Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen. Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder- herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt, und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten auch dieser besonders schwierige Wunderakt.
§. 95. Sabbatheilungen.
Grossen Anstoss erregte den evangelischen Nachrichten zufolge Jesus dadurch, dass er nicht selten seine Heilungs- wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen- thümlich, und zwei dem Johannes.
In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli- chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei- ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth. 12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.). Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts sich verfügt, und hier aus Anlass der Heilung des Men- schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn- lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, wesswegen hier Lukas zu loben ist, dass er durch die Worte: en ete- ro sabbato den chronologischen Zusammenhang zwischen
Zweiter Abschnitt.
Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen. Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder- herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt, und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten auch dieser besonders schwierige Wunderakt.
§. 95. Sabbatheilungen.
Groſsen Anstoſs erregte den evangelischen Nachrichten zufolge Jesus dadurch, daſs er nicht selten seine Heilungs- wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen- thümlich, und zwei dem Johannes.
In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli- chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei- ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth. 12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.). Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts sich verfügt, und hier aus Anlaſs der Heilung des Men- schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn- lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, weſswegen hier Lukas zu loben ist, daſs er durch die Worte: ἐν ἑτέ- ρῳ σαββάτῳ den chronologischen Zusammenhang zwischen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0141"n="122"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen.<lb/>
Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder-<lb/>
herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus<lb/>
seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach<lb/>
der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso<lb/>
an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein<lb/>
Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der<lb/>
Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt,<lb/>
und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten<lb/>
auch dieser besonders schwierige Wunderakt.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 95.<lb/>
Sabbatheilungen.</head><lb/><p>Groſsen Anstoſs erregte den evangelischen Nachrichten<lb/>
zufolge Jesus dadurch, daſs er nicht selten seine Heilungs-<lb/>
wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei<lb/>
Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen-<lb/>
thümlich, und zwei dem Johannes.</p><lb/><p>In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli-<lb/>
chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei-<lb/>
ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth.<lb/>
12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung<lb/>
des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.).<lb/>
Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über<lb/>
das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so<lb/>
fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg<lb/>
in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts<lb/>
sich verfügt, und hier aus Anlaſs der Heilung des Men-<lb/>
schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über<lb/>
die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber<lb/>
waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn-<lb/>
lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, weſswegen<lb/>
hier Lukas zu loben ist, daſs er durch die Worte: ἐνἑτέ-<lb/>ρῳσαββάτῳ den chronologischen Zusammenhang zwischen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0141]
Zweiter Abschnitt.
Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen.
Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder-
herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus
seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach
der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso
an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein
Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der
Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt,
und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten
auch dieser besonders schwierige Wunderakt.
§. 95.
Sabbatheilungen.
Groſsen Anstoſs erregte den evangelischen Nachrichten
zufolge Jesus dadurch, daſs er nicht selten seine Heilungs-
wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei
Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen-
thümlich, und zwei dem Johannes.
In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli-
chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei-
ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth.
12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung
des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.).
Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über
das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so
fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg
in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts
sich verfügt, und hier aus Anlaſs der Heilung des Men-
schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über
die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber
waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn-
lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, weſswegen
hier Lukas zu loben ist, daſs er durch die Worte: ἐν ἑτέ-
ρῳ σαββάτῳ den chronologischen Zusammenhang zwischen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/141>, abgerufen am 19.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.