die Billigung, die er ausspricht, als das Volk ihn mit kö- niglichem Gruss empfängt; das gewaltsame Verfahren, welches er sich sofort im Tempel erlaubt; die scharfe Rede endlich gegen den hohen Rath (Matth. 23.), an deren Schluss er sich die Anerkennung als messianischer König durch die Drohung, sich dem Volk sonst gar nicht mehr zu zeigen, erzwingen will.
§. 62. Data für einen rein geistigen Messiasplan Jesu. Ausgleichung.
Nirgends findet sich jedoch in unsern evangelischen Darstellungen eine Spur, dass Jesus politisch Partei zu machen gesucht hätte. Vielmehr hat er sich der Aufre- gung des Volks, das ihn zum König machen wollte, entzo- gen (Joh. 6, 15.), hat erklärt, dass das Messiasreich nicht meta paratereseos komme, sondern im Innern der Men- schen zu suchen sei (Luc. 17, 20 f.); Vereinigung des Ge- horsams gegen Gott und gegen die, wenn auch heidnische, Obrigkeit ist sein Grundsatz (Matth. 22, 21.), und was er vor seinem Richter behauptet, dass sein Reich ouk enteuthen, ouk ek tou kosmou toutou sei (Joh. 18, 36.), darüber haben wir nicht Ursache, weder ihn noch den Evangelisten Lügen zu strafen.
Wie nun unter diesen sich entgegenstehenden Indicien die Gegner des kirchlichen Christenthums ausschliesslich die ersteren festhielten, welche für einen politischen und näher revolutionären Plan Jesu zu sprechen scheinen: so die orthodoxen Theologen nur die lezteren, welche für sich auf einen rein geistigen Plan Jesu führen würden 1), und jede Partei hat sich bemüht, die ihr entgegenstehenden
1) So Reinhard, über den Plan, welchen der Stifter der christ- lichen Religion zum Besten der Menschheit entwarf. S. 57 ff. (4te Aufl.)
Viertes Kapitel. §. 62.
die Billigung, die er ausspricht, als das Volk ihn mit kö- niglichem Gruſs empfängt; das gewaltsame Verfahren, welches er sich sofort im Tempel erlaubt; die scharfe Rede endlich gegen den hohen Rath (Matth. 23.), an deren Schluſs er sich die Anerkennung als messianischer König durch die Drohung, sich dem Volk sonst gar nicht mehr zu zeigen, erzwingen will.
§. 62. Data für einen rein geistigen Messiasplan Jesu. Ausgleichung.
Nirgends findet sich jedoch in unsern evangelischen Darstellungen eine Spur, daſs Jesus politisch Partei zu machen gesucht hätte. Vielmehr hat er sich der Aufre- gung des Volks, das ihn zum König machen wollte, entzo- gen (Joh. 6, 15.), hat erklärt, daſs das Messiasreich nicht μετὰ παρατηρήσεως komme, sondern im Innern der Men- schen zu suchen sei (Luc. 17, 20 f.); Vereinigung des Ge- horsams gegen Gott und gegen die, wenn auch heidnische, Obrigkeit ist sein Grundsatz (Matth. 22, 21.), und was er vor seinem Richter behauptet, daſs sein Reich οὐκ ἐντεῦϑεν, οὐκ ἐκ τοῦ κόσμου τούτου sei (Joh. 18, 36.), darüber haben wir nicht Ursache, weder ihn noch den Evangelisten Lügen zu strafen.
Wie nun unter diesen sich entgegenstehenden Indicien die Gegner des kirchlichen Christenthums ausschlieſslich die ersteren festhielten, welche für einen politischen und näher revolutionären Plan Jesu zu sprechen scheinen: so die orthodoxen Theologen nur die lezteren, welche für sich auf einen rein geistigen Plan Jesu führen würden 1), und jede Partei hat sich bemüht, die ihr entgegenstehenden
1) So Reinhard, über den Plan, welchen der Stifter der christ- lichen Religion zum Besten der Menschheit entwarf. S. 57 ff. (4te Aufl.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0515"n="491"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Viertes Kapitel</hi>. §. 62.</fw><lb/>
die Billigung, die er ausspricht, als das Volk ihn mit kö-<lb/>
niglichem Gruſs empfängt; das gewaltsame Verfahren,<lb/>
welches er sich sofort im Tempel erlaubt; die scharfe Rede<lb/>
endlich gegen den hohen Rath (Matth. 23.), an deren<lb/>
Schluſs er sich die Anerkennung als messianischer König<lb/>
durch die Drohung, sich dem Volk sonst gar nicht mehr<lb/>
zu zeigen, erzwingen will.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 62.<lb/>
Data für einen rein geistigen Messiasplan Jesu.<lb/>
Ausgleichung.</head><lb/><p>Nirgends findet sich jedoch in unsern evangelischen<lb/>
Darstellungen eine Spur, daſs Jesus politisch Partei zu<lb/>
machen gesucht hätte. Vielmehr hat er sich der Aufre-<lb/>
gung des Volks, das ihn zum König machen wollte, entzo-<lb/>
gen (Joh. 6, 15.), hat erklärt, daſs das Messiasreich nicht<lb/><foreignxml:lang="ell">μετὰπαρατηρήσεως</foreign> komme, sondern im Innern der Men-<lb/>
schen zu suchen sei (Luc. 17, 20 f.); Vereinigung des Ge-<lb/>
horsams gegen Gott und gegen die, wenn auch heidnische,<lb/>
Obrigkeit ist sein Grundsatz (Matth. 22, 21.), und was er<lb/>
vor seinem Richter behauptet, daſs sein Reich <foreignxml:lang="ell">οὐκἐντεῦϑεν,<lb/>οὐκἐκτοῦκόσμουτούτου</foreign> sei (Joh. 18, 36.), darüber haben wir<lb/>
nicht Ursache, weder ihn noch den Evangelisten Lügen zu<lb/>
strafen.</p><lb/><p>Wie nun unter diesen sich entgegenstehenden Indicien<lb/>
die Gegner des kirchlichen Christenthums ausschlieſslich<lb/>
die ersteren festhielten, welche für einen politischen und<lb/>
näher revolutionären Plan Jesu zu sprechen scheinen: so<lb/>
die orthodoxen Theologen nur die lezteren, welche für sich<lb/>
auf einen rein geistigen Plan Jesu führen würden <noteplace="foot"n="1)">So <hirendition="#k">Reinhard</hi>, über den Plan, welchen der Stifter der christ-<lb/>
lichen Religion zum Besten der Menschheit entwarf. S. 57 ff.<lb/>
(4te Aufl.)</note>, und<lb/>
jede Partei hat sich bemüht, die ihr entgegenstehenden<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[491/0515]
Viertes Kapitel. §. 62.
die Billigung, die er ausspricht, als das Volk ihn mit kö-
niglichem Gruſs empfängt; das gewaltsame Verfahren,
welches er sich sofort im Tempel erlaubt; die scharfe Rede
endlich gegen den hohen Rath (Matth. 23.), an deren
Schluſs er sich die Anerkennung als messianischer König
durch die Drohung, sich dem Volk sonst gar nicht mehr
zu zeigen, erzwingen will.
§. 62.
Data für einen rein geistigen Messiasplan Jesu.
Ausgleichung.
Nirgends findet sich jedoch in unsern evangelischen
Darstellungen eine Spur, daſs Jesus politisch Partei zu
machen gesucht hätte. Vielmehr hat er sich der Aufre-
gung des Volks, das ihn zum König machen wollte, entzo-
gen (Joh. 6, 15.), hat erklärt, daſs das Messiasreich nicht
μετὰ παρατηρήσεως komme, sondern im Innern der Men-
schen zu suchen sei (Luc. 17, 20 f.); Vereinigung des Ge-
horsams gegen Gott und gegen die, wenn auch heidnische,
Obrigkeit ist sein Grundsatz (Matth. 22, 21.), und was er
vor seinem Richter behauptet, daſs sein Reich οὐκ ἐντεῦϑεν,
οὐκ ἐκ τοῦ κόσμου τούτου sei (Joh. 18, 36.), darüber haben wir
nicht Ursache, weder ihn noch den Evangelisten Lügen zu
strafen.
Wie nun unter diesen sich entgegenstehenden Indicien
die Gegner des kirchlichen Christenthums ausschlieſslich
die ersteren festhielten, welche für einen politischen und
näher revolutionären Plan Jesu zu sprechen scheinen: so
die orthodoxen Theologen nur die lezteren, welche für sich
auf einen rein geistigen Plan Jesu führen würden 1), und
jede Partei hat sich bemüht, die ihr entgegenstehenden
1) So Reinhard, über den Plan, welchen der Stifter der christ-
lichen Religion zum Besten der Menschheit entwarf. S. 57 ff.
(4te Aufl.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/515>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.