Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Augenblick sehen wir noch öffentliche Schilder an den Häusern,
wo sie ihre Herbergen haben, selbst da, wo ihre Verbrüderung
nicht mehr geduldet wird; sie unterstützten ihre kranken und rei-
senden Genossen und sorgten für ehrliche Bestattung der verstor-
benen Mitglieder.


II.
Beamtete.

Sie kommen unter mancherlei Namen vor, Schaffer, La-
dengesell, Ordengesell, Ordenjünger, Altführer, Jüngstführer,
Schaugesell, Knappmeister, Altgesell, Junggesell. Ihre Zahl
richtete sich nach der Stärke der Gesellschaft. Jedenfalls findet
man auch bei der kleinsten Brüderschaft zwei Beamtete, nehm-
lich einen Alt- und Junggesellen; zahlreiche Gesellschaften, z. B.
Schuhmacher und Schneider, hielten noch besondere Boten.
Wo zwei oder mehrere Altgesellen im Amt standen, hieß der
ältere Worthalter, der zweite Ladengesell auch Schaffer oder
Rechnungsführer. Die Altgesellen waren zwar nicht eigentlich
Vorgesetzte der Brüderschaft, die Mitglieder waren ihnen aber
überall Achtung und bei den Zusammenkünften Gehorsam schul-
dig. Ihre Wahl wurde durch Stimmensammlung bewirkt, sie
fiel gewöhnlich auf gewanderte Gesellen, besonders solche, die
eine längere Zeit in der Stadt arbeiteten und in moralischer
Hinsicht guten Ruf hatten. Das Amt des Junggesellen ruhete
wie bei den Meistern das Jungmeisteramt, auf den jüngsten Ge-
nossen, also in der Regel auf den Ausgelernten; waren dergleichen
nicht vorhanden, so traf es den zuletzt eingewanderten fremden
Gesellen, jedoch mußte er erst wirkliches Mitglied der Brüder-
schaft geworden seyn. Die Altgesellen und Rechnungsführer
hatten zunächst für die Erhaltung des Verbandes zu sorgen, zu
dem Ende die Geldbeiträge (Auflagegelder) bei den Zusammen-
künften einzufordern und in das Rechnungsbuch einzutragen, die
Gelder statutenmäßig oder nach gemeinsamem Beschluß der Brü-
derschaft zu verwenden und darüber Rechnung zu führen, die

Augenblick ſehen wir noch öffentliche Schilder an den Häuſern,
wo ſie ihre Herbergen haben, ſelbſt da, wo ihre Verbrüderung
nicht mehr geduldet wird; ſie unterſtützten ihre kranken und rei-
ſenden Genoſſen und ſorgten für ehrliche Beſtattung der verſtor-
benen Mitglieder.


II.
Beamtete.

Sie kommen unter mancherlei Namen vor, Schaffer, La-
dengeſell, Ordengeſell, Ordenjünger, Altführer, Jüngſtführer,
Schaugeſell, Knappmeiſter, Altgeſell, Junggeſell. Ihre Zahl
richtete ſich nach der Stärke der Geſellſchaft. Jedenfalls findet
man auch bei der kleinſten Brüderſchaft zwei Beamtete, nehm-
lich einen Alt- und Junggeſellen; zahlreiche Geſellſchaften, z. B.
Schuhmacher und Schneider, hielten noch beſondere Boten.
Wo zwei oder mehrere Altgeſellen im Amt ſtanden, hieß der
ältere Worthalter, der zweite Ladengeſell auch Schaffer oder
Rechnungsführer. Die Altgeſellen waren zwar nicht eigentlich
Vorgeſetzte der Brüderſchaft, die Mitglieder waren ihnen aber
überall Achtung und bei den Zuſammenkünften Gehorſam ſchul-
dig. Ihre Wahl wurde durch Stimmenſammlung bewirkt, ſie
fiel gewöhnlich auf gewanderte Geſellen, beſonders ſolche, die
eine längere Zeit in der Stadt arbeiteten und in moraliſcher
Hinſicht guten Ruf hatten. Das Amt des Junggeſellen ruhete
wie bei den Meiſtern das Jungmeiſteramt, auf den jüngſten Ge-
noſſen, alſo in der Regel auf den Ausgelernten; waren dergleichen
nicht vorhanden, ſo traf es den zuletzt eingewanderten fremden
Geſellen, jedoch mußte er erſt wirkliches Mitglied der Brüder-
ſchaft geworden ſeyn. Die Altgeſellen und Rechnungsführer
hatten zunächſt für die Erhaltung des Verbandes zu ſorgen, zu
dem Ende die Geldbeiträge (Auflagegelder) bei den Zuſammen-
künften einzufordern und in das Rechnungsbuch einzutragen, die
Gelder ſtatutenmäßig oder nach gemeinſamem Beſchluß der Brü-
derſchaft zu verwenden und darüber Rechnung zu führen, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="6"/>
Augenblick &#x017F;ehen wir noch öffentliche Schilder an den Häu&#x017F;ern,<lb/>
wo &#x017F;ie ihre Herbergen haben, &#x017F;elb&#x017F;t da, wo ihre Verbrüderung<lb/>
nicht mehr geduldet wird; &#x017F;ie unter&#x017F;tützten ihre kranken und rei-<lb/>
&#x017F;enden Geno&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;orgten für ehrliche Be&#x017F;tattung der ver&#x017F;tor-<lb/>
benen Mitglieder.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi><lb/><hi rendition="#g">Beamtete</hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Sie kommen unter mancherlei Namen vor, Schaffer, La-<lb/>
denge&#x017F;ell, Ordenge&#x017F;ell, Ordenjünger, Altführer, Jüng&#x017F;tführer,<lb/>
Schauge&#x017F;ell, Knappmei&#x017F;ter, Altge&#x017F;ell, Jungge&#x017F;ell. Ihre Zahl<lb/>
richtete &#x017F;ich nach der Stärke der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Jedenfalls findet<lb/>
man auch bei der klein&#x017F;ten Brüder&#x017F;chaft zwei Beamtete, nehm-<lb/>
lich einen Alt- und Jungge&#x017F;ellen; zahlreiche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, z. B.<lb/>
Schuhmacher und Schneider, hielten noch be&#x017F;ondere Boten.<lb/>
Wo zwei oder mehrere Altge&#x017F;ellen im Amt &#x017F;tanden, hieß der<lb/>
ältere Worthalter, der zweite Ladenge&#x017F;ell auch Schaffer oder<lb/>
Rechnungsführer. Die Altge&#x017F;ellen waren zwar nicht eigentlich<lb/>
Vorge&#x017F;etzte der Brüder&#x017F;chaft, die Mitglieder waren ihnen aber<lb/>
überall Achtung und bei den Zu&#x017F;ammenkünften Gehor&#x017F;am &#x017F;chul-<lb/>
dig. Ihre Wahl wurde durch Stimmen&#x017F;ammlung bewirkt, &#x017F;ie<lb/>
fiel gewöhnlich auf gewanderte Ge&#x017F;ellen, be&#x017F;onders &#x017F;olche, die<lb/>
eine längere Zeit in der Stadt arbeiteten und in morali&#x017F;cher<lb/>
Hin&#x017F;icht guten Ruf hatten. Das Amt des Jungge&#x017F;ellen ruhete<lb/>
wie bei den Mei&#x017F;tern das Jungmei&#x017F;teramt, auf den jüng&#x017F;ten Ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en, al&#x017F;o in der Regel auf den Ausgelernten; waren dergleichen<lb/>
nicht vorhanden, &#x017F;o traf es den zuletzt eingewanderten fremden<lb/>
Ge&#x017F;ellen, jedoch mußte er er&#x017F;t wirkliches Mitglied der Brüder-<lb/>
&#x017F;chaft geworden &#x017F;eyn. Die Altge&#x017F;ellen und Rechnungsführer<lb/>
hatten zunäch&#x017F;t für die Erhaltung des Verbandes zu &#x017F;orgen, zu<lb/>
dem Ende die Geldbeiträge (Auflagegelder) bei den Zu&#x017F;ammen-<lb/>
künften einzufordern und in das Rechnungsbuch einzutragen, die<lb/>
Gelder &#x017F;tatutenmäßig oder nach gemein&#x017F;amem Be&#x017F;chluß der Brü-<lb/>
der&#x017F;chaft zu verwenden und darüber Rechnung zu führen, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0016] Augenblick ſehen wir noch öffentliche Schilder an den Häuſern, wo ſie ihre Herbergen haben, ſelbſt da, wo ihre Verbrüderung nicht mehr geduldet wird; ſie unterſtützten ihre kranken und rei- ſenden Genoſſen und ſorgten für ehrliche Beſtattung der verſtor- benen Mitglieder. II. Beamtete. Sie kommen unter mancherlei Namen vor, Schaffer, La- dengeſell, Ordengeſell, Ordenjünger, Altführer, Jüngſtführer, Schaugeſell, Knappmeiſter, Altgeſell, Junggeſell. Ihre Zahl richtete ſich nach der Stärke der Geſellſchaft. Jedenfalls findet man auch bei der kleinſten Brüderſchaft zwei Beamtete, nehm- lich einen Alt- und Junggeſellen; zahlreiche Geſellſchaften, z. B. Schuhmacher und Schneider, hielten noch beſondere Boten. Wo zwei oder mehrere Altgeſellen im Amt ſtanden, hieß der ältere Worthalter, der zweite Ladengeſell auch Schaffer oder Rechnungsführer. Die Altgeſellen waren zwar nicht eigentlich Vorgeſetzte der Brüderſchaft, die Mitglieder waren ihnen aber überall Achtung und bei den Zuſammenkünften Gehorſam ſchul- dig. Ihre Wahl wurde durch Stimmenſammlung bewirkt, ſie fiel gewöhnlich auf gewanderte Geſellen, beſonders ſolche, die eine längere Zeit in der Stadt arbeiteten und in moraliſcher Hinſicht guten Ruf hatten. Das Amt des Junggeſellen ruhete wie bei den Meiſtern das Jungmeiſteramt, auf den jüngſten Ge- noſſen, alſo in der Regel auf den Ausgelernten; waren dergleichen nicht vorhanden, ſo traf es den zuletzt eingewanderten fremden Geſellen, jedoch mußte er erſt wirkliches Mitglied der Brüder- ſchaft geworden ſeyn. Die Altgeſellen und Rechnungsführer hatten zunächſt für die Erhaltung des Verbandes zu ſorgen, zu dem Ende die Geldbeiträge (Auflagegelder) bei den Zuſammen- künften einzufordern und in das Rechnungsbuch einzutragen, die Gelder ſtatutenmäßig oder nach gemeinſamem Beſchluß der Brü- derſchaft zu verwenden und darüber Rechnung zu führen, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/16
Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/16>, abgerufen am 21.12.2024.