Die Subjectivität unseres Bewußtseins überhaupt von den Dingen beruht auf der Beziehung der Dinge zu unsern Empfin- dungen; worauf beruht denn die neu hinzutretende Subjectivität des Bewußtseins als innerer Sprachform von den Anschauun- gen? Auf der Verbindung der Anschauung mit dem Laute. Wie unserm Bewußtsein überhaupt die Dinge so viel und gerade das sind, wie viel und was sie auf unsere Sinnesorgane wirken: so ist auch der innern Sprachform die Anschauung nur das und so viel, was und wie viel in der Verbindungsform der Anschauung mit dem Laute liegt. Das nun eben, was in dieser Verbindungs- weise liegt, ist Inhalt der innern Sprachform und entwickelt sich vorzüglich durch drei Stufen.
c) Stufenentwickelung der innern Sprachform.
Die Sprache ist die Verknüpfung von Laut und Anschauung, welche letztere aber bei diesem Processe in eine Vorstellung verwandelt wird, so daß sie nach dieser Verknüpfung mit dem Laute, in der sprachlichen Darstellung nicht mehr Anschauung, sondern Vorstellung ist, von welchem Unterschiede noch später zu reden sein wird. Jene Verbindung aber ist instinctiv, mit Nothwendigkeit vollzogen; dies führt schon darauf, daß beide in ihrer Natur eine gewisse Verwandtschaft haben, sonst könnte ihre Verbindung gar nicht stattfinden. Diese Verwandtschaft liegt nicht bloß in ihrem gleichzeitigen Ursprunge; sondern noch mehr, es liegt ein wahres Zeugungsverhältniß vor. Die Anschauung reflectirte sich auf den Körper und dadurch ent- stand der Laut; sie ist also Ursache, Erzeugerin desselben. Die Verbindung der Anschauung also mit dem Laute beruht auf einer Verwandtschaft und Gleichheit beider Momente, und die- ses Verwandtschafts- oder Einheitsverhältniß ist der Inhalt der innern Sprachform, ist das, was das Bewußtsein von ihrer An- schauung erfaßt, indem es dieselbe anschaut. Dieses Verhält- niß aber zwischen Laut und Anschauung ist kein festes, ein für allemal gebildetes, sondern ändert sich ab, und die verschie- denen Weisen ihrer Verwandtschaft und Einheit stellen eine Stufenentwickelung der innern Sprachform, des instinctiven Selbst- bewußtseins dar. Dieses nämlich erhält eine immer größere Klarheit, wird immer geistiger, gewinnt an Form und Gestal- tung.
Die Subjectivität unseres Bewußtseins überhaupt von den Dingen beruht auf der Beziehung der Dinge zu unsern Empfin- dungen; worauf beruht denn die neu hinzutretende Subjectivität des Bewußtseins als innerer Sprachform von den Anschauun- gen? Auf der Verbindung der Anschauung mit dem Laute. Wie unserm Bewußtsein überhaupt die Dinge so viel und gerade das sind, wie viel und was sie auf unsere Sinnesorgane wirken: so ist auch der innern Sprachform die Anschauung nur das und so viel, was und wie viel in der Verbindungsform der Anschauung mit dem Laute liegt. Das nun eben, was in dieser Verbindungs- weise liegt, ist Inhalt der innern Sprachform und entwickelt sich vorzüglich durch drei Stufen.
c) Stufenentwickelung der innern Sprachform.
Die Sprache ist die Verknüpfung von Laut und Anschauung, welche letztere aber bei diesem Processe in eine Vorstellung verwandelt wird, so daß sie nach dieser Verknüpfung mit dem Laute, in der sprachlichen Darstellung nicht mehr Anschauung, sondern Vorstellung ist, von welchem Unterschiede noch später zu reden sein wird. Jene Verbindung aber ist instinctiv, mit Nothwendigkeit vollzogen; dies führt schon darauf, daß beide in ihrer Natur eine gewisse Verwandtschaft haben, sonst könnte ihre Verbindung gar nicht stattfinden. Diese Verwandtschaft liegt nicht bloß in ihrem gleichzeitigen Ursprunge; sondern noch mehr, es liegt ein wahres Zeugungsverhältniß vor. Die Anschauung reflectirte sich auf den Körper und dadurch ent- stand der Laut; sie ist also Ursache, Erzeugerin desselben. Die Verbindung der Anschauung also mit dem Laute beruht auf einer Verwandtschaft und Gleichheit beider Momente, und die- ses Verwandtschafts- oder Einheitsverhältniß ist der Inhalt der innern Sprachform, ist das, was das Bewußtsein von ihrer An- schauung erfaßt, indem es dieselbe anschaut. Dieses Verhält- niß aber zwischen Laut und Anschauung ist kein festes, ein für allemal gebildetes, sondern ändert sich ab, und die verschie- denen Weisen ihrer Verwandtschaft und Einheit stellen eine Stufenentwickelung der innern Sprachform, des instinctiven Selbst- bewußtseins dar. Dieses nämlich erhält eine immer größere Klarheit, wird immer geistiger, gewinnt an Form und Gestal- tung.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0344"n="306"/><p>Die Subjectivität unseres Bewußtseins überhaupt von den<lb/>
Dingen beruht auf der Beziehung der Dinge zu unsern Empfin-<lb/>
dungen; worauf beruht denn die neu hinzutretende Subjectivität<lb/>
des Bewußtseins als innerer Sprachform von den Anschauun-<lb/>
gen? Auf der Verbindung der Anschauung mit dem Laute. Wie<lb/>
unserm Bewußtsein überhaupt die Dinge so viel und gerade<lb/>
das sind, wie viel und was sie auf unsere Sinnesorgane wirken:<lb/>
so ist auch der innern Sprachform die Anschauung nur das und<lb/>
so viel, was und wie viel in der Verbindungsform der Anschauung<lb/>
mit dem Laute liegt. Das nun eben, was in dieser Verbindungs-<lb/>
weise liegt, ist Inhalt der innern Sprachform und entwickelt<lb/>
sich vorzüglich durch drei Stufen.</p></div></div><lb/><divn="4"><head>c) <hirendition="#g">Stufenentwickelung der innern Sprachform</hi>.</head><lb/><p>Die Sprache ist die Verknüpfung von Laut und Anschauung,<lb/>
welche letztere aber bei diesem Processe in eine Vorstellung<lb/>
verwandelt wird, so daß sie nach dieser Verknüpfung mit dem<lb/>
Laute, in der sprachlichen Darstellung nicht mehr Anschauung,<lb/>
sondern Vorstellung ist, von welchem Unterschiede noch später<lb/>
zu reden sein wird. Jene Verbindung aber ist instinctiv, mit<lb/>
Nothwendigkeit vollzogen; dies führt schon darauf, daß beide<lb/>
in ihrer Natur eine gewisse Verwandtschaft haben, sonst könnte<lb/>
ihre Verbindung gar nicht stattfinden. Diese Verwandtschaft<lb/>
liegt nicht bloß in ihrem gleichzeitigen Ursprunge; sondern<lb/>
noch mehr, es liegt ein wahres Zeugungsverhältniß vor. Die<lb/>
Anschauung reflectirte sich auf den Körper und dadurch ent-<lb/>
stand der Laut; sie ist also Ursache, Erzeugerin desselben. Die<lb/>
Verbindung der Anschauung also mit dem Laute beruht auf<lb/>
einer Verwandtschaft und Gleichheit beider Momente, und die-<lb/>
ses Verwandtschafts- oder Einheitsverhältniß ist der Inhalt der<lb/>
innern Sprachform, ist das, was das Bewußtsein von ihrer An-<lb/>
schauung erfaßt, indem es dieselbe anschaut. Dieses Verhält-<lb/>
niß aber zwischen Laut und Anschauung ist kein festes, ein<lb/>
für allemal gebildetes, sondern ändert sich ab, und die verschie-<lb/>
denen Weisen ihrer Verwandtschaft und Einheit stellen eine<lb/>
Stufenentwickelung der innern Sprachform, des instinctiven Selbst-<lb/>
bewußtseins dar. Dieses nämlich erhält eine immer größere<lb/>
Klarheit, wird immer geistiger, gewinnt an Form und Gestal-<lb/>
tung.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[306/0344]
Die Subjectivität unseres Bewußtseins überhaupt von den
Dingen beruht auf der Beziehung der Dinge zu unsern Empfin-
dungen; worauf beruht denn die neu hinzutretende Subjectivität
des Bewußtseins als innerer Sprachform von den Anschauun-
gen? Auf der Verbindung der Anschauung mit dem Laute. Wie
unserm Bewußtsein überhaupt die Dinge so viel und gerade
das sind, wie viel und was sie auf unsere Sinnesorgane wirken:
so ist auch der innern Sprachform die Anschauung nur das und
so viel, was und wie viel in der Verbindungsform der Anschauung
mit dem Laute liegt. Das nun eben, was in dieser Verbindungs-
weise liegt, ist Inhalt der innern Sprachform und entwickelt
sich vorzüglich durch drei Stufen.
c) Stufenentwickelung der innern Sprachform.
Die Sprache ist die Verknüpfung von Laut und Anschauung,
welche letztere aber bei diesem Processe in eine Vorstellung
verwandelt wird, so daß sie nach dieser Verknüpfung mit dem
Laute, in der sprachlichen Darstellung nicht mehr Anschauung,
sondern Vorstellung ist, von welchem Unterschiede noch später
zu reden sein wird. Jene Verbindung aber ist instinctiv, mit
Nothwendigkeit vollzogen; dies führt schon darauf, daß beide
in ihrer Natur eine gewisse Verwandtschaft haben, sonst könnte
ihre Verbindung gar nicht stattfinden. Diese Verwandtschaft
liegt nicht bloß in ihrem gleichzeitigen Ursprunge; sondern
noch mehr, es liegt ein wahres Zeugungsverhältniß vor. Die
Anschauung reflectirte sich auf den Körper und dadurch ent-
stand der Laut; sie ist also Ursache, Erzeugerin desselben. Die
Verbindung der Anschauung also mit dem Laute beruht auf
einer Verwandtschaft und Gleichheit beider Momente, und die-
ses Verwandtschafts- oder Einheitsverhältniß ist der Inhalt der
innern Sprachform, ist das, was das Bewußtsein von ihrer An-
schauung erfaßt, indem es dieselbe anschaut. Dieses Verhält-
niß aber zwischen Laut und Anschauung ist kein festes, ein
für allemal gebildetes, sondern ändert sich ab, und die verschie-
denen Weisen ihrer Verwandtschaft und Einheit stellen eine
Stufenentwickelung der innern Sprachform, des instinctiven Selbst-
bewußtseins dar. Dieses nämlich erhält eine immer größere
Klarheit, wird immer geistiger, gewinnt an Form und Gestal-
tung.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/344>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.