kleine
stählerne Walze, nach Art einer sehr feinen Raspel
behauen. Aber izt hat man andre. Werkzeuge,
die den Grund viel feiner bearbeiten.

Auf diesen Grund wird nun die Zeichnung ge-
macht, und hernach werden die hellern und ganz
hellen Stellen durch feines Beschaben und Glätten
des Grundes allmählig herausgebracht. Wie also
beym Stechen und Radiren, die Schatten und dun-
kelen Stellen in das Kupfer hineingegraben werden,
so wird hier das Helle herausgearbeitet. Für die
ganz dunkelen Stellen wird der Grund so gelassen,
wie die Walze ihn gemacht hat; für Schatten und hal-
be Schatten, wird er durch mehr oder weniger Be-
schaben der Platte, mehr oder weniger helle gemacht.
Wenn die Platte fertig ist, so geschieht das Einrei-
ben der Farb und das Abdruken der Platte über-
haupt, wie bey den andern Arten der Kupferstiche.

Das Vorzügliche dieser Art besteht in dem sanften
Ton der gedrukten Blätter. Weil hier keine Stri-
che und Schraffirungen vorkommen, so sieht ein sol-
ches Kupfer wie mit dem Pensel bearbeitet und auf
das sanfteste vertrieben aus. Das Nakende, und
alles Weiche und Sanfte, wie Haare und Gewand,
wird dadurch vollkommen wol ausgedrukt, und bey
dem Nakenden hat man das Glänzende nicht zu be-
sorgen, das im Kupferstich zu vermeiden ist. Da-
her sich die schwarze Kunst vorzüglich zum Portrait
schiket, das in der vollkommensten Harmonie kann
dargestellt werden.

Freylich wird es bey dieser Behandlung höchst
schweer, in kleinern Theilen die höchste Genauigkeit
der Umrisse mit der nöthigen Leichtigkeit zu erhalten.
Da würkliche Umrisse, die von einigen Künstlern
mit schlechtem Erfolg versucht worden, sich durchaus
zu dem Sanften des übrigen nicht schiken.

Wiewol diese Kunst viel jünger ist, als das Ku-
pferstechen und Radiren, so ist man doch über ihre
Erfindung nicht völlig gewiß. Viele schreiben sie ei-
nem ehemaligen Heßischen Officier zu. Aber die
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Schw
gemeineste Sage giebt den berühmten Pfälzischen
Prinzen Ruppert, der in England lebte, als den
Erfinder derselben an. Jn Evelyns etwas seltenen
kleinen Werk über die Kupferstecherkunst (+), findet
man ein Originalblatt von diesem Prinzen, das frey-
lich noch etwas unreinlich, aber nicht ohne Schön-
heit ist. Einige geben die Ehre der Erfindung dem
berühmten Ritter Wren. Sollte es ungewiß seyn,
daß diese Kunst in England erfunden worden, so hat sie
doch gewiß in diesem Land ihre höchste Vollkommenheit
erreicht. Withe und Smith die eine große Menge
Portraite nach dem berühmten Kneller in schwarzer
Kunst herausgegeben, wurden ehedem für die vor-
züglichsten Meister darin gehalten. Aber in unsern
Tagen ist sie in England doch zu einer größern Voll-
kommenheit gekommen. (++) Eine Unvollkommenheit
hat diese Art, daß die Platten, besonders bey dem
izt gewöhnlichen fein gearbeiteter Grund, viel weni-
ger gute Abdrüke geben, als die radirten, oder ge-
stochenen Platten. Hundert, bis hundert und funf-
zig, und bey etwas weniger feinen Arbeit zweyhun-
dert Abdrüke schwächen die Platte schon so, daß man
ihr etwas nachhelfen muß, um mehrere zu haben.

Schwulst.
(Redende Künste.)

Die Schwulst in der Rede ist etwas das ihr eine
falsche, blos scheinbare Größe giebt. Longin ver-
gleicht sie mit dem aufgedunsenen Wesen, wodurch ein
Wassersüchtiger das Ansehen eines gesunden und wol-
genährten Menschen bekommt. Die Schwulst ist ein
Fehler der Schreibart, der bisweilen blos im Aus-
druk, bisweilen aber auch in den der Hauptsache
beygemischten Begriffen liegt. Blos im Ausdruk
liegt sie, wenn ganz gemeine Dinge mit prächti-
gen, volltönenden, nur in einer hohen patheti-
schen Sprache gebräuchlichen Worten, und in
großen wolklingenden Perioden gesagt werden: in
den beygemischten Begriffen liegt sie, wenn man
gemeine Dinge durch viel bedeutende und große Be-
griffe gebende Wörter ausdrükt; oder wenn man
der an sich gemeinen Hauptsache hohe Gedanken oder
große Empfindungen beymischet, um ihnen ein wich-

tiges
(+) John Evelyn's sculptura, or history and art of chalco-
graphie &c. London
1662. 8. Es ist im Jahr 1755 eine
neue Ausgabe davon erschienen.
(++) [Spaltenumbruch]
Man findet die berühmtesten Meister der neuern
[Spaltenumbruch] Zeit nebst einem Verzeichnis ihrer besten Werke in Füß-
lins raisonnirenden Verzeichnis der vornehmsten Ku-
pferstecher,
das 1771 in Zürich herausgekommen ist, auf
der 350 und den folgenden Seiten.

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Schw
Flaͤche bekommt, ſo daß ſie nun, nach Art einer
fertigen Kupferplatte mit Farb eingerieben und ab-
gedrukt einen durchaus ſchwarzen Abdruk geben
wuͤrde. Ehedem brauchte man dazu eine kleine
ſtaͤhlerne Walze, nach Art einer ſehr feinen Raſpel
behauen. Aber izt hat man andre. Werkzeuge,
die den Grund viel feiner bearbeiten.

Auf dieſen Grund wird nun die Zeichnung ge-
macht, und hernach werden die hellern und ganz
hellen Stellen durch feines Beſchaben und Glaͤtten
des Grundes allmaͤhlig herausgebracht. Wie alſo
beym Stechen und Radiren, die Schatten und dun-
kelen Stellen in das Kupfer hineingegraben werden,
ſo wird hier das Helle herausgearbeitet. Fuͤr die
ganz dunkelen Stellen wird der Grund ſo gelaſſen,
wie die Walze ihn gemacht hat; fuͤr Schatten und hal-
be Schatten, wird er durch mehr oder weniger Be-
ſchaben der Platte, mehr oder weniger helle gemacht.
Wenn die Platte fertig iſt, ſo geſchieht das Einrei-
ben der Farb und das Abdruken der Platte uͤber-
haupt, wie bey den andern Arten der Kupferſtiche.

Das Vorzuͤgliche dieſer Art beſteht in dem ſanften
Ton der gedrukten Blaͤtter. Weil hier keine Stri-
che und Schraffirungen vorkommen, ſo ſieht ein ſol-
ches Kupfer wie mit dem Penſel bearbeitet und auf
das ſanfteſte vertrieben aus. Das Nakende, und
alles Weiche und Sanfte, wie Haare und Gewand,
wird dadurch vollkommen wol ausgedrukt, und bey
dem Nakenden hat man das Glaͤnzende nicht zu be-
ſorgen, das im Kupferſtich zu vermeiden iſt. Da-
her ſich die ſchwarze Kunſt vorzuͤglich zum Portrait
ſchiket, das in der vollkommenſten Harmonie kann
dargeſtellt werden.

Freylich wird es bey dieſer Behandlung hoͤchſt
ſchweer, in kleinern Theilen die hoͤchſte Genauigkeit
der Umriſſe mit der noͤthigen Leichtigkeit zu erhalten.
Da wuͤrkliche Umriſſe, die von einigen Kuͤnſtlern
mit ſchlechtem Erfolg verſucht worden, ſich durchaus
zu dem Sanften des uͤbrigen nicht ſchiken.

Wiewol dieſe Kunſt viel juͤnger iſt, als das Ku-
pferſtechen und Radiren, ſo iſt man doch uͤber ihre
Erfindung nicht voͤllig gewiß. Viele ſchreiben ſie ei-
nem ehemaligen Heßiſchen Officier zu. Aber die
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gemeineſte Sage giebt den beruͤhmten Pfaͤlziſchen
Prinzen Ruppert, der in England lebte, als den
Erfinder derſelben an. Jn Evelyns etwas ſeltenen
kleinen Werk uͤber die Kupferſtecherkunſt (†), findet
man ein Originalblatt von dieſem Prinzen, das frey-
lich noch etwas unreinlich, aber nicht ohne Schoͤn-
heit iſt. Einige geben die Ehre der Erfindung dem
beruͤhmten Ritter Wren. Sollte es ungewiß ſeyn,
daß dieſe Kunſt in England erfunden worden, ſo hat ſie
doch gewiß in dieſem Land ihre hoͤchſte Vollkommenheit
erreicht. Withe und Smith die eine große Menge
Portraite nach dem beruͤhmten Kneller in ſchwarzer
Kunſt herausgegeben, wurden ehedem fuͤr die vor-
zuͤglichſten Meiſter darin gehalten. Aber in unſern
Tagen iſt ſie in England doch zu einer groͤßern Voll-
kommenheit gekommen. (††) Eine Unvollkommenheit
hat dieſe Art, daß die Platten, beſonders bey dem
izt gewoͤhnlichen fein gearbeiteter Grund, viel weni-
ger gute Abdruͤke geben, als die radirten, oder ge-
ſtochenen Platten. Hundert, bis hundert und funf-
zig, und bey etwas weniger feinen Arbeit zweyhun-
dert Abdruͤke ſchwaͤchen die Platte ſchon ſo, daß man
ihr etwas nachhelfen muß, um mehrere zu haben.

Schwulſt.
(Redende Kuͤnſte.)

Die Schwulſt in der Rede iſt etwas das ihr eine
falſche, blos ſcheinbare Groͤße giebt. Longin ver-
gleicht ſie mit dem aufgedunſenen Weſen, wodurch ein
Waſſerſuͤchtiger das Anſehen eines geſunden und wol-
genaͤhrten Menſchen bekommt. Die Schwulſt iſt ein
Fehler der Schreibart, der bisweilen blos im Aus-
druk, bisweilen aber auch in den der Hauptſache
beygemiſchten Begriffen liegt. Blos im Ausdruk
liegt ſie, wenn ganz gemeine Dinge mit praͤchti-
gen, volltoͤnenden, nur in einer hohen patheti-
ſchen Sprache gebraͤuchlichen Worten, und in
großen wolklingenden Perioden geſagt werden: in
den beygemiſchten Begriffen liegt ſie, wenn man
gemeine Dinge durch viel bedeutende und große Be-
griffe gebende Woͤrter ausdruͤkt; oder wenn man
der an ſich gemeinen Hauptſache hohe Gedanken oder
große Empfindungen beymiſchet, um ihnen ein wich-

tiges
(†) John Evelyn’s ſculptura, or hiſtory and art of chalco-
graphie &c. London
1662. 8. Es iſt im Jahr 1755 eine
neue Ausgabe davon erſchienen.
(††) [Spaltenumbruch]
Man findet die beruͤhmteſten Meiſter der neuern
[Spaltenumbruch] Zeit nebſt einem Verzeichnis ihrer beſten Werke in Fuͤß-
lins raiſonnirenden Verzeichnis der vornehmſten Ku-
pferſtecher,
das 1771 in Zuͤrich herausgekommen iſt, auf
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[1058[1040]/0487] Schw Schw Flaͤche bekommt, ſo daß ſie nun, nach Art einer fertigen Kupferplatte mit Farb eingerieben und ab- gedrukt einen durchaus ſchwarzen Abdruk geben wuͤrde. Ehedem brauchte man dazu eine kleine ſtaͤhlerne Walze, nach Art einer ſehr feinen Raſpel behauen. Aber izt hat man andre. Werkzeuge, die den Grund viel feiner bearbeiten. Auf dieſen Grund wird nun die Zeichnung ge- macht, und hernach werden die hellern und ganz hellen Stellen durch feines Beſchaben und Glaͤtten des Grundes allmaͤhlig herausgebracht. Wie alſo beym Stechen und Radiren, die Schatten und dun- kelen Stellen in das Kupfer hineingegraben werden, ſo wird hier das Helle herausgearbeitet. Fuͤr die ganz dunkelen Stellen wird der Grund ſo gelaſſen, wie die Walze ihn gemacht hat; fuͤr Schatten und hal- be Schatten, wird er durch mehr oder weniger Be- ſchaben der Platte, mehr oder weniger helle gemacht. Wenn die Platte fertig iſt, ſo geſchieht das Einrei- ben der Farb und das Abdruken der Platte uͤber- haupt, wie bey den andern Arten der Kupferſtiche. Das Vorzuͤgliche dieſer Art beſteht in dem ſanften Ton der gedrukten Blaͤtter. Weil hier keine Stri- che und Schraffirungen vorkommen, ſo ſieht ein ſol- ches Kupfer wie mit dem Penſel bearbeitet und auf das ſanfteſte vertrieben aus. Das Nakende, und alles Weiche und Sanfte, wie Haare und Gewand, wird dadurch vollkommen wol ausgedrukt, und bey dem Nakenden hat man das Glaͤnzende nicht zu be- ſorgen, das im Kupferſtich zu vermeiden iſt. Da- her ſich die ſchwarze Kunſt vorzuͤglich zum Portrait ſchiket, das in der vollkommenſten Harmonie kann dargeſtellt werden. Freylich wird es bey dieſer Behandlung hoͤchſt ſchweer, in kleinern Theilen die hoͤchſte Genauigkeit der Umriſſe mit der noͤthigen Leichtigkeit zu erhalten. Da wuͤrkliche Umriſſe, die von einigen Kuͤnſtlern mit ſchlechtem Erfolg verſucht worden, ſich durchaus zu dem Sanften des uͤbrigen nicht ſchiken. Wiewol dieſe Kunſt viel juͤnger iſt, als das Ku- pferſtechen und Radiren, ſo iſt man doch uͤber ihre Erfindung nicht voͤllig gewiß. Viele ſchreiben ſie ei- nem ehemaligen Heßiſchen Officier zu. Aber die gemeineſte Sage giebt den beruͤhmten Pfaͤlziſchen Prinzen Ruppert, der in England lebte, als den Erfinder derſelben an. Jn Evelyns etwas ſeltenen kleinen Werk uͤber die Kupferſtecherkunſt (†), findet man ein Originalblatt von dieſem Prinzen, das frey- lich noch etwas unreinlich, aber nicht ohne Schoͤn- heit iſt. Einige geben die Ehre der Erfindung dem beruͤhmten Ritter Wren. Sollte es ungewiß ſeyn, daß dieſe Kunſt in England erfunden worden, ſo hat ſie doch gewiß in dieſem Land ihre hoͤchſte Vollkommenheit erreicht. Withe und Smith die eine große Menge Portraite nach dem beruͤhmten Kneller in ſchwarzer Kunſt herausgegeben, wurden ehedem fuͤr die vor- zuͤglichſten Meiſter darin gehalten. Aber in unſern Tagen iſt ſie in England doch zu einer groͤßern Voll- kommenheit gekommen. (††) Eine Unvollkommenheit hat dieſe Art, daß die Platten, beſonders bey dem izt gewoͤhnlichen fein gearbeiteter Grund, viel weni- ger gute Abdruͤke geben, als die radirten, oder ge- ſtochenen Platten. Hundert, bis hundert und funf- zig, und bey etwas weniger feinen Arbeit zweyhun- dert Abdruͤke ſchwaͤchen die Platte ſchon ſo, daß man ihr etwas nachhelfen muß, um mehrere zu haben. Schwulſt. (Redende Kuͤnſte.) Die Schwulſt in der Rede iſt etwas das ihr eine falſche, blos ſcheinbare Groͤße giebt. Longin ver- gleicht ſie mit dem aufgedunſenen Weſen, wodurch ein Waſſerſuͤchtiger das Anſehen eines geſunden und wol- genaͤhrten Menſchen bekommt. Die Schwulſt iſt ein Fehler der Schreibart, der bisweilen blos im Aus- druk, bisweilen aber auch in den der Hauptſache beygemiſchten Begriffen liegt. Blos im Ausdruk liegt ſie, wenn ganz gemeine Dinge mit praͤchti- gen, volltoͤnenden, nur in einer hohen patheti- ſchen Sprache gebraͤuchlichen Worten, und in großen wolklingenden Perioden geſagt werden: in den beygemiſchten Begriffen liegt ſie, wenn man gemeine Dinge durch viel bedeutende und große Be- griffe gebende Woͤrter ausdruͤkt; oder wenn man der an ſich gemeinen Hauptſache hohe Gedanken oder große Empfindungen beymiſchet, um ihnen ein wich- tiges (†) John Evelyn’s ſculptura, or hiſtory and art of chalco- graphie &c. London 1662. 8. Es iſt im Jahr 1755 eine neue Ausgabe davon erſchienen. (††) Man findet die beruͤhmteſten Meiſter der neuern Zeit nebſt einem Verzeichnis ihrer beſten Werke in Fuͤß- lins raiſonnirenden Verzeichnis der vornehmſten Ku- pferſtecher, das 1771 in Zuͤrich herausgekommen iſt, auf der 350 und den folgenden Seiten.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1058[1040]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/487>, abgerufen am 20.11.2024.