Vorbemerkung. I. Masken. Tanzen und Singen. "Idole?" Gelage und Einladungen. Teilnahme der Frauen. Arten der Vermummung. Bakairi-Tänze (Makanari) und -Masken. Nahuqua (Fischnetz-Tanz). Mehinaku (Kaiman-Tanz). Auetö (Koahalu-, Yakuikatu-Tanz). Kamayura (Hüvat-Tanz). Trumai. II. Gemeinsamer Ursprung der Masken und des Mereschu-Musters. Die Auetö als Erfinder der Gewebmaske und des Mereschu-Ornaments. III. Sonstiger Festapparat. Kamayura-Tänze. Tanzkeulen. Schmuckwirtel etc. Musikinstrumente. Schwirrhölzer. Federschmuck. Diademe. Spiele der Jugend.
"Einfach und nur zur Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse gebildet sind die Gerätschaften der Steinzeit. Mit der Kunst, die Metalle zu formen, erwacht der Sinn für Schmuck und Zierrat." So schreibt O. Schrader in seinem ausgezeichneten Buch "Sprachvergleichung und Urgeschichte" (p. 215), und so etwas kann auch wohl nur ein ausgezeichneter Philologe schreiben, dem der Ge- danke fern liegt, dass solche Urteile, auch wenn sie das indogermanische Urvolk betreffen, in dem modernen Museum für Völkerkunde geprüft werden müssen. Jener Satz hat ungefähr denselben Wert als der, dass der Mensch angefangen habe Tradition zu bilden, als er schreiben lernte. So gewiss es ist, dass die Be- friedigung der notwendigsten Bedürfnisse älter ist als die Entwicklung des Sinnes für Schmuck und Zierrat, so haben diesen doch auch bereits die metalllosen Naturvölker nach dem ganzen Umfang ihrer Mittel ausgebildet; ja es ist sehr wohl darüber zu diskutieren, ob nicht mehrfach gerade umgekehrt er das Inter- esse an den Metallen erst wachgerufen hat -- und auch wachrufen konnte, weil er eben schon hoch ausgebildet war. Ich glaube in dem Kapitel über die Zeichen- ornamente und die Plastik ausführlich begründet zu haben, was ich von unsern Indianern in einem vorläufigen, der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin abge- statteten Bericht (Verhandlungen 1888, p. 386) erklärte: "sie haben eine Sucht geradezu, alle Gebrauchsgegenstände zu bemalen, eine Leidenschaft für das Kunsthandwerk", und habe den Beweis nunmehr zu vervollständigen für die fest- lichen Tage, wo sich der Mensch über die Befriedigung der notwendigsten Be- dürfnisse mit vollem Bewusstsein erhaben fühlt und alle Kunstfertigkeiten in den Dienst der Kunst stellt, sich zu schmücken.
XI. KAPITEL. Maskenornamentik und Tanzschmuck.
Vorbemerkung. I. Masken. Tanzen und Singen. »Idole?« Gelage und Einladungen. Teilnahme der Frauen. Arten der Vermummung. Bakaïrí-Tänze (Makanári) und -Masken. Nahuquá (Fischnetz-Tanz). Mehinakú (Kaiman-Tanz). Auetö́ (Koahálu-, Yakuíkatú-Tanz). Kamayurá (Hüvát-Tanz). Trumaí. II. Gemeinsamer Ursprung der Masken und des Mereschu-Musters. Die Auetö́ als Erfinder der Gewebmaske und des Mereschu-Ornaments. III. Sonstiger Festapparat. Kamayurá-Tänze. Tanzkeulen. Schmuckwirtel etc. Musikinstrumente. Schwirrhölzer. Federschmuck. Diademe. Spiele der Jugend.
»Einfach und nur zur Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse gebildet sind die Gerätschaften der Steinzeit. Mit der Kunst, die Metalle zu formen, erwacht der Sinn für Schmuck und Zierrat.« So schreibt O. Schrader in seinem ausgezeichneten Buch »Sprachvergleichung und Urgeschichte« (p. 215), und so etwas kann auch wohl nur ein ausgezeichneter Philologe schreiben, dem der Ge- danke fern liegt, dass solche Urteile, auch wenn sie das indogermanische Urvolk betreffen, in dem modernen Museum für Völkerkunde geprüft werden müssen. Jener Satz hat ungefähr denselben Wert als der, dass der Mensch angefangen habe Tradition zu bilden, als er schreiben lernte. So gewiss es ist, dass die Be- friedigung der notwendigsten Bedürfnisse älter ist als die Entwicklung des Sinnes für Schmuck und Zierrat, so haben diesen doch auch bereits die metalllosen Naturvölker nach dem ganzen Umfang ihrer Mittel ausgebildet; ja es ist sehr wohl darüber zu diskutieren, ob nicht mehrfach gerade umgekehrt er das Inter- esse an den Metallen erst wachgerufen hat — und auch wachrufen konnte, weil er eben schon hoch ausgebildet war. Ich glaube in dem Kapitel über die Zeichen- ornamente und die Plastik ausführlich begründet zu haben, was ich von unsern Indianern in einem vorläufigen, der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin abge- statteten Bericht (Verhandlungen 1888, p. 386) erklärte: »sie haben eine Sucht geradezu, alle Gebrauchsgegenstände zu bemalen, eine Leidenschaft für das Kunsthandwerk«, und habe den Beweis nunmehr zu vervollständigen für die fest- lichen Tage, wo sich der Mensch über die Befriedigung der notwendigsten Be- dürfnisse mit vollem Bewusstsein erhaben fühlt und alle Kunstfertigkeiten in den Dienst der Kunst stellt, sich zu schmücken.
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(Hüvát-Tanz). Trumaí. II. Gemeinsamer Ursprung der Masken und des Mereschu-Musters.
Die Auetö́ als Erfinder der Gewebmaske und des Mereschu-Ornaments. III. Sonstiger Festapparat.
Kamayurá-Tänze. Tanzkeulen. Schmuckwirtel etc. Musikinstrumente. Schwirrhölzer.
Federschmuck. Diademe. Spiele der Jugend.
»Einfach und nur zur Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse gebildet
sind die Gerätschaften der Steinzeit. Mit der Kunst, die Metalle zu formen,
erwacht der Sinn für Schmuck und Zierrat.« So schreibt O. Schrader in seinem
ausgezeichneten Buch »Sprachvergleichung und Urgeschichte« (p. 215), und so
etwas kann auch wohl nur ein ausgezeichneter Philologe schreiben, dem der Ge-
danke fern liegt, dass solche Urteile, auch wenn sie das indogermanische Urvolk
betreffen, in dem modernen Museum für Völkerkunde geprüft werden müssen.
Jener Satz hat ungefähr denselben Wert als der, dass der Mensch angefangen
habe Tradition zu bilden, als er schreiben lernte. So gewiss es ist, dass die Be-
friedigung der notwendigsten Bedürfnisse älter ist als die Entwicklung des Sinnes
für Schmuck und Zierrat, so haben diesen doch auch bereits die metalllosen
Naturvölker nach dem ganzen Umfang ihrer Mittel ausgebildet; ja es ist sehr
wohl darüber zu diskutieren, ob nicht mehrfach gerade umgekehrt er das Inter-
esse an den Metallen erst wachgerufen hat — und auch wachrufen konnte, weil
er eben schon hoch ausgebildet war. Ich glaube in dem Kapitel über die Zeichen-
ornamente und die Plastik ausführlich begründet zu haben, was ich von unsern
Indianern in einem vorläufigen, der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin abge-
statteten Bericht (Verhandlungen 1888, p. 386) erklärte: »sie haben eine Sucht
geradezu, alle Gebrauchsgegenstände zu bemalen, eine Leidenschaft für das
Kunsthandwerk«, und habe den Beweis nunmehr zu vervollständigen für die fest-
lichen Tage, wo sich der Mensch über die Befriedigung der notwendigsten Be-
dürfnisse mit vollem Bewusstsein erhaben fühlt und alle Kunstfertigkeiten in den
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. [295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/359>, abgerufen am 21.11.2024.
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