sätze gerade dasselbe gethan hat, was Trendelenburg thut. Man hat nämlich den Zweck als Beweggrund oder moralischen Grund aufgefaßt, also als Unterabtheilung der Causalität oder Depen- denz. Diese aber gilt für das wesentliche Moment der hypo- thetischen Urtheile; also sind, nach der formalen Logik, Zweck- urtheile eine Unterabtheilung der hypothetischen Urtheile, ge- rade wie bei Trendelenburg. Nur finde ich bei ihm noch die Schwierigkeit, daß, wenn ich mich nicht täusche, der Unter- schied zwischen kategorischen und hypothetischen Urtheilen gar nicht in sein System der Urtheile eintritt, also auch das Zweck- urtheil darin gar keine besondere Stelle findet. -- So viel über Satz und Urtheil.
§. 70. Bei- und Unterordnung der Sätze.
Wenn zwischen Satz und Urtheil nicht bloß keine Iden- tität, sondern auch nicht einmal Congruenz und Parallelismus Statt findet, so kann auch in der Bei- und Unterordnung der Sätze kein logisches Element liegen, das vom Urtheil abhängig wäre.
Wir müssen hier zunächst wieder auf Becker eingehen, der uns hier in unerwarteter, wir fürchten, inconsequenter Weise, entgegen zu kommen scheint. Wir erinnern uns, daß Becker die logische Form des Satzes von der grammatischen scheidet. Die logische Form des Satzes ist freilich für uns kein ge- ringerer Widerspruch, als spräche man von dem Winkel eines Kreises, von der Peripherie des Dreiecks. Becker verstand aber unter logischer Form die Weise der Ueber- und Unterordnung der Factoren, die im Satze auf einander bezogen sind, wonach der logische Werth dieser Factoren unterschieden wird. Daß nun Becker Recht daran thut, da von einer logischen Form zu reden, wo es sich nach seiner Ansicht um das Verhältniß von Allgemeinem und Besonderm handelt -- ein durchaus logisches Verhältniß, von welchem, wie schon erwähnt, die Grammatik nichts weiß, --: das ersieht man leicht. Wir haben oben in unserer Kritik Beckers nur etwas vermißt, was in Wahrheit die gram- matische Form ausmachen sollte und könnte. Denn wenn diese auf den Gegensatz von Thätigkeit und Sein begründet wird, so sind wir in der Metaphysik, nicht in der Grammatik. Gestehen wir aber hier Becker diese Scheidung zu und nehmen also an, die Verhältnisse des Satzes, insofern sie auf dem Gegensatze von Thätigkeit und Sein beruhen, bilden dessen grammatische
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sätze gerade dasselbe gethan hat, was Trendelenburg thut. Man hat nämlich den Zweck als Beweggrund oder moralischen Grund aufgefaßt, also als Unterabtheilung der Causalität oder Depen- denz. Diese aber gilt für das wesentliche Moment der hypo- thetischen Urtheile; also sind, nach der formalen Logik, Zweck- urtheile eine Unterabtheilung der hypothetischen Urtheile, ge- rade wie bei Trendelenburg. Nur finde ich bei ihm noch die Schwierigkeit, daß, wenn ich mich nicht täusche, der Unter- schied zwischen kategorischen und hypothetischen Urtheilen gar nicht in sein System der Urtheile eintritt, also auch das Zweck- urtheil darin gar keine besondere Stelle findet. — So viel über Satz und Urtheil.
§. 70. Bei- und Unterordnung der Sätze.
Wenn zwischen Satz und Urtheil nicht bloß keine Iden- tität, sondern auch nicht einmal Congruenz und Parallelismus Statt findet, so kann auch in der Bei- und Unterordnung der Sätze kein logisches Element liegen, das vom Urtheil abhängig wäre.
Wir müssen hier zunächst wieder auf Becker eingehen, der uns hier in unerwarteter, wir fürchten, inconsequenter Weise, entgegen zu kommen scheint. Wir erinnern uns, daß Becker die logische Form des Satzes von der grammatischen scheidet. Die logische Form des Satzes ist freilich für uns kein ge- ringerer Widerspruch, als spräche man von dem Winkel eines Kreises, von der Peripherie des Dreiecks. Becker verstand aber unter logischer Form die Weise der Ueber- und Unterordnung der Factoren, die im Satze auf einander bezogen sind, wonach der logische Werth dieser Factoren unterschieden wird. Daß nun Becker Recht daran thut, da von einer logischen Form zu reden, wo es sich nach seiner Ansicht um das Verhältniß von Allgemeinem und Besonderm handelt — ein durchaus logisches Verhältniß, von welchem, wie schon erwähnt, die Grammatik nichts weiß, —: das ersieht man leicht. Wir haben oben in unserer Kritik Beckers nur etwas vermißt, was in Wahrheit die gram- matische Form ausmachen sollte und könnte. Denn wenn diese auf den Gegensatz von Thätigkeit und Sein begründet wird, so sind wir in der Metaphysik, nicht in der Grammatik. Gestehen wir aber hier Becker diese Scheidung zu und nehmen also an, die Verhältnisse des Satzes, insofern sie auf dem Gegensatze von Thätigkeit und Sein beruhen, bilden dessen grammatische
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sätze gerade dasselbe gethan hat, was Trendelenburg thut. Man
hat nämlich den Zweck als Beweggrund oder moralischen Grund
aufgefaßt, also als Unterabtheilung der Causalität oder Depen-
denz. Diese aber gilt für das wesentliche Moment der hypo-
thetischen Urtheile; also sind, nach der formalen Logik, Zweck-
urtheile eine Unterabtheilung der hypothetischen Urtheile, ge-
rade wie bei Trendelenburg. Nur finde ich bei ihm noch die
Schwierigkeit, daß, wenn ich mich nicht täusche, der Unter-
schied zwischen kategorischen und hypothetischen Urtheilen gar
nicht in sein System der Urtheile eintritt, also auch das Zweck-
urtheil darin gar keine besondere Stelle findet. — So viel über
Satz und Urtheil.
§. 70. Bei- und Unterordnung der Sätze.
Wenn zwischen Satz und Urtheil nicht bloß keine Iden-
tität, sondern auch nicht einmal Congruenz und Parallelismus
Statt findet, so kann auch in der Bei- und Unterordnung der
Sätze kein logisches Element liegen, das vom Urtheil abhängig
wäre.
Wir müssen hier zunächst wieder auf Becker eingehen, der
uns hier in unerwarteter, wir fürchten, inconsequenter Weise,
entgegen zu kommen scheint. Wir erinnern uns, daß Becker
die logische Form des Satzes von der grammatischen scheidet.
Die logische Form des Satzes ist freilich für uns kein ge-
ringerer Widerspruch, als spräche man von dem Winkel eines
Kreises, von der Peripherie des Dreiecks. Becker verstand aber
unter logischer Form die Weise der Ueber- und Unterordnung
der Factoren, die im Satze auf einander bezogen sind, wonach
der logische Werth dieser Factoren unterschieden wird. Daß
nun Becker Recht daran thut, da von einer logischen Form zu
reden, wo es sich nach seiner Ansicht um das Verhältniß von
Allgemeinem und Besonderm handelt — ein durchaus logisches
Verhältniß, von welchem, wie schon erwähnt, die Grammatik nichts
weiß, —: das ersieht man leicht. Wir haben oben in unserer
Kritik Beckers nur etwas vermißt, was in Wahrheit die gram-
matische Form ausmachen sollte und könnte. Denn wenn diese
auf den Gegensatz von Thätigkeit und Sein begründet wird, so
sind wir in der Metaphysik, nicht in der Grammatik. Gestehen
wir aber hier Becker diese Scheidung zu und nehmen also an,
die Verhältnisse des Satzes, insofern sie auf dem Gegensatze
von Thätigkeit und Sein beruhen, bilden dessen grammatische
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/217>, abgerufen am 22.12.2024.
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