Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Ostern. Es war daheim auf unsrem Meeresdeich; Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten, Zu mir herüber scholl verheißungsreich Mit vollem Klang das Osterglockenläuten. Wie brennend Silber funkelte das Meer, Die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel, Die Möven schossen blendend hin und her, Eintauchend in die Fluth die weißen Flügel. Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand War sammetgrün die Wiese aufgegangen; Der Frühling zog prophetisch über Land, Die Lerchen jauchzten und die Knospen sprangen. -- Entfesselt ist die urgewaltge Kraft,
Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen, Und Alles treibt, und Alles webt und schafft, Des Lebens vollste Pulse hör' ich klopfen. Oſtern. Es war daheim auf unſrem Meeresdeich; Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten, Zu mir herüber ſcholl verheißungsreich Mit vollem Klang das Oſterglockenläuten. Wie brennend Silber funkelte das Meer, Die Inſeln ſchwammen auf dem hohen Spiegel, Die Möven ſchoſſen blendend hin und her, Eintauchend in die Fluth die weißen Flügel. Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand War ſammetgrün die Wieſe aufgegangen; Der Frühling zog prophetiſch über Land, Die Lerchen jauchzten und die Knoſpen ſprangen. — Entfeſſelt iſt die urgewaltge Kraft,
Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen, Und Alles treibt, und Alles webt und ſchafft, Des Lebens vollſte Pulſe hör' ich klopfen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0092" n="82"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oſtern.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>s war daheim auf unſrem Meeresdeich;</l><lb/> <l>Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,</l><lb/> <l>Zu mir herüber ſcholl verheißungsreich</l><lb/> <l>Mit vollem Klang das Oſterglockenläuten.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wie brennend Silber funkelte das Meer,</l><lb/> <l>Die Inſeln ſchwammen auf dem hohen Spiegel,</l><lb/> <l>Die Möven ſchoſſen blendend hin und her,</l><lb/> <l>Eintauchend in die Fluth die weißen Flügel.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand</l><lb/> <l>War ſammetgrün die Wieſe aufgegangen;</l><lb/> <l>Der Frühling zog prophetiſch über Land,</l><lb/> <l>Die Lerchen jauchzten und die Knoſpen ſprangen. —</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Entfeſſelt iſt die urgewaltge Kraft,</l><lb/> <l>Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,</l><lb/> <l>Und Alles treibt, und Alles webt und ſchafft,</l><lb/> <l>Des Lebens vollſte Pulſe hör' ich klopfen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
Oſtern.
Es war daheim auf unſrem Meeresdeich;
Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,
Zu mir herüber ſcholl verheißungsreich
Mit vollem Klang das Oſterglockenläuten.
Wie brennend Silber funkelte das Meer,
Die Inſeln ſchwammen auf dem hohen Spiegel,
Die Möven ſchoſſen blendend hin und her,
Eintauchend in die Fluth die weißen Flügel.
Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand
War ſammetgrün die Wieſe aufgegangen;
Der Frühling zog prophetiſch über Land,
Die Lerchen jauchzten und die Knoſpen ſprangen. —
Entfeſſelt iſt die urgewaltge Kraft,
Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,
Und Alles treibt, und Alles webt und ſchafft,
Des Lebens vollſte Pulſe hör' ich klopfen.
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/92>, abgerufen am 08.07.2024. |