wichtigere Thorheiten, Vorurtheile und unsittliche Arten zu handeln auf eine kräftig beschämende Weise vorhalten werden. An einzelen Spuhren, daß in Deutschland Köpfe die der Sache gewachsen wären, bereits vorhanden sind, fehlet es nicht.
Satyrisches Drama.
Dieses war bey den Griechen eine Art des Nach- spiehles, das entweder zwischen zwey Trauerspielen, oder nach denselben aufgeführt worden. Der Cha- rakter desselben war, daß es eine bekannte Hand- lung eines Helden, zwar ernsthaft, aber mit Scherz untermischt, in einem aufgewekten Vortrag vorstellte. Dieses Drama hatte einen Chor, wie das Trauer- spiel, der aber allezeit aus Satyren bestund. So wol der Jnhalt, als die Ausführung zielte auf et- was lustiges ab. Die Scene war allemal auf freyem Feld, oder in Wäldern, nahe an den Hölen der Satyren. Satyricae Scenae, (sagt Vitruvius) ornantur arboribus, speluncis, montibus, reliquis agrestibus rebus in topiarii operis speciem defor- matis(*), und so waren auch die Tänze, wie alles übrige dem muthwilligen und wollüstigen Charakter der Satyren angemessen.
Wie ausgelassen dieses Schauspiel gewesen sey, läßt sich aus dem Cyclops des Euripides, dem ein- zigen satyrischen Drama, das übrig geblieben ist, abnehmen; da dieser socratische sonst so weise und so ernsthafte Dichter seinen Satyren viel wollüstige Reden und so gar Zoten in den Mund legt, wel- ches er gewiß aus Nothwendigkeit, dem Charakter dieser Spiele gemäß und nicht seinem eigenen Ge- schmak zufolge gethan hat.
Es ist wahrscheinlich, daß dieses Drama das allerälteste in Griechenland gewesen ist, und es könnte wol seyn, daß die andern, nämlich die Tra- gödie und Comödie ihren Ursprung daher genom- men hatten, und daß es seinem Ursprung nach eine Herbstlustbarkeit, nach Einsammlung des Weines gewesen. Aus diesem Grunde mag es nachher als ein Anhang bey den Tranerspielen seyn beybehalten worden. Denn insgemein mußte ein Dichter, wenn er ein oder mehrere Trauerspiel aufführen ließe, auch ein satyrisches Drama dazu geben. Ausführ- [Spaltenumbruch]
Säu
lichere Nachricht von diesem Lustspiel findet man in einer eigenen Abhandlung, welche Js. Casaubon da- von geschrieben hat (+).
Die Römer hatten auch eine Art satyrischer Lust- spiele, die aber von dem Griechischen gänzlich un- terschieden waren. Die wenigen Spuhren, welche man von ihrer Beschaffenheit hat, kann man in dem angezogenen Werk des Casaubons finden. Wir be- merken nur dieses einzige, daß aus den wenigen Nachrichten der römischen Scribenten zu erhellen scheinet, daß dieses Schauspiel bey den Römern wie eine Art der Fastnachtslustbarkeit gewesen, da die spielenden Personen einander durchgezogen, ohne daß in diesem Spiel eine würkliche Fabel oder Hand- lung zum Grunde gelegt worden. Livius (Andro- nicus) post aliquot annos ab satiris ausus est primus argumento fabulam serere(*). Mit diesem kommt überein, was Val. Maximus sagt. A satiris primus omnium poeta Livius ad fabularum argumenta spe- ctantium animos transtulit.
Nachher ist aber von den Römern der Name der Satire einer Art des Gedichts gegeben worden, wo- von im vorhergehenden Artikel gehandelt worden.
Säule. (Vaukunst.)
Ohne Zweifel hat die älteste Art zu bauen den Ge- brauch der Säulen eingeführt. Allem Ansehen nach bestunden die ältesten Gebäude blos aus etlichen in die Ründe oder in ein Vierek herumgesezten Stämmen von Bäumen, über welche man ein Dach gemacht hat. Also waren die ältesten Säulen Stämme der Bäume; und von diesen haben hernach die Säulen sowol die Verjüngung, als auch die Verhältnisse der Dike zu der Höhe bekommen. Der Gemächlichkeit halber, haben die ersten, noch von keiner Kunst un- terrichteten Baumeister, eben nicht die dikesten Bäu- me zu Unterstüzung ihres Daches ausgesucht. Bäu- me von einem Fuß dik, waren ihnen mehr als hin- länglich, und das Dach über diese Stämme ist ohne Zweifel nur so hoch gewesen, als der Arm, um es zu sezen, reichen konnte; sechs bis sieben Fuß. Da- her nachgehends das älteste Verhältnis der Säulen- höhe zur Dike, wie 5 bis 6 zu 1 entstanden ist (++).
Nur
(*)L. V. c. 8.
(+)Is. Casauboni de Satyrica Graecorum poesi et Roma- norum satyra, Libri II. Paris. 1605. 8.
(*)T. Liv. L. VII. c. 2.
(++)[Spaltenumbruch] An einem sehr alten Tempel in Corinth waren die [Spaltenumbruch]
dorischen Säulen so kurz, daß sie nicht völlig vier mal höher, als dik waren. S. Les pius beaux Monumens de la Grece par Mr. le Roy. Part. H. p. 6.
[Spaltenumbruch]
Sat
wichtigere Thorheiten, Vorurtheile und unſittliche Arten zu handeln auf eine kraͤftig beſchaͤmende Weiſe vorhalten werden. An einzelen Spuhren, daß in Deutſchland Koͤpfe die der Sache gewachſen waͤren, bereits vorhanden ſind, fehlet es nicht.
Satyriſches Drama.
Dieſes war bey den Griechen eine Art des Nach- ſpiehles, das entweder zwiſchen zwey Trauerſpielen, oder nach denſelben aufgefuͤhrt worden. Der Cha- rakter deſſelben war, daß es eine bekannte Hand- lung eines Helden, zwar ernſthaft, aber mit Scherz untermiſcht, in einem aufgewekten Vortrag vorſtellte. Dieſes Drama hatte einen Chor, wie das Trauer- ſpiel, der aber allezeit aus Satyren beſtund. So wol der Jnhalt, als die Ausfuͤhrung zielte auf et- was luſtiges ab. Die Scene war allemal auf freyem Feld, oder in Waͤldern, nahe an den Hoͤlen der Satyren. Satyricæ Scenæ, (ſagt Vitruvius) ornantur arboribus, ſpeluncis, montibus, reliquis agreſtibus rebus in topiarii operis ſpeciem defor- matis(*), und ſo waren auch die Taͤnze, wie alles uͤbrige dem muthwilligen und wolluͤſtigen Charakter der Satyren angemeſſen.
Wie ausgelaſſen dieſes Schauſpiel geweſen ſey, laͤßt ſich aus dem Cyclops des Euripides, dem ein- zigen ſatyriſchen Drama, das uͤbrig geblieben iſt, abnehmen; da dieſer ſocratiſche ſonſt ſo weiſe und ſo ernſthafte Dichter ſeinen Satyren viel wolluͤſtige Reden und ſo gar Zoten in den Mund legt, wel- ches er gewiß aus Nothwendigkeit, dem Charakter dieſer Spiele gemaͤß und nicht ſeinem eigenen Ge- ſchmak zufolge gethan hat.
Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſes Drama das alleraͤlteſte in Griechenland geweſen iſt, und es koͤnnte wol ſeyn, daß die andern, naͤmlich die Tra- goͤdie und Comoͤdie ihren Urſprung daher genom- men hatten, und daß es ſeinem Urſprung nach eine Herbſtluſtbarkeit, nach Einſammlung des Weines geweſen. Aus dieſem Grunde mag es nachher als ein Anhang bey den Tranerſpielen ſeyn beybehalten worden. Denn insgemein mußte ein Dichter, wenn er ein oder mehrere Trauerſpiel auffuͤhren ließe, auch ein ſatyriſches Drama dazu geben. Ausfuͤhr- [Spaltenumbruch]
Saͤu
lichere Nachricht von dieſem Luſtſpiel findet man in einer eigenen Abhandlung, welche Jſ. Caſaubon da- von geſchrieben hat (†).
Die Roͤmer hatten auch eine Art ſatyriſcher Luſt- ſpiele, die aber von dem Griechiſchen gaͤnzlich un- terſchieden waren. Die wenigen Spuhren, welche man von ihrer Beſchaffenheit hat, kann man in dem angezogenen Werk des Caſaubons finden. Wir be- merken nur dieſes einzige, daß aus den wenigen Nachrichten der roͤmiſchen Scribenten zu erhellen ſcheinet, daß dieſes Schauſpiel bey den Roͤmern wie eine Art der Faſtnachtsluſtbarkeit geweſen, da die ſpielenden Perſonen einander durchgezogen, ohne daß in dieſem Spiel eine wuͤrkliche Fabel oder Hand- lung zum Grunde gelegt worden. Livius (Andro- nicus) poſt aliquot annos ab ſatiris auſus eſt primus argumento fabulam ſerere(*). Mit dieſem kommt uͤberein, was Val. Maximus ſagt. A ſatiris primus omnium poeta Livius ad fabularum argumenta ſpe- ctantium animos transtulit.
Nachher iſt aber von den Roͤmern der Name der Satire einer Art des Gedichts gegeben worden, wo- von im vorhergehenden Artikel gehandelt worden.
Saͤule. (Vaukunſt.)
Ohne Zweifel hat die aͤlteſte Art zu bauen den Ge- brauch der Saͤulen eingefuͤhrt. Allem Anſehen nach beſtunden die aͤlteſten Gebaͤude blos aus etlichen in die Ruͤnde oder in ein Vierek herumgeſezten Staͤmmen von Baͤumen, uͤber welche man ein Dach gemacht hat. Alſo waren die aͤlteſten Saͤulen Staͤmme der Baͤume; und von dieſen haben hernach die Saͤulen ſowol die Verjuͤngung, als auch die Verhaͤltniſſe der Dike zu der Hoͤhe bekommen. Der Gemaͤchlichkeit halber, haben die erſten, noch von keiner Kunſt un- terrichteten Baumeiſter, eben nicht die dikeſten Baͤu- me zu Unterſtuͤzung ihres Daches ausgeſucht. Baͤu- me von einem Fuß dik, waren ihnen mehr als hin- laͤnglich, und das Dach uͤber dieſe Staͤmme iſt ohne Zweifel nur ſo hoch geweſen, als der Arm, um es zu ſezen, reichen konnte; ſechs bis ſieben Fuß. Da- her nachgehends das aͤlteſte Verhaͤltnis der Saͤulen- hoͤhe zur Dike, wie 5 bis 6 zu 1 entſtanden iſt (††).
Nur
(*)L. V. c. 8.
(†)Iſ. Caſauboni de Satyrica Græcorum poeſi et Roma- norum ſatyra, Libri II. Paris. 1605. 8.
(*)T. Liv. L. VII. c. 2.
(††)[Spaltenumbruch] An einem ſehr alten Tempel in Corinth waren die [Spaltenumbruch]
doriſchen Saͤulen ſo kurz, daß ſie nicht voͤllig vier mal hoͤher, als dik waren. S. Les pius beaux Monumens de la Grèce par Mr. le Roy. Part. H. p. 6.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0430"n="1001[983]"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Sat</hi></fw><lb/>
wichtigere Thorheiten, Vorurtheile und unſittliche<lb/>
Arten zu handeln auf eine kraͤftig beſchaͤmende Weiſe<lb/>
vorhalten werden. An einzelen Spuhren, daß in<lb/>
Deutſchland Koͤpfe die der Sache gewachſen waͤren,<lb/>
bereits vorhanden ſind, fehlet es nicht.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Satyriſches Drama.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ieſes war bey den Griechen eine Art des Nach-<lb/>ſpiehles, das entweder zwiſchen zwey Trauerſpielen,<lb/>
oder nach denſelben aufgefuͤhrt worden. Der Cha-<lb/>
rakter deſſelben war, daß es eine bekannte Hand-<lb/>
lung eines Helden, zwar ernſthaft, aber mit Scherz<lb/>
untermiſcht, in einem aufgewekten Vortrag vorſtellte.<lb/>
Dieſes Drama hatte einen Chor, wie das Trauer-<lb/>ſpiel, der aber allezeit aus Satyren beſtund. So<lb/>
wol der Jnhalt, als die Ausfuͤhrung zielte auf et-<lb/>
was luſtiges ab. Die Scene war allemal auf<lb/>
freyem Feld, oder in Waͤldern, nahe an den Hoͤlen<lb/>
der Satyren. <hirendition="#aq">Satyricæ Scenæ,</hi> (ſagt Vitruvius)<lb/><hirendition="#aq">ornantur arboribus, ſpeluncis, montibus, reliquis<lb/>
agreſtibus rebus in topiarii operis ſpeciem defor-<lb/>
matis</hi><noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#aq">L. V. c.</hi> 8.</note>, und ſo waren auch die Taͤnze, wie alles<lb/>
uͤbrige dem muthwilligen und wolluͤſtigen Charakter<lb/>
der Satyren angemeſſen.</p><lb/><p>Wie ausgelaſſen dieſes Schauſpiel geweſen ſey,<lb/>
laͤßt ſich aus dem <hirendition="#fr">Cyclops</hi> des Euripides, dem ein-<lb/>
zigen ſatyriſchen Drama, das uͤbrig geblieben iſt,<lb/>
abnehmen; da dieſer ſocratiſche ſonſt ſo weiſe und<lb/>ſo ernſthafte Dichter ſeinen Satyren viel wolluͤſtige<lb/>
Reden und ſo gar Zoten in den Mund legt, wel-<lb/>
ches er gewiß aus Nothwendigkeit, dem Charakter<lb/>
dieſer Spiele gemaͤß und nicht ſeinem eigenen Ge-<lb/>ſchmak zufolge gethan hat.</p><lb/><p>Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſes Drama das<lb/>
alleraͤlteſte in Griechenland geweſen iſt, und es<lb/>
koͤnnte wol ſeyn, daß die andern, naͤmlich die Tra-<lb/>
goͤdie und Comoͤdie ihren Urſprung daher genom-<lb/>
men hatten, und daß es ſeinem Urſprung nach eine<lb/>
Herbſtluſtbarkeit, nach Einſammlung des Weines<lb/>
geweſen. Aus dieſem Grunde mag es nachher als<lb/>
ein Anhang bey den Tranerſpielen ſeyn beybehalten<lb/>
worden. Denn insgemein mußte ein Dichter, wenn<lb/>
er ein oder mehrere Trauerſpiel auffuͤhren ließe,<lb/>
auch ein ſatyriſches Drama dazu geben. Ausfuͤhr-<lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Saͤu</hi></fw><lb/>
lichere Nachricht von dieſem Luſtſpiel findet man in<lb/>
einer eigenen Abhandlung, welche <hirendition="#fr">Jſ. Caſaubon</hi> da-<lb/>
von geſchrieben hat <noteplace="foot"n="(†)"><hirendition="#aq">Iſ. Caſauboni de Satyrica Græcorum poeſi et Roma-<lb/>
norum ſatyra, Libri II. Paris.</hi> 1605. 8.</note>.</p><lb/><p>Die Roͤmer hatten auch eine Art ſatyriſcher Luſt-<lb/>ſpiele, die aber von dem Griechiſchen gaͤnzlich un-<lb/>
terſchieden waren. Die wenigen Spuhren, welche<lb/>
man von ihrer Beſchaffenheit hat, kann man in dem<lb/>
angezogenen Werk des Caſaubons finden. Wir be-<lb/>
merken nur dieſes einzige, daß aus den wenigen<lb/>
Nachrichten der roͤmiſchen Scribenten zu erhellen<lb/>ſcheinet, daß dieſes Schauſpiel bey den Roͤmern wie<lb/>
eine Art der Faſtnachtsluſtbarkeit geweſen, da die<lb/>ſpielenden Perſonen einander durchgezogen, ohne<lb/>
daß in dieſem Spiel eine wuͤrkliche Fabel oder Hand-<lb/>
lung zum Grunde gelegt worden. <hirendition="#aq">Livius (Andro-<lb/>
nicus) poſt aliquot annos ab ſatiris auſus eſt primus<lb/>
argumento fabulam ſerere</hi><noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#aq">T. Liv.<lb/>
L. VII. c.</hi> 2.</note>. Mit dieſem kommt<lb/>
uͤberein, was <hirendition="#aq">Val. Maximus</hi>ſagt. <hirendition="#aq">A ſatiris primus<lb/>
omnium poeta Livius ad fabularum argumenta ſpe-<lb/>
ctantium animos transtulit.</hi></p><lb/><p>Nachher iſt aber von den Roͤmern der Name der<lb/>
Satire einer Art des Gedichts gegeben worden, wo-<lb/>
von im vorhergehenden Artikel gehandelt worden.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Saͤule.</hi></hi><lb/>
(Vaukunſt.)</head><lb/><p><hirendition="#in">O</hi>hne Zweifel hat die aͤlteſte Art zu bauen den Ge-<lb/>
brauch der Saͤulen eingefuͤhrt. Allem Anſehen nach<lb/>
beſtunden die aͤlteſten Gebaͤude blos aus etlichen in<lb/>
die Ruͤnde oder in ein Vierek herumgeſezten Staͤmmen<lb/>
von Baͤumen, uͤber welche man ein Dach gemacht<lb/>
hat. Alſo waren die aͤlteſten Saͤulen Staͤmme der<lb/>
Baͤume; und von dieſen haben hernach die Saͤulen<lb/>ſowol die Verjuͤngung, als auch die Verhaͤltniſſe der<lb/>
Dike zu der Hoͤhe bekommen. Der Gemaͤchlichkeit<lb/>
halber, haben die erſten, noch von keiner Kunſt un-<lb/>
terrichteten Baumeiſter, eben nicht die dikeſten Baͤu-<lb/>
me zu Unterſtuͤzung ihres Daches ausgeſucht. Baͤu-<lb/>
me von einem Fuß dik, waren ihnen mehr als hin-<lb/>
laͤnglich, und das Dach uͤber dieſe Staͤmme iſt ohne<lb/>
Zweifel nur ſo hoch geweſen, als der Arm, um es<lb/>
zu ſezen, reichen konnte; ſechs bis ſieben Fuß. Da-<lb/>
her nachgehends das aͤlteſte Verhaͤltnis der Saͤulen-<lb/>
hoͤhe zur Dike, wie 5 bis 6 zu 1 entſtanden iſt <noteplace="foot"n="(††)"><cb/><lb/>
An einem ſehr alten Tempel in Corinth waren die<lb/><cb/>
doriſchen Saͤulen ſo kurz, daß ſie nicht voͤllig vier mal<lb/>
hoͤher, als dik waren. S. <hirendition="#aq">Les pius beaux Monumens de<lb/>
la Grèce par Mr. le Roy. Part. H. p.</hi> 6.</note>.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nur</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1001[983]/0430]
Sat
Saͤu
wichtigere Thorheiten, Vorurtheile und unſittliche
Arten zu handeln auf eine kraͤftig beſchaͤmende Weiſe
vorhalten werden. An einzelen Spuhren, daß in
Deutſchland Koͤpfe die der Sache gewachſen waͤren,
bereits vorhanden ſind, fehlet es nicht.
Satyriſches Drama.
Dieſes war bey den Griechen eine Art des Nach-
ſpiehles, das entweder zwiſchen zwey Trauerſpielen,
oder nach denſelben aufgefuͤhrt worden. Der Cha-
rakter deſſelben war, daß es eine bekannte Hand-
lung eines Helden, zwar ernſthaft, aber mit Scherz
untermiſcht, in einem aufgewekten Vortrag vorſtellte.
Dieſes Drama hatte einen Chor, wie das Trauer-
ſpiel, der aber allezeit aus Satyren beſtund. So
wol der Jnhalt, als die Ausfuͤhrung zielte auf et-
was luſtiges ab. Die Scene war allemal auf
freyem Feld, oder in Waͤldern, nahe an den Hoͤlen
der Satyren. Satyricæ Scenæ, (ſagt Vitruvius)
ornantur arboribus, ſpeluncis, montibus, reliquis
agreſtibus rebus in topiarii operis ſpeciem defor-
matis (*), und ſo waren auch die Taͤnze, wie alles
uͤbrige dem muthwilligen und wolluͤſtigen Charakter
der Satyren angemeſſen.
Wie ausgelaſſen dieſes Schauſpiel geweſen ſey,
laͤßt ſich aus dem Cyclops des Euripides, dem ein-
zigen ſatyriſchen Drama, das uͤbrig geblieben iſt,
abnehmen; da dieſer ſocratiſche ſonſt ſo weiſe und
ſo ernſthafte Dichter ſeinen Satyren viel wolluͤſtige
Reden und ſo gar Zoten in den Mund legt, wel-
ches er gewiß aus Nothwendigkeit, dem Charakter
dieſer Spiele gemaͤß und nicht ſeinem eigenen Ge-
ſchmak zufolge gethan hat.
Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſes Drama das
alleraͤlteſte in Griechenland geweſen iſt, und es
koͤnnte wol ſeyn, daß die andern, naͤmlich die Tra-
goͤdie und Comoͤdie ihren Urſprung daher genom-
men hatten, und daß es ſeinem Urſprung nach eine
Herbſtluſtbarkeit, nach Einſammlung des Weines
geweſen. Aus dieſem Grunde mag es nachher als
ein Anhang bey den Tranerſpielen ſeyn beybehalten
worden. Denn insgemein mußte ein Dichter, wenn
er ein oder mehrere Trauerſpiel auffuͤhren ließe,
auch ein ſatyriſches Drama dazu geben. Ausfuͤhr-
lichere Nachricht von dieſem Luſtſpiel findet man in
einer eigenen Abhandlung, welche Jſ. Caſaubon da-
von geſchrieben hat (†).
Die Roͤmer hatten auch eine Art ſatyriſcher Luſt-
ſpiele, die aber von dem Griechiſchen gaͤnzlich un-
terſchieden waren. Die wenigen Spuhren, welche
man von ihrer Beſchaffenheit hat, kann man in dem
angezogenen Werk des Caſaubons finden. Wir be-
merken nur dieſes einzige, daß aus den wenigen
Nachrichten der roͤmiſchen Scribenten zu erhellen
ſcheinet, daß dieſes Schauſpiel bey den Roͤmern wie
eine Art der Faſtnachtsluſtbarkeit geweſen, da die
ſpielenden Perſonen einander durchgezogen, ohne
daß in dieſem Spiel eine wuͤrkliche Fabel oder Hand-
lung zum Grunde gelegt worden. Livius (Andro-
nicus) poſt aliquot annos ab ſatiris auſus eſt primus
argumento fabulam ſerere (*). Mit dieſem kommt
uͤberein, was Val. Maximus ſagt. A ſatiris primus
omnium poeta Livius ad fabularum argumenta ſpe-
ctantium animos transtulit.
Nachher iſt aber von den Roͤmern der Name der
Satire einer Art des Gedichts gegeben worden, wo-
von im vorhergehenden Artikel gehandelt worden.
Saͤule.
(Vaukunſt.)
Ohne Zweifel hat die aͤlteſte Art zu bauen den Ge-
brauch der Saͤulen eingefuͤhrt. Allem Anſehen nach
beſtunden die aͤlteſten Gebaͤude blos aus etlichen in
die Ruͤnde oder in ein Vierek herumgeſezten Staͤmmen
von Baͤumen, uͤber welche man ein Dach gemacht
hat. Alſo waren die aͤlteſten Saͤulen Staͤmme der
Baͤume; und von dieſen haben hernach die Saͤulen
ſowol die Verjuͤngung, als auch die Verhaͤltniſſe der
Dike zu der Hoͤhe bekommen. Der Gemaͤchlichkeit
halber, haben die erſten, noch von keiner Kunſt un-
terrichteten Baumeiſter, eben nicht die dikeſten Baͤu-
me zu Unterſtuͤzung ihres Daches ausgeſucht. Baͤu-
me von einem Fuß dik, waren ihnen mehr als hin-
laͤnglich, und das Dach uͤber dieſe Staͤmme iſt ohne
Zweifel nur ſo hoch geweſen, als der Arm, um es
zu ſezen, reichen konnte; ſechs bis ſieben Fuß. Da-
her nachgehends das aͤlteſte Verhaͤltnis der Saͤulen-
hoͤhe zur Dike, wie 5 bis 6 zu 1 entſtanden iſt (††).
Nur
(*) L. V. c. 8.
(†) Iſ. Caſauboni de Satyrica Græcorum poeſi et Roma-
norum ſatyra, Libri II. Paris. 1605. 8.
(*) T. Liv.
L. VII. c. 2.
(††)
An einem ſehr alten Tempel in Corinth waren die
doriſchen Saͤulen ſo kurz, daß ſie nicht voͤllig vier mal
hoͤher, als dik waren. S. Les pius beaux Monumens de
la Grèce par Mr. le Roy. Part. H. p. 6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1001[983]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/430>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.