Zweites Kapitel. Anschläge der Feinde Jesu; Verrath des Judas; leztes Mahl mit den Jüngern.
§. 113. Entwicklung des Verhältnisses Jesu zu seinen Feinden.
Als die Feinde Jesu erscheinen in den drei ersten Evan- gelien am häufigsten die Pharisaioi kai grammateis 1), wel- che in ihm den verderblichsten Feind ihres Satzungswe- sens erkannten, und neben diesen beiden die arkhiereis und presbuteroi, welche als Häupter des äusseren Tempelcul- tus und der auf diesen gegründeten Hierarchie mit demje- nigen, der bei jeder Gelegenheit auf den inneren Gottes- dienst des Gemüths als die Hauptsache hinwies, sich nicht befreunden konnten. Sonst treten wohl auch die Saddou- kaioi unter den Gegnern Jesu auf (Matth. 16, 1. 22, 23 ff. parall. vgl. Matth. 16, 6 ff. parall.), deren Materialismus Manches an seinen Ansichten zuwider sein musste, und die Herodische Partei (Marc. 3, 6. Matth. 22, 16. parall.), welche, wie dem Täufer, so auch seinem Nachfolger ab- hold war. Das vierte Evangelium, obwohl es einigemale die arkhiereis und Pharisaioi nennt, bezeichnet die Feinde Jesu doch am häufigsten durch den allgemeinen Ausdruck: oi Ioudaioi, was vom späteren, christlichen Standpunkt aus gesprochen ist.
Übereinstimmend berichten sämmtliche vier Evangeli- sten, dass die bestimmteren Anschläge der pharisäisch-hier-
1) s. Winer's bibl. Realwörterb. d. A. A.
Dritter Abschnitt.
Zweites Kapitel. Anschläge der Feinde Jesu; Verrath des Judas; leztes Mahl mit den Jüngern.
§. 113. Entwicklung des Verhältnisses Jesu zu seinen Feinden.
Als die Feinde Jesu erscheinen in den drei ersten Evan- gelien am häufigsten die Φαρισαῖοι καὶ γραμματεῖς 1), wel- che in ihm den verderblichsten Feind ihres Satzungswe- sens erkannten, und neben diesen beiden die ἀρχιερεῖς und πρεσβύτεροι, welche als Häupter des äusseren Tempelcul- tus und der auf diesen gegründeten Hierarchie mit demje- nigen, der bei jeder Gelegenheit auf den inneren Gottes- dienst des Gemüths als die Hauptsache hinwies, sich nicht befreunden konnten. Sonst treten wohl auch die Σαδδου- καῖοι unter den Gegnern Jesu auf (Matth. 16, 1. 22, 23 ff. parall. vgl. Matth. 16, 6 ff. parall.), deren Materialismus Manches an seinen Ansichten zuwider sein muſste, und die Herodische Partei (Marc. 3, 6. Matth. 22, 16. parall.), welche, wie dem Täufer, so auch seinem Nachfolger ab- hold war. Das vierte Evangelium, obwohl es einigemale die ἀρχιερεῖς und Φαρισαῖοι nennt, bezeichnet die Feinde Jesu doch am häufigsten durch den allgemeinen Ausdruck: οἱ Ἰουδαῖοι, was vom späteren, christlichen Standpunkt aus gesprochen ist.
Übereinstimmend berichten sämmtliche vier Evangeli- sten, daſs die bestimmteren Anschläge der pharisäisch-hier-
1) s. Winer's bibl. Realwörterb. d. A. A.
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Dritter Abschnitt.
Zweites Kapitel.
Anschläge der Feinde Jesu; Verrath des
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Entwicklung des Verhältnisses Jesu zu seinen Feinden.
Als die Feinde Jesu erscheinen in den drei ersten Evan-
gelien am häufigsten die Φαρισαῖοι καὶ γραμματεῖς 1), wel-
che in ihm den verderblichsten Feind ihres Satzungswe-
sens erkannten, und neben diesen beiden die ἀρχιερεῖς und
πρεσβύτεροι, welche als Häupter des äusseren Tempelcul-
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befreunden konnten. Sonst treten wohl auch die Σαδδου-
καῖοι unter den Gegnern Jesu auf (Matth. 16, 1. 22, 23 ff.
parall. vgl. Matth. 16, 6 ff. parall.), deren Materialismus
Manches an seinen Ansichten zuwider sein muſste, und die
Herodische Partei (Marc. 3, 6. Matth. 22, 16. parall.),
welche, wie dem Täufer, so auch seinem Nachfolger ab-
hold war. Das vierte Evangelium, obwohl es einigemale
die ἀρχιερεῖς und Φαρισαῖοι nennt, bezeichnet die Feinde
Jesu doch am häufigsten durch den allgemeinen Ausdruck:
οἱ Ἰουδαῖοι, was vom späteren, christlichen Standpunkt aus
gesprochen ist.
Übereinstimmend berichten sämmtliche vier Evangeli-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/393>, abgerufen am 19.11.2024.
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