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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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der absoluten Freiheit nicht. Aber die Eigenheit, die will
Ich Mir nicht entziehen lassen. Und gerade auf die Eigen¬
heit sieht es jede Gesellschaft ab, gerade sie soll ihrer Macht
unterliegen.

Zwar nimmt eine Gesellschaft, zu der Ich Mich halte,
Mir manche Freiheit, dafür gewährt sie Mir aber andere Frei¬
heiten; auch hat es nichts zu sagen, wenn Ich selbst Mich um
diese und jene Freiheit bringe (z. B. durch jeden Contract).
Dagegen will Ich eifersüchtig auf meine Eigenheit halten.
Jede Gemeinschaft hat, je nach ihrer Machtfülle, den stärkeren
oder schwächeren Zug, ihren Gliedern eine Autorität zu
werden und Schranken zu setzen: sie verlangt und muß ver¬
langen einen "beschränkten Unterthanen-Verstand", sie verlangt,
daß ihre Angehörigen ihr unterthan, ihre "Unterthanen" seien,
sie besteht nur durch Unterthänigkeit. Dabei braucht kei¬
neswegs eine gewisse Toleranz ausgeschlossen zu sein, im Ge¬
gentheil wird die Gesellschaft Verbesserungen, Zurechtweisun¬
gen und Tadel, so weit solche auf ihren Gewinn berechnet sind,
willkommen heißen; aber der Tadel muß "wohlmeinend", er
darf nicht "frech und unehrerbietig" sein, mit andern Worten,
man muß die Substanz der Gesellschaft unverletzt lassen und
heilig halten. Die Gesellschaft fordert, daß ihre Angehörigen
nicht über sie hinausgehen und sich erheben, sondern "in den
Grenzen der Gesetzlichkeit" bleiben, d. h. nur so viel sich er¬
lauben, als ihnen die Gesellschaft und deren Gesetz erlaubt.

Es ist ein Unterschied, ob durch eine Gesellschaft meine Frei¬
heit oder meine Eigenheit beschränkt wird. Ist nur jenes der
Fall, so ist sie eine Vereinigung, ein Uebereinkommen, ein
Verein; droht aber der Eigenheit Untergang, so ist sie eine
Macht für sich, eine Macht über Mir, ein von Mir Uner¬

der abſoluten Freiheit nicht. Aber die Eigenheit, die will
Ich Mir nicht entziehen laſſen. Und gerade auf die Eigen¬
heit ſieht es jede Geſellſchaft ab, gerade ſie ſoll ihrer Macht
unterliegen.

Zwar nimmt eine Geſellſchaft, zu der Ich Mich halte,
Mir manche Freiheit, dafür gewährt ſie Mir aber andere Frei¬
heiten; auch hat es nichts zu ſagen, wenn Ich ſelbſt Mich um
dieſe und jene Freiheit bringe (z. B. durch jeden Contract).
Dagegen will Ich eiferſüchtig auf meine Eigenheit halten.
Jede Gemeinſchaft hat, je nach ihrer Machtfülle, den ſtärkeren
oder ſchwächeren Zug, ihren Gliedern eine Autorität zu
werden und Schranken zu ſetzen: ſie verlangt und muß ver¬
langen einen „beſchränkten Unterthanen-Verſtand“, ſie verlangt,
daß ihre Angehörigen ihr unterthan, ihre „Unterthanen“ ſeien,
ſie beſteht nur durch Unterthänigkeit. Dabei braucht kei¬
neswegs eine gewiſſe Toleranz ausgeſchloſſen zu ſein, im Ge¬
gentheil wird die Geſellſchaft Verbeſſerungen, Zurechtweiſun¬
gen und Tadel, ſo weit ſolche auf ihren Gewinn berechnet ſind,
willkommen heißen; aber der Tadel muß „wohlmeinend“, er
darf nicht „frech und unehrerbietig“ ſein, mit andern Worten,
man muß die Subſtanz der Geſellſchaft unverletzt laſſen und
heilig halten. Die Geſellſchaft fordert, daß ihre Angehörigen
nicht über ſie hinausgehen und ſich erheben, ſondern „in den
Grenzen der Geſetzlichkeit“ bleiben, d. h. nur ſo viel ſich er¬
lauben, als ihnen die Geſellſchaft und deren Geſetz erlaubt.

Es iſt ein Unterſchied, ob durch eine Geſellſchaft meine Frei¬
heit oder meine Eigenheit beſchränkt wird. Iſt nur jenes der
Fall, ſo iſt ſie eine Vereinigung, ein Uebereinkommen, ein
Verein; droht aber der Eigenheit Untergang, ſo iſt ſie eine
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[409/0417] der abſoluten Freiheit nicht. Aber die Eigenheit, die will Ich Mir nicht entziehen laſſen. Und gerade auf die Eigen¬ heit ſieht es jede Geſellſchaft ab, gerade ſie ſoll ihrer Macht unterliegen. Zwar nimmt eine Geſellſchaft, zu der Ich Mich halte, Mir manche Freiheit, dafür gewährt ſie Mir aber andere Frei¬ heiten; auch hat es nichts zu ſagen, wenn Ich ſelbſt Mich um dieſe und jene Freiheit bringe (z. B. durch jeden Contract). Dagegen will Ich eiferſüchtig auf meine Eigenheit halten. Jede Gemeinſchaft hat, je nach ihrer Machtfülle, den ſtärkeren oder ſchwächeren Zug, ihren Gliedern eine Autorität zu werden und Schranken zu ſetzen: ſie verlangt und muß ver¬ langen einen „beſchränkten Unterthanen-Verſtand“, ſie verlangt, daß ihre Angehörigen ihr unterthan, ihre „Unterthanen“ ſeien, ſie beſteht nur durch Unterthänigkeit. Dabei braucht kei¬ neswegs eine gewiſſe Toleranz ausgeſchloſſen zu ſein, im Ge¬ gentheil wird die Geſellſchaft Verbeſſerungen, Zurechtweiſun¬ gen und Tadel, ſo weit ſolche auf ihren Gewinn berechnet ſind, willkommen heißen; aber der Tadel muß „wohlmeinend“, er darf nicht „frech und unehrerbietig“ ſein, mit andern Worten, man muß die Subſtanz der Geſellſchaft unverletzt laſſen und heilig halten. Die Geſellſchaft fordert, daß ihre Angehörigen nicht über ſie hinausgehen und ſich erheben, ſondern „in den Grenzen der Geſetzlichkeit“ bleiben, d. h. nur ſo viel ſich er¬ lauben, als ihnen die Geſellſchaft und deren Geſetz erlaubt. Es iſt ein Unterſchied, ob durch eine Geſellſchaft meine Frei¬ heit oder meine Eigenheit beſchränkt wird. Iſt nur jenes der Fall, ſo iſt ſie eine Vereinigung, ein Uebereinkommen, ein Verein; droht aber der Eigenheit Untergang, ſo iſt ſie eine Macht für ſich, eine Macht über Mir, ein von Mir Uner¬

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/417>, abgerufen am 26.04.2024.