Sprachform; diese aber bedeutet den Denkinhalt, Gefühl, An- schauung, Begriff, Begierde, Wille, kurz das vorgestellte Innere.
c) Sprechen und Sprachmaterial.
§. 119.
Die Verflechtung des Bedeuteten, der innern Sprachan- schauung, und des Lautes wird immer fester. Durch das fort- gesetzte Urtheilen sind eine große Fülle von Subjecten und Prä- dicaten, Ding- und Merkmalswörtern gebildet. Indem aber das- selbe Subject mit vielen Prädicaten, dasselbe Prädicat mit vielen Subjecten verbunden wird, indem sich die Urtheile durchkreu- zen: so zerschneiden sie sich und Subjects- und Prädicatswörter zerfallen im Bewußtsein aus der Einheit des Urtheils. Eben so ergeht es den Attributen, den Objecten. So bildet sich also durch das Sprechen in der Seele ein "Schutt", nach einem geistreichen Ausdrucke Herbarts, lauter Material, das ehemals ein Gebäude von an einander hängenden Urtheilen bildete; das Gebäude ist im Laufe der Zeit verfallen und nur die Steine und Balken liegen ohne Ordnung und Zusammenhang durch einan- der. Jedes Stück dieses Materials aber trägt noch die Spuren seines Zusammenhanges an sich.
Nun zeigt aber derselbe Stein einen vielfältigen Zusammen- hang, und dieselbe Verbindungsweise zeigt sich an mehreren Steinen und Balken in gleicher Weise. So trennt sich der Stoff, das Material selbst, von der Methode, nach welcher es gefügt war. Zum Sprachschutte gehört also Material und Fugen.
Im Augenblicke des Redens greift die Seele immer von neuem nach diesem Schutte, und verwendet das Material, den daran befindlichen Fugen folgend.
Das Sprachmaterial wird dargestellt in der Grammatik so- wohl, als im Wörterbuche. Beide haben genau genommen den- selben Inhalt, aber in verschiedener Weise behandelt. Das Wör- terbuch stellt das Material auf und weist an jedem Stücke be- sonders seine mögliche Fügung auf; die Grammatik geht von der Fügungsweise aus, und zeigt, wie alle Stücke gefügt werden müssen. Die Praxis hat der Bequemlichkeit wegen dieses Ver- hältniß, wonach alles zweimal gesagt werden müßte, so umge- staltet, daß sie das Ueberflüssige wegläßt und dem Wörter- buche vorzugsweise das Material, der Grammatik vorzugsweise die Fügungsweise zuertheilt.
Sprachform; diese aber bedeutet den Denkinhalt, Gefühl, An- schauung, Begriff, Begierde, Wille, kurz das vorgestellte Innere.
c) Sprechen und Sprachmaterial.
§. 119.
Die Verflechtung des Bedeuteten, der innern Sprachan- schauung, und des Lautes wird immer fester. Durch das fort- gesetzte Urtheilen sind eine große Fülle von Subjecten und Prä- dicaten, Ding- und Merkmalswörtern gebildet. Indem aber das- selbe Subject mit vielen Prädicaten, dasselbe Prädicat mit vielen Subjecten verbunden wird, indem sich die Urtheile durchkreu- zen: so zerschneiden sie sich und Subjects- und Prädicatswörter zerfallen im Bewußtsein aus der Einheit des Urtheils. Eben so ergeht es den Attributen, den Objecten. So bildet sich also durch das Sprechen in der Seele ein „Schutt“, nach einem geistreichen Ausdrucke Herbarts, lauter Material, das ehemals ein Gebäude von an einander hängenden Urtheilen bildete; das Gebäude ist im Laufe der Zeit verfallen und nur die Steine und Balken liegen ohne Ordnung und Zusammenhang durch einan- der. Jedes Stück dieses Materials aber trägt noch die Spuren seines Zusammenhanges an sich.
Nun zeigt aber derselbe Stein einen vielfältigen Zusammen- hang, und dieselbe Verbindungsweise zeigt sich an mehreren Steinen und Balken in gleicher Weise. So trennt sich der Stoff, das Material selbst, von der Methode, nach welcher es gefügt war. Zum Sprachschutte gehört also Material und Fugen.
Im Augenblicke des Redens greift die Seele immer von neuem nach diesem Schutte, und verwendet das Material, den daran befindlichen Fugen folgend.
Das Sprachmaterial wird dargestellt in der Grammatik so- wohl, als im Wörterbuche. Beide haben genau genommen den- selben Inhalt, aber in verschiedener Weise behandelt. Das Wör- terbuch stellt das Material auf und weist an jedem Stücke be- sonders seine mögliche Fügung auf; die Grammatik geht von der Fügungsweise aus, und zeigt, wie alle Stücke gefügt werden müssen. Die Praxis hat der Bequemlichkeit wegen dieses Ver- hältniß, wonach alles zweimal gesagt werden müßte, so umge- staltet, daß sie das Ueberflüssige wegläßt und dem Wörter- buche vorzugsweise das Material, der Grammatik vorzugsweise die Fügungsweise zuertheilt.
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Sprachform; diese aber bedeutet den Denkinhalt, Gefühl, An-
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c) Sprechen und Sprachmaterial.
§. 119.
Die Verflechtung des Bedeuteten, der innern Sprachan-
schauung, und des Lautes wird immer fester. Durch das fort-
gesetzte Urtheilen sind eine große Fülle von Subjecten und Prä-
dicaten, Ding- und Merkmalswörtern gebildet. Indem aber das-
selbe Subject mit vielen Prädicaten, dasselbe Prädicat mit vielen
Subjecten verbunden wird, indem sich die Urtheile durchkreu-
zen: so zerschneiden sie sich und Subjects- und Prädicatswörter
zerfallen im Bewußtsein aus der Einheit des Urtheils. Eben
so ergeht es den Attributen, den Objecten. So bildet sich also
durch das Sprechen in der Seele ein „Schutt“, nach einem
geistreichen Ausdrucke Herbarts, lauter Material, das ehemals
ein Gebäude von an einander hängenden Urtheilen bildete; das
Gebäude ist im Laufe der Zeit verfallen und nur die Steine und
Balken liegen ohne Ordnung und Zusammenhang durch einan-
der. Jedes Stück dieses Materials aber trägt noch die Spuren
seines Zusammenhanges an sich.
Nun zeigt aber derselbe Stein einen vielfältigen Zusammen-
hang, und dieselbe Verbindungsweise zeigt sich an mehreren
Steinen und Balken in gleicher Weise. So trennt sich der Stoff,
das Material selbst, von der Methode, nach welcher es gefügt
war. Zum Sprachschutte gehört also Material und Fugen.
Im Augenblicke des Redens greift die Seele immer von
neuem nach diesem Schutte, und verwendet das Material, den
daran befindlichen Fugen folgend.
Das Sprachmaterial wird dargestellt in der Grammatik so-
wohl, als im Wörterbuche. Beide haben genau genommen den-
selben Inhalt, aber in verschiedener Weise behandelt. Das Wör-
terbuch stellt das Material auf und weist an jedem Stücke be-
sonders seine mögliche Fügung auf; die Grammatik geht von
der Fügungsweise aus, und zeigt, wie alle Stücke gefügt werden
müssen. Die Praxis hat der Bequemlichkeit wegen dieses Ver-
hältniß, wonach alles zweimal gesagt werden müßte, so umge-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/385>, abgerufen am 22.12.2024.
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