Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

sprach ich: "Wol kam ich in der Hoffnung, an
seinem lebenden Bilde ihm mit meiner Kunst zu
danken, ihm manche Stunde genüber zu sitzen
und sein mild und lehrreich Wort zu hören.
Laßt mich denn nun die bald vergehenden Züge
festzuhalten suchen."

Und als sie unter Thränen, die über ihre
Wangen strömten, stumm zu mir hinüber nickte,
setzte ich mich in ein Gestühlte und begann auf
einem von den Blättchen, die ich bei mir führte,
des Todten Antlitz nachzubilden. Aber meine
Hand zitterte; ich weiß nicht, ob alleine vor der
Majestät des Todes.

Während dem vernahm ich draußen vom
Hofe her eine Stimme, die ich für die des Junker
Wulf erkannte; gleich danach schrie ein Hund
wie nach einem Fußtritt oder Peitschenhiebe;
und dann ein Lachen und einen Fluch von einer
andern Stimme, die mir gleicherweise bekannt
deuchte.

Als ich auf Katharinen blickte, sah ich sie
mit schier entsetzten Augen nach dem Fenster

ſprach ich: „Wol kam ich in der Hoffnung, an
ſeinem lebenden Bilde ihm mit meiner Kunſt zu
danken, ihm manche Stunde genüber zu ſitzen
und ſein mild und lehrreich Wort zu hören.
Laßt mich denn nun die bald vergehenden Züge
feſtzuhalten ſuchen.“

Und als ſie unter Thränen, die über ihre
Wangen ſtrömten, ſtumm zu mir hinüber nickte,
ſetzte ich mich in ein Geſtühlte und begann auf
einem von den Blättchen, die ich bei mir führte,
des Todten Antlitz nachzubilden. Aber meine
Hand zitterte; ich weiß nicht, ob alleine vor der
Majeſtät des Todes.

Während dem vernahm ich draußen vom
Hofe her eine Stimme, die ich für die des Junker
Wulf erkannte; gleich danach ſchrie ein Hund
wie nach einem Fußtritt oder Peitſchenhiebe;
und dann ein Lachen und einen Fluch von einer
andern Stimme, die mir gleicherweiſe bekannt
deuchte.

Als ich auf Katharinen blickte, ſah ich ſie
mit ſchier entſetzten Augen nach dem Fenſter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0050" n="36"/>
&#x017F;prach ich: &#x201E;Wol kam ich in der Hoffnung, an<lb/>
&#x017F;einem lebenden Bilde ihm mit meiner Kun&#x017F;t zu<lb/>
danken, ihm manche Stunde genüber zu &#x017F;itzen<lb/>
und &#x017F;ein mild und lehrreich Wort zu hören.<lb/>
Laßt mich denn nun die bald vergehenden Züge<lb/>
fe&#x017F;tzuhalten &#x017F;uchen.&#x201C;</p><lb/>
      <p>Und als &#x017F;ie unter Thränen, die über ihre<lb/>
Wangen &#x017F;trömten, &#x017F;tumm zu mir hinüber nickte,<lb/>
&#x017F;etzte ich mich in ein Ge&#x017F;tühlte und begann auf<lb/>
einem von den Blättchen, die ich bei mir führte,<lb/>
des Todten Antlitz nachzubilden. Aber meine<lb/>
Hand zitterte; ich weiß nicht, ob alleine vor der<lb/>
Maje&#x017F;tät des Todes.</p><lb/>
      <p>Während dem vernahm ich draußen vom<lb/>
Hofe her eine Stimme, die ich für die des Junker<lb/>
Wulf erkannte; gleich danach &#x017F;chrie ein Hund<lb/>
wie nach einem Fußtritt oder Peit&#x017F;chenhiebe;<lb/>
und dann ein Lachen und einen Fluch von einer<lb/>
andern Stimme, die mir gleicherwei&#x017F;e bekannt<lb/>
deuchte.</p><lb/>
      <p>Als ich auf Katharinen blickte, &#x017F;ah ich &#x017F;ie<lb/>
mit &#x017F;chier ent&#x017F;etzten Augen nach dem Fen&#x017F;ter<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0050] ſprach ich: „Wol kam ich in der Hoffnung, an ſeinem lebenden Bilde ihm mit meiner Kunſt zu danken, ihm manche Stunde genüber zu ſitzen und ſein mild und lehrreich Wort zu hören. Laßt mich denn nun die bald vergehenden Züge feſtzuhalten ſuchen.“ Und als ſie unter Thränen, die über ihre Wangen ſtrömten, ſtumm zu mir hinüber nickte, ſetzte ich mich in ein Geſtühlte und begann auf einem von den Blättchen, die ich bei mir führte, des Todten Antlitz nachzubilden. Aber meine Hand zitterte; ich weiß nicht, ob alleine vor der Majeſtät des Todes. Während dem vernahm ich draußen vom Hofe her eine Stimme, die ich für die des Junker Wulf erkannte; gleich danach ſchrie ein Hund wie nach einem Fußtritt oder Peitſchenhiebe; und dann ein Lachen und einen Fluch von einer andern Stimme, die mir gleicherweiſe bekannt deuchte. Als ich auf Katharinen blickte, ſah ich ſie mit ſchier entſetzten Augen nach dem Fenſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/50
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/50>, abgerufen am 26.04.2024.