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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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troffen werden, so eingenommen worden, daß we-
nig daran fehlet, daß sie ihm nicht die erste Stelle
unter den Heldendichtern einräumen. Dieses war
in der That von Leuthen, nach deren Geschmak die
Henriade einen hohen Rang unter den Epopöen be-
hauptet, zu erwarten.

Phrygisch.
(Musik.)

Eine der Tonarten der alten griechischen Musik, der
die Alten einen heftigen, trozigen und kriegeri-
schen Charakter zuschreiben. Es läßt sich daraus
abnehmen, daß diese Tonart nicht die ist, der man
gegenwärtig den Namen der phrygischen Tonart
giebt. Diese ist nach iziger Art zu reden, unser E,
und hat so wenig von dem Charakter, den Aristoteles
der phrygischen Tonart beylegt (*), daß sie vielmehr
ins Klägliche fällt. Die alte phrygische Tonart ist,
was man izt insgemein dorisch nennt.

Das neue oder heutige Phrygische verträgt beym
Schluße die gewöhnliche harmonische Behandlung
nicht. Man kann nicht anders, als durch den ver-
minderten Dreyklang auf H nach E schließen; gerade
so, wie wenn man den Ton E als die Dominante
von A ansähe, und in H schließen wollte. Man
empfindet auch beym Schluß auf E etwas dem Ton
A ähnliches, wovon E die Dominante ist.

Piano.
(Musik.)

Wo dieses italiänische Wort, das meistens abge-
kürzt, blos durch p. angedeutet wird, in geschriebe-
nen Tonstüken vorkommt, bedeutet es, daß die
Stelle, bey der es steht schwächer oder weniger laut,
als das übrige soll vorgetragen werden. Damit
die Spiehler sehen, wie lang dieser schwächere Vor-
trag anhalten soll, wird da wo man wieder in der
gewöhnlichen Stärke fortfahren soll f, oder forte ge-
sezt. Bisweilen wird ein doppeltes p nämlich p p.
gesezt, welches andeutet, daß dieselbe Stelle höchst
sanft oder schwach soll angegeben werden.

Wie ein geschikter Redner, auch da wo er über-
haupt mit Heftigkeit spricht, bisweilen auf einzele
Stellen kommt, wo er die Stimme sehr fallen läßt,
so geschieht dieses auch in der Musik, die überhaupt
die natürlichen Wendungen der Rede nachahmet.
Wie nun in einer mit Feuer und Stärke vorgetrage-
nen Rede, eine vorkommende zärtliche Stelle durch
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Pil Pin
Herabsezung der Stimme und einen sanften zärtli-
chen Ton, ungemein gegen das andere absticht, und
desto rührender wird; so wird auch der Ausdruk ei-
nes Tonstüks durch das piano, das am rechten Orte
angebracht ist, ungemein erhoben. So findet man
in verschiedenen Graunischen Opernarien, darin
überhaupt ein heftiger Ausdruk herrscht, einzele
Stellen, wo die Stimme plözlich ihr Feuer und ihre
Stärke verläßt, und ins Sanfte fällt, und dieses
geschieht so glüklich, daß man auf das innigste da-
durch gerührt wird.

Deswegen ist das Piano am rechten Ort ange-
bracht ein fürtrefliches Mittel den Ausdruk zu erhö-
hen. Es giebt aber auch unwissende und von aller
Urtheilskraft verlassene Tonsezer, die sich einbilden,
ihren unbedeutenden Stüken dadurch aufzuhelfen,
daß sie fein oft mit Piano und Forte abwechseln.
Daher wiederholen sie dieselben kahlen melodischen
Gedanken unter beständiger Abwechslung von Piano
und Forte so ofte, daß jedem Zuhörer davor ekelt.

Pilaster.
(Baukunst.)

Vierekigte Pfeiler, die von den gemeinen Pfeilern
darin verschieden sind, daß sie, nach Beschaffenheit
der Ordnung, wozu sie gehören, dieselben Verhält-
nisse und Verziehrungen bekommen, die die Säulen
haben; nämlich dieselben Füße und Knäufe, auch
die Canelüren oder Krinnen. Nur werden sie nicht
eingezogen, oder verjüngt, wie die Säulen. Sehr
selten werden sie freystehend angetroffen; sondern
fast immer in der Mauer, aus der sie um den achten,
oder sechsten, auch wol gar um den vierten Theil
ihrer Dike heraustreten. Nach der Bauart der
Alten, der man auch noch izt folget, stehen meist
allemal wo eine Halle, oder Säulenlaube vor einer
Hauptseite angebracht ist, an der Hauptmauer des
Gebäudes Pilaster den Säulen gegen über. An
den Eken der Mauren aber müssen sie allemal stehen.

Pindar.

Ein griechischer lyrischer Dichter, den die Alten
durchgehends wegen seiner Fürtreflichkeit bewundert
haben. Plato nennet ihn bald den göttlichen, bald
den weisesten. Die Griechen sagten, Pan singe
Pindars Lieder in den Wäldern, und das Orakel
zu Delsi befahl den dortigen Einwohnern, daß sie
von den Opfergaben, die dem Apollo gebracht wur-

den,
(*) Politi-
cor. L,
VIII. c. 5.
et
7.

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Phr Pia
troffen werden, ſo eingenommen worden, daß we-
nig daran fehlet, daß ſie ihm nicht die erſte Stelle
unter den Heldendichtern einraͤumen. Dieſes war
in der That von Leuthen, nach deren Geſchmak die
Henriade einen hohen Rang unter den Epopoͤen be-
hauptet, zu erwarten.

Phrygiſch.
(Muſik.)

Eine der Tonarten der alten griechiſchen Muſik, der
die Alten einen heftigen, trozigen und kriegeri-
ſchen Charakter zuſchreiben. Es laͤßt ſich daraus
abnehmen, daß dieſe Tonart nicht die iſt, der man
gegenwaͤrtig den Namen der phrygiſchen Tonart
giebt. Dieſe iſt nach iziger Art zu reden, unſer E,
und hat ſo wenig von dem Charakter, den Ariſtoteles
der phrygiſchen Tonart beylegt (*), daß ſie vielmehr
ins Klaͤgliche faͤllt. Die alte phrygiſche Tonart iſt,
was man izt insgemein doriſch nennt.

Das neue oder heutige Phrygiſche vertraͤgt beym
Schluße die gewoͤhnliche harmoniſche Behandlung
nicht. Man kann nicht anders, als durch den ver-
minderten Dreyklang auf H nach E ſchließen; gerade
ſo, wie wenn man den Ton E als die Dominante
von A anſaͤhe, und in H ſchließen wollte. Man
empfindet auch beym Schluß auf E etwas dem Ton
A aͤhnliches, wovon E die Dominante iſt.

Piano.
(Muſik.)

Wo dieſes italiaͤniſche Wort, das meiſtens abge-
kuͤrzt, blos durch p. angedeutet wird, in geſchriebe-
nen Tonſtuͤken vorkommt, bedeutet es, daß die
Stelle, bey der es ſteht ſchwaͤcher oder weniger laut,
als das uͤbrige ſoll vorgetragen werden. Damit
die Spiehler ſehen, wie lang dieſer ſchwaͤchere Vor-
trag anhalten ſoll, wird da wo man wieder in der
gewoͤhnlichen Staͤrke fortfahren ſoll f, oder forte ge-
ſezt. Bisweilen wird ein doppeltes p naͤmlich p p.
geſezt, welches andeutet, daß dieſelbe Stelle hoͤchſt
ſanft oder ſchwach ſoll angegeben werden.

Wie ein geſchikter Redner, auch da wo er uͤber-
haupt mit Heftigkeit ſpricht, bisweilen auf einzele
Stellen kommt, wo er die Stimme ſehr fallen laͤßt,
ſo geſchieht dieſes auch in der Muſik, die uͤberhaupt
die natuͤrlichen Wendungen der Rede nachahmet.
Wie nun in einer mit Feuer und Staͤrke vorgetrage-
nen Rede, eine vorkommende zaͤrtliche Stelle durch
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Herabſezung der Stimme und einen ſanften zaͤrtli-
chen Ton, ungemein gegen das andere abſticht, und
deſto ruͤhrender wird; ſo wird auch der Ausdruk ei-
nes Tonſtuͤks durch das piano, das am rechten Orte
angebracht iſt, ungemein erhoben. So findet man
in verſchiedenen Grauniſchen Opernarien, darin
uͤberhaupt ein heftiger Ausdruk herrſcht, einzele
Stellen, wo die Stimme ploͤzlich ihr Feuer und ihre
Staͤrke verlaͤßt, und ins Sanfte faͤllt, und dieſes
geſchieht ſo gluͤklich, daß man auf das innigſte da-
durch geruͤhrt wird.

Deswegen iſt das Piano am rechten Ort ange-
bracht ein fuͤrtrefliches Mittel den Ausdruk zu erhoͤ-
hen. Es giebt aber auch unwiſſende und von aller
Urtheilskraft verlaſſene Tonſezer, die ſich einbilden,
ihren unbedeutenden Stuͤken dadurch aufzuhelfen,
daß ſie fein oft mit Piano und Forte abwechſeln.
Daher wiederholen ſie dieſelben kahlen melodiſchen
Gedanken unter beſtaͤndiger Abwechslung von Piano
und Forte ſo ofte, daß jedem Zuhoͤrer davor ekelt.

Pilaſter.
(Baukunſt.)

Vierekigte Pfeiler, die von den gemeinen Pfeilern
darin verſchieden ſind, daß ſie, nach Beſchaffenheit
der Ordnung, wozu ſie gehoͤren, dieſelben Verhaͤlt-
niſſe und Verziehrungen bekommen, die die Saͤulen
haben; naͤmlich dieſelben Fuͤße und Knaͤufe, auch
die Caneluͤren oder Krinnen. Nur werden ſie nicht
eingezogen, oder verjuͤngt, wie die Saͤulen. Sehr
ſelten werden ſie freyſtehend angetroffen; ſondern
faſt immer in der Mauer, aus der ſie um den achten,
oder ſechsten, auch wol gar um den vierten Theil
ihrer Dike heraustreten. Nach der Bauart der
Alten, der man auch noch izt folget, ſtehen meiſt
allemal wo eine Halle, oder Saͤulenlaube vor einer
Hauptſeite angebracht iſt, an der Hauptmauer des
Gebaͤudes Pilaſter den Saͤulen gegen uͤber. An
den Eken der Mauren aber muͤſſen ſie allemal ſtehen.

Pindar.

Ein griechiſcher lyriſcher Dichter, den die Alten
durchgehends wegen ſeiner Fuͤrtreflichkeit bewundert
haben. Plato nennet ihn bald den goͤttlichen, bald
den weiſeſten. Die Griechen ſagten, Pan ſinge
Pindars Lieder in den Waͤldern, und das Orakel
zu Delſi befahl den dortigen Einwohnern, daß ſie
von den Opfergaben, die dem Apollo gebracht wur-

den,
(*) Politi-
cor. L,
VIII. c. 5.
et
7.
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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 902[884]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/320>, abgerufen am 21.12.2024.