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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweites Kapitel. §. 17.
denn Willkühr bleibt Willkühr, ob sie Einem für sich al-
lein eigen ist, oder mit einer ganzen Klasse gemein.

Der Genealogie bei Lukas für sich genommen sieht
man nicht so viele Fehler, wie der des Matthäus an. Denn
einmal ihre Vergleichung mit sich selbst liefert gar kein
Resultat, da sie nicht wie jene durch Ziehung einer Sum-
me sich selbst controlirt; dann aber auch von Seiten des
A. T. fehlt ihr die Controle grossentheils, weil sie von
David und Nathan an fast durch lauter unbekannte Ge-
schlechter herabläuft, von welchen sich im A. T. kein
Stammbaum findet. Nur in 2 Gliedern berührt sie von da
an eine im A. T. erwähnte Linie, in Sealthiel und Seru-
babel, kommt aber eben hiedurch in Widerspruch mit
1. Chron. 3, 17. 19. f., indem sie den Sealthiel einen Sohn
von Neri nennt, da doch nach der angeführten Stelle Je-
chonia sein Vater war; als Sohn Serubabels aber einen
Resa namhaft macht, welcher in der Chronik unter Seru-
babels Kindern fehlt. Auch in der vorabrahamischen Ge-
schlechterreihe findet sich die Differenz, dass zwischen
Arphachsad und Sela Lukas einen Kainan einschiebt, wel-
cher im hebräischen Texte 1. Mos. 10, 24. sich nicht findet,
übrigens schon von den LXX als Kainam eingeschaltet war.

§. 17.
Vergleichung beider Genealogieen. Versuche, ihren Widerstreit
zu lösen.

Noch weit auffallendere Resultate ergeben sich aber,
wenn man die beiden Genealogieen bei Matthäus und Lu-
kas mit einander vergleicht, und ihrer Abweichung von
einander sich bewusst wird. Einige der stattfindenden Dif-
ferenzen zwar sind unverfänglich und selbst unbedeutend,
wie die Verschiedenheit der Richtung, dass die Geschlechts-
tafel bei Matthäus abwärts geht von Abraham auf Jesus,
die bei Lukas aber aufwärts, von Jesus auf seine Vorfah-
ren zurück; ebenso die Verschiedenheit des Umfangs, wel-

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Zweites Kapitel. §. 17.
denn Willkühr bleibt Willkühr, ob sie Einem für sich al-
lein eigen ist, oder mit einer ganzen Klasse gemein.

Der Genealogie bei Lukas für sich genommen sieht
man nicht so viele Fehler, wie der des Matthäus an. Denn
einmal ihre Vergleichung mit sich selbst liefert gar kein
Resultat, da sie nicht wie jene durch Ziehung einer Sum-
me sich selbst controlirt; dann aber auch von Seiten des
A. T. fehlt ihr die Controle groſsentheils, weil sie von
David und Nathan an fast durch lauter unbekannte Ge-
schlechter herabläuft, von welchen sich im A. T. kein
Stammbaum findet. Nur in 2 Gliedern berührt sie von da
an eine im A. T. erwähnte Linie, in Sealthiel und Seru-
babel, kommt aber eben hiedurch in Widerspruch mit
1. Chron. 3, 17. 19. f., indem sie den Sealthiel einen Sohn
von Neri nennt, da doch nach der angeführten Stelle Je-
chonia sein Vater war; als Sohn Serubabels aber einen
Resa namhaft macht, welcher in der Chronik unter Seru-
babels Kindern fehlt. Auch in der vorabrahamischen Ge-
schlechterreihe findet sich die Differenz, daſs zwischen
Arphachsad und Sela Lukas einen Καϊνὰν einschiebt, wel-
cher im hebräischen Texte 1. Mos. 10, 24. sich nicht findet,
übrigens schon von den LXX als Καϊνᾶμ eingeschaltet war.

§. 17.
Vergleichung beider Genealogieen. Versuche, ihren Widerstreit
zu lösen.

Noch weit auffallendere Resultate ergeben sich aber,
wenn man die beiden Genealogieen bei Matthäus und Lu-
kas mit einander vergleicht, und ihrer Abweichung von
einander sich bewuſst wird. Einige der stattfindenden Dif-
ferenzen zwar sind unverfänglich und selbst unbedeutend,
wie die Verschiedenheit der Richtung, daſs die Geschlechts-
tafel bei Matthäus abwärts geht von Abraham auf Jesus,
die bei Lukas aber aufwärts, von Jesus auf seine Vorfah-
ren zurück; ebenso die Verschiedenheit des Umfangs, wel-

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[115/0139] Zweites Kapitel. §. 17. denn Willkühr bleibt Willkühr, ob sie Einem für sich al- lein eigen ist, oder mit einer ganzen Klasse gemein. Der Genealogie bei Lukas für sich genommen sieht man nicht so viele Fehler, wie der des Matthäus an. Denn einmal ihre Vergleichung mit sich selbst liefert gar kein Resultat, da sie nicht wie jene durch Ziehung einer Sum- me sich selbst controlirt; dann aber auch von Seiten des A. T. fehlt ihr die Controle groſsentheils, weil sie von David und Nathan an fast durch lauter unbekannte Ge- schlechter herabläuft, von welchen sich im A. T. kein Stammbaum findet. Nur in 2 Gliedern berührt sie von da an eine im A. T. erwähnte Linie, in Sealthiel und Seru- babel, kommt aber eben hiedurch in Widerspruch mit 1. Chron. 3, 17. 19. f., indem sie den Sealthiel einen Sohn von Neri nennt, da doch nach der angeführten Stelle Je- chonia sein Vater war; als Sohn Serubabels aber einen Resa namhaft macht, welcher in der Chronik unter Seru- babels Kindern fehlt. Auch in der vorabrahamischen Ge- schlechterreihe findet sich die Differenz, daſs zwischen Arphachsad und Sela Lukas einen Καϊνὰν einschiebt, wel- cher im hebräischen Texte 1. Mos. 10, 24. sich nicht findet, übrigens schon von den LXX als Καϊνᾶμ eingeschaltet war. §. 17. Vergleichung beider Genealogieen. Versuche, ihren Widerstreit zu lösen. Noch weit auffallendere Resultate ergeben sich aber, wenn man die beiden Genealogieen bei Matthäus und Lu- kas mit einander vergleicht, und ihrer Abweichung von einander sich bewuſst wird. Einige der stattfindenden Dif- ferenzen zwar sind unverfänglich und selbst unbedeutend, wie die Verschiedenheit der Richtung, daſs die Geschlechts- tafel bei Matthäus abwärts geht von Abraham auf Jesus, die bei Lukas aber aufwärts, von Jesus auf seine Vorfah- ren zurück; ebenso die Verschiedenheit des Umfangs, wel- 8*

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/139>, abgerufen am 19.11.2024.