Die Aufgabe des Enteignungsverfahrens ist es demnach, zuerst den Zweck als einen solchen anzuerkennen, um dessentwillen das Privat- eigenthum überhaupt aufgehoben werden soll; dann die Güter einzeln zu bestimmen, deren Enteignung dafür nothwendig ist; und endlich das Eigenthum wirklich aufzuheben und zu übertragen.
Das ganze Enteignungsverfahren ist daher eine Funktion der Ver- waltung. Das Recht desselben besteht in den Vorschriften, welche die Verwaltung in jedem einzelnen Theile dieses Verfahrens für ihre Ver- ordnungen, Verfügungen und wirklichen Thätigkeiten inne zu halten hat. So weit diese letzteren kein Privatrecht und Interesse betreffen, ist es Sache der höheren Behörden, die Innehaltung des bestehenden Rechts zu überwachen. Wo dagegen der Einzelne sich verletzt glaubt, hat er entweder das Klage- oder das Beschwerderecht, je nach der be- stehenden Gesetzgebung, um jene Thätigkeit der vollziehenden Behörde auf das öffentliche Recht zurückzuführen.
Das System dieses Enteignungsverfahrens und seines Rechts ist daher folgendes.
1) Die Genehmigung des Unternehmens.
Die Genehmigung oder Concession des Unternehmens ist nun für das Enteignungsverfahren die Erklärung (Verfügung oder Erlaß) der vollziehenden Gewalt, vermöge deren der Zweck des Unternehmens als ein solcher anerkannt wird, dem vermöge des allgemeinen Princips der Enteignung das Recht der Enteignung einzelner nothwendiger Güter zugesprochen wird.
Es versteht sich dabei von selbst, daß wenn dieß Recht auf Ent- eignung als selbstverständlich für die Unternehmung erscheint, wie bei Eisenbahnen, die Genehmigung der Enteignung nicht ausdrücklich her- vorgehoben zu werden braucht, sondern das Enteignungsverfahren hier sogleich unter den folgenden Punkt fällt.
Dagegen ist es hier die erste Aufgabe der vollziehenden Gewalt, darüber zu entscheiden, ob die betreffende Unternehmung wirklich einem Zwecke dient, der an sich nothwendig, nur durch Enteignung verwirklicht werden kann.
Die vollziehende Gewalt hat sich dabei an das bestehende Gesetz zu halten. Wo dieß Gesetz ganz allgemein den "öffentlichen Nutzen" fordert, bleibt es dem Ermessen der vollziehenden Gewalt ausschließlich überlassen, jene Genehmigung zu geben. Wo da- gegen (wie im bayerischen Expropriationsgesetz) specielle Gruppen von Unternehmungen aufgestellt sind, welche das Enteignungsrecht fordern
Die Aufgabe des Enteignungsverfahrens iſt es demnach, zuerſt den Zweck als einen ſolchen anzuerkennen, um deſſentwillen das Privat- eigenthum überhaupt aufgehoben werden ſoll; dann die Güter einzeln zu beſtimmen, deren Enteignung dafür nothwendig iſt; und endlich das Eigenthum wirklich aufzuheben und zu übertragen.
Das ganze Enteignungsverfahren iſt daher eine Funktion der Ver- waltung. Das Recht deſſelben beſteht in den Vorſchriften, welche die Verwaltung in jedem einzelnen Theile dieſes Verfahrens für ihre Ver- ordnungen, Verfügungen und wirklichen Thätigkeiten inne zu halten hat. So weit dieſe letzteren kein Privatrecht und Intereſſe betreffen, iſt es Sache der höheren Behörden, die Innehaltung des beſtehenden Rechts zu überwachen. Wo dagegen der Einzelne ſich verletzt glaubt, hat er entweder das Klage- oder das Beſchwerderecht, je nach der be- ſtehenden Geſetzgebung, um jene Thätigkeit der vollziehenden Behörde auf das öffentliche Recht zurückzuführen.
Das Syſtem dieſes Enteignungsverfahrens und ſeines Rechts iſt daher folgendes.
1) Die Genehmigung des Unternehmens.
Die Genehmigung oder Conceſſion des Unternehmens iſt nun für das Enteignungsverfahren die Erklärung (Verfügung oder Erlaß) der vollziehenden Gewalt, vermöge deren der Zweck des Unternehmens als ein ſolcher anerkannt wird, dem vermöge des allgemeinen Princips der Enteignung das Recht der Enteignung einzelner nothwendiger Güter zugeſprochen wird.
Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß wenn dieß Recht auf Ent- eignung als ſelbſtverſtändlich für die Unternehmung erſcheint, wie bei Eiſenbahnen, die Genehmigung der Enteignung nicht ausdrücklich her- vorgehoben zu werden braucht, ſondern das Enteignungsverfahren hier ſogleich unter den folgenden Punkt fällt.
Dagegen iſt es hier die erſte Aufgabe der vollziehenden Gewalt, darüber zu entſcheiden, ob die betreffende Unternehmung wirklich einem Zwecke dient, der an ſich nothwendig, nur durch Enteignung verwirklicht werden kann.
Die vollziehende Gewalt hat ſich dabei an das beſtehende Geſetz zu halten. Wo dieß Geſetz ganz allgemein den „öffentlichen Nutzen“ fordert, bleibt es dem Ermeſſen der vollziehenden Gewalt ausſchließlich überlaſſen, jene Genehmigung zu geben. Wo da- gegen (wie im bayeriſchen Expropriationsgeſetz) ſpecielle Gruppen von Unternehmungen aufgeſtellt ſind, welche das Enteignungsrecht fordern
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Die Aufgabe des Enteignungsverfahrens iſt es demnach, zuerſt
den Zweck als einen ſolchen anzuerkennen, um deſſentwillen das Privat-
eigenthum überhaupt aufgehoben werden ſoll; dann die Güter einzeln
zu beſtimmen, deren Enteignung dafür nothwendig iſt; und endlich das
Eigenthum wirklich aufzuheben und zu übertragen.
Das ganze Enteignungsverfahren iſt daher eine Funktion der Ver-
waltung. Das Recht deſſelben beſteht in den Vorſchriften, welche die
Verwaltung in jedem einzelnen Theile dieſes Verfahrens für ihre Ver-
ordnungen, Verfügungen und wirklichen Thätigkeiten inne zu halten
hat. So weit dieſe letzteren kein Privatrecht und Intereſſe betreffen,
iſt es Sache der höheren Behörden, die Innehaltung des beſtehenden
Rechts zu überwachen. Wo dagegen der Einzelne ſich verletzt glaubt,
hat er entweder das Klage- oder das Beſchwerderecht, je nach der be-
ſtehenden Geſetzgebung, um jene Thätigkeit der vollziehenden Behörde
auf das öffentliche Recht zurückzuführen.
Das Syſtem dieſes Enteignungsverfahrens und ſeines Rechts iſt
daher folgendes.
1) Die Genehmigung des Unternehmens.
Die Genehmigung oder Conceſſion des Unternehmens iſt nun für
das Enteignungsverfahren die Erklärung (Verfügung oder Erlaß) der
vollziehenden Gewalt, vermöge deren der Zweck des Unternehmens als
ein ſolcher anerkannt wird, dem vermöge des allgemeinen Princips der
Enteignung das Recht der Enteignung einzelner nothwendiger Güter
zugeſprochen wird.
Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß wenn dieß Recht auf Ent-
eignung als ſelbſtverſtändlich für die Unternehmung erſcheint, wie bei
Eiſenbahnen, die Genehmigung der Enteignung nicht ausdrücklich her-
vorgehoben zu werden braucht, ſondern das Enteignungsverfahren hier
ſogleich unter den folgenden Punkt fällt.
Dagegen iſt es hier die erſte Aufgabe der vollziehenden Gewalt,
darüber zu entſcheiden, ob die betreffende Unternehmung wirklich einem
Zwecke dient, der an ſich nothwendig, nur durch Enteignung verwirklicht
werden kann.
Die vollziehende Gewalt hat ſich dabei an das beſtehende Geſetz
zu halten. Wo dieß Geſetz ganz allgemein den „öffentlichen Nutzen“
fordert, bleibt es dem Ermeſſen der vollziehenden Gewalt
ausſchließlich überlaſſen, jene Genehmigung zu geben. Wo da-
gegen (wie im bayeriſchen Expropriationsgeſetz) ſpecielle Gruppen von
Unternehmungen aufgeſtellt ſind, welche das Enteignungsrecht fordern
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/343>, abgerufen am 22.02.2025.
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