Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf diese Weise enthält das, was wir die Lehre vom Güterleben
an sich nennen, die großen und allgemeinen Grundbegriffe für Gut,
Werth und Güterentwicklung, welche auf dem allgemeinen Wesen der
Persönlichkeit und des natürlichen Daseins beruhen und daher für alle
Einzelnen, für alle Zeiten und Völker eine gleichmäßige, unerschütter-
liche Gültigkeit haben. Die Darstellung des Güterlebens an sich gibt
daher das, was wir als die ewigen, unabänderlichen organischen
Gesetze der Nationalökonomie zu bezeichnen haben. Es ist kein Zweifel,
daß die Verwaltungslehre diese Gesetze vorauszusetzen, und sie, da
keine staatliche Macht oder Einrichtung sie zu verändern vermag, ein-
fach als maßgebend anzuerkennen hat.

Bezeichnet man diese allgemeinen Gesetze und Erscheinungen des
Güterlebens nun als den ersten Theil der Güterlehre, so entstehen
der zweite und dritte Theil derselben dadurch, daß nicht etwa das
Güterleben, sondern das Wesen der Persönlichkeit, die sich in ihm be-
wegt, ein anderes wird.

Die Persönlichkeit ist nämlich in der Wirklichkeit zunächst eine
einzelne Person, und an sie und das Wesen der Individualität
knüpft sich der zweite Theil, die Wirthschaftslehre.

b) Die Wirthschaftslehre. -- Jede einzelne Persönlichkeit,
ihrem Wesen nach frei und selbstbestimmt, weiß nämlich sich selbst ihr
eigenes Güterleben zu bilden. Sie erzeugt sich mit ihrem Kapital und
ihrer Arbeit, mit ihrer Consumtion und Reproduktion, ihre eigene,
ihr persönlich angehörige Güterordnung. Dieselbe gewinnt dadurch
ihre individuelle Gestalt und ihr individuelles Leben. Diese indi-
viduelle Gestalt des Güterlebens ist es, welche wir die Wirth-
schaft
nennen. Die Wirthschaft ist das Güterleben als individuelle
Persönlichkeit; sie ist der wirthschaftliche Körper der Person. Wo aber
mehrere solche Persönlichkeiten als Einheit zusammentreten und ein
gemeinschaftliches Güterleben erzeugen, sprechen wir von einer Unter-
nehmung
. Es ist kein Zweifel, daß Wirthschaft und Unternehmung
die beiden Formen sind, in denen sich das Güterleben verwirklicht.
Wie der einzelne Mensch die Wirklichkeit des Begriffs des Menschen
ist, so sind Wirthschaft und Unternehmen die Wirklichkeit des Begriffs
des Güterlebens.

c) Die Volkswirthschaft. -- Diese Wirthschaften und Unter-
nehmungen erscheinen nun wieder äußerlich zusammengefaßt durch Land
und Volk. Land und Volk sind die beiden Formen, in denen für die
ihnen angehörigen Wirthschaften und Unternehmungen gleichartige
Bedingungen geboten werden: im Lande die natürlichen, im Volke die
geistigen. Dieselben weisen daher die einzelnen Wirthschaften und

Auf dieſe Weiſe enthält das, was wir die Lehre vom Güterleben
an ſich nennen, die großen und allgemeinen Grundbegriffe für Gut,
Werth und Güterentwicklung, welche auf dem allgemeinen Weſen der
Perſönlichkeit und des natürlichen Daſeins beruhen und daher für alle
Einzelnen, für alle Zeiten und Völker eine gleichmäßige, unerſchütter-
liche Gültigkeit haben. Die Darſtellung des Güterlebens an ſich gibt
daher das, was wir als die ewigen, unabänderlichen organiſchen
Geſetze der Nationalökonomie zu bezeichnen haben. Es iſt kein Zweifel,
daß die Verwaltungslehre dieſe Geſetze vorauszuſetzen, und ſie, da
keine ſtaatliche Macht oder Einrichtung ſie zu verändern vermag, ein-
fach als maßgebend anzuerkennen hat.

Bezeichnet man dieſe allgemeinen Geſetze und Erſcheinungen des
Güterlebens nun als den erſten Theil der Güterlehre, ſo entſtehen
der zweite und dritte Theil derſelben dadurch, daß nicht etwa das
Güterleben, ſondern das Weſen der Perſönlichkeit, die ſich in ihm be-
wegt, ein anderes wird.

Die Perſönlichkeit iſt nämlich in der Wirklichkeit zunächſt eine
einzelne Perſon, und an ſie und das Weſen der Individualität
knüpft ſich der zweite Theil, die Wirthſchaftslehre.

b) Die Wirthſchaftslehre. — Jede einzelne Perſönlichkeit,
ihrem Weſen nach frei und ſelbſtbeſtimmt, weiß nämlich ſich ſelbſt ihr
eigenes Güterleben zu bilden. Sie erzeugt ſich mit ihrem Kapital und
ihrer Arbeit, mit ihrer Conſumtion und Reproduktion, ihre eigene,
ihr perſönlich angehörige Güterordnung. Dieſelbe gewinnt dadurch
ihre individuelle Geſtalt und ihr individuelles Leben. Dieſe indi-
viduelle Geſtalt des Güterlebens iſt es, welche wir die Wirth-
ſchaft
nennen. Die Wirthſchaft iſt das Güterleben als individuelle
Perſönlichkeit; ſie iſt der wirthſchaftliche Körper der Perſon. Wo aber
mehrere ſolche Perſönlichkeiten als Einheit zuſammentreten und ein
gemeinſchaftliches Güterleben erzeugen, ſprechen wir von einer Unter-
nehmung
. Es iſt kein Zweifel, daß Wirthſchaft und Unternehmung
die beiden Formen ſind, in denen ſich das Güterleben verwirklicht.
Wie der einzelne Menſch die Wirklichkeit des Begriffs des Menſchen
iſt, ſo ſind Wirthſchaft und Unternehmen die Wirklichkeit des Begriffs
des Güterlebens.

c) Die Volkswirthſchaft. — Dieſe Wirthſchaften und Unter-
nehmungen erſcheinen nun wieder äußerlich zuſammengefaßt durch Land
und Volk. Land und Volk ſind die beiden Formen, in denen für die
ihnen angehörigen Wirthſchaften und Unternehmungen gleichartige
Bedingungen geboten werden: im Lande die natürlichen, im Volke die
geiſtigen. Dieſelben weiſen daher die einzelnen Wirthſchaften und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0025" n="7"/>
              <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e enthält das, was wir die Lehre vom Güterleben<lb/>
an &#x017F;ich nennen, die großen und allgemeinen Grundbegriffe für Gut,<lb/>
Werth und Güterentwicklung, welche auf dem allgemeinen We&#x017F;en der<lb/>
Per&#x017F;önlichkeit und des natürlichen Da&#x017F;eins beruhen und daher für alle<lb/>
Einzelnen, für alle Zeiten und Völker eine gleichmäßige, uner&#x017F;chütter-<lb/>
liche Gültigkeit haben. Die Dar&#x017F;tellung des Güterlebens an &#x017F;ich gibt<lb/>
daher das, was wir als die ewigen, unabänderlichen organi&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;etze</hi> der Nationalökonomie zu bezeichnen haben. Es i&#x017F;t kein Zweifel,<lb/>
daß die Verwaltungslehre die&#x017F;e Ge&#x017F;etze <hi rendition="#g">vorauszu&#x017F;etzen</hi>, und &#x017F;ie, da<lb/>
keine &#x017F;taatliche Macht oder Einrichtung &#x017F;ie zu verändern vermag, ein-<lb/>
fach als maßgebend anzuerkennen hat.</p><lb/>
              <p>Bezeichnet man die&#x017F;e allgemeinen Ge&#x017F;etze und Er&#x017F;cheinungen des<lb/>
Güterlebens nun als den er&#x017F;ten Theil der Güterlehre, &#x017F;o ent&#x017F;tehen<lb/>
der zweite und dritte Theil der&#x017F;elben dadurch, daß nicht etwa das<lb/>
Güterleben, &#x017F;ondern das We&#x017F;en der Per&#x017F;önlichkeit, die &#x017F;ich in ihm be-<lb/>
wegt, ein anderes wird.</p><lb/>
              <p>Die Per&#x017F;önlichkeit i&#x017F;t nämlich in der Wirklichkeit zunäch&#x017F;t eine<lb/><hi rendition="#g">einzelne Per&#x017F;on</hi>, und an &#x017F;ie und das We&#x017F;en der Individualität<lb/>
knüpft &#x017F;ich der zweite Theil, die <hi rendition="#g">Wirth&#x017F;chaftslehre</hi>.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#g">Die Wirth&#x017F;chaftslehre</hi>. &#x2014; Jede einzelne Per&#x017F;önlichkeit,<lb/>
ihrem We&#x017F;en nach frei und &#x017F;elb&#x017F;tbe&#x017F;timmt, weiß nämlich <hi rendition="#g">&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> ihr<lb/>
eigenes Güterleben zu bilden. Sie erzeugt &#x017F;ich mit ihrem Kapital und<lb/>
ihrer Arbeit, mit ihrer Con&#x017F;umtion und Reproduktion, ihre eigene,<lb/>
ihr per&#x017F;önlich angehörige Güterordnung. Die&#x017F;elbe gewinnt dadurch<lb/>
ihre individuelle Ge&#x017F;talt und ihr individuelles Leben. Die&#x017F;e indi-<lb/>
viduelle Ge&#x017F;talt des Güterlebens i&#x017F;t es, welche wir die <hi rendition="#g">Wirth-<lb/>
&#x017F;chaft</hi> nennen. Die Wirth&#x017F;chaft i&#x017F;t das Güterleben als individuelle<lb/>
Per&#x017F;önlichkeit; &#x017F;ie i&#x017F;t der wirth&#x017F;chaftliche Körper der Per&#x017F;on. Wo aber<lb/>
mehrere &#x017F;olche Per&#x017F;önlichkeiten als Einheit zu&#x017F;ammentreten und ein<lb/>
gemein&#x017F;chaftliches Güterleben erzeugen, &#x017F;prechen wir von einer <hi rendition="#g">Unter-<lb/>
nehmung</hi>. Es i&#x017F;t kein Zweifel, daß Wirth&#x017F;chaft und Unternehmung<lb/>
die beiden Formen &#x017F;ind, in denen &#x017F;ich das Güterleben verwirklicht.<lb/>
Wie der einzelne Men&#x017F;ch die Wirklichkeit des Begriffs des Men&#x017F;chen<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind Wirth&#x017F;chaft und Unternehmen die Wirklichkeit des Begriffs<lb/>
des Güterlebens.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">c)</hi> Die <hi rendition="#g">Volkswirth&#x017F;chaft</hi>. &#x2014; Die&#x017F;e Wirth&#x017F;chaften und Unter-<lb/>
nehmungen er&#x017F;cheinen nun wieder äußerlich zu&#x017F;ammengefaßt durch Land<lb/>
und Volk. Land und Volk &#x017F;ind die beiden Formen, in denen für die<lb/>
ihnen angehörigen Wirth&#x017F;chaften und Unternehmungen <hi rendition="#g">gleichartige</hi><lb/>
Bedingungen geboten werden: im Lande die natürlichen, im Volke die<lb/>
gei&#x017F;tigen. Die&#x017F;elben wei&#x017F;en daher die einzelnen Wirth&#x017F;chaften und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0025] Auf dieſe Weiſe enthält das, was wir die Lehre vom Güterleben an ſich nennen, die großen und allgemeinen Grundbegriffe für Gut, Werth und Güterentwicklung, welche auf dem allgemeinen Weſen der Perſönlichkeit und des natürlichen Daſeins beruhen und daher für alle Einzelnen, für alle Zeiten und Völker eine gleichmäßige, unerſchütter- liche Gültigkeit haben. Die Darſtellung des Güterlebens an ſich gibt daher das, was wir als die ewigen, unabänderlichen organiſchen Geſetze der Nationalökonomie zu bezeichnen haben. Es iſt kein Zweifel, daß die Verwaltungslehre dieſe Geſetze vorauszuſetzen, und ſie, da keine ſtaatliche Macht oder Einrichtung ſie zu verändern vermag, ein- fach als maßgebend anzuerkennen hat. Bezeichnet man dieſe allgemeinen Geſetze und Erſcheinungen des Güterlebens nun als den erſten Theil der Güterlehre, ſo entſtehen der zweite und dritte Theil derſelben dadurch, daß nicht etwa das Güterleben, ſondern das Weſen der Perſönlichkeit, die ſich in ihm be- wegt, ein anderes wird. Die Perſönlichkeit iſt nämlich in der Wirklichkeit zunächſt eine einzelne Perſon, und an ſie und das Weſen der Individualität knüpft ſich der zweite Theil, die Wirthſchaftslehre. b) Die Wirthſchaftslehre. — Jede einzelne Perſönlichkeit, ihrem Weſen nach frei und ſelbſtbeſtimmt, weiß nämlich ſich ſelbſt ihr eigenes Güterleben zu bilden. Sie erzeugt ſich mit ihrem Kapital und ihrer Arbeit, mit ihrer Conſumtion und Reproduktion, ihre eigene, ihr perſönlich angehörige Güterordnung. Dieſelbe gewinnt dadurch ihre individuelle Geſtalt und ihr individuelles Leben. Dieſe indi- viduelle Geſtalt des Güterlebens iſt es, welche wir die Wirth- ſchaft nennen. Die Wirthſchaft iſt das Güterleben als individuelle Perſönlichkeit; ſie iſt der wirthſchaftliche Körper der Perſon. Wo aber mehrere ſolche Perſönlichkeiten als Einheit zuſammentreten und ein gemeinſchaftliches Güterleben erzeugen, ſprechen wir von einer Unter- nehmung. Es iſt kein Zweifel, daß Wirthſchaft und Unternehmung die beiden Formen ſind, in denen ſich das Güterleben verwirklicht. Wie der einzelne Menſch die Wirklichkeit des Begriffs des Menſchen iſt, ſo ſind Wirthſchaft und Unternehmen die Wirklichkeit des Begriffs des Güterlebens. c) Die Volkswirthſchaft. — Dieſe Wirthſchaften und Unter- nehmungen erſcheinen nun wieder äußerlich zuſammengefaßt durch Land und Volk. Land und Volk ſind die beiden Formen, in denen für die ihnen angehörigen Wirthſchaften und Unternehmungen gleichartige Bedingungen geboten werden: im Lande die natürlichen, im Volke die geiſtigen. Dieſelben weiſen daher die einzelnen Wirthſchaften und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/25
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/25>, abgerufen am 26.04.2024.