Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Unternehmungen auf einander an; sie geben denselben durch die in
ihnen liegenden objektiven, unabweisbaren Momente eine gewisse Ge-
meinschaft in Auffassung und Thätigkeit, in Stoff und Arbeit, in
Produktion und Consumtion, in Kapitalbildung, Credit und äußerer
wirthschaftlicher Sitte; und diese Gemeinschaft, auf den Thatsachen
des Landes und Volkes basirt, erzeugt das, was wir die Volks-
wirthschaft
nennen.

Dieß nun sind die elementaren Begriffe der Nationalökonomie.
Die Wissenschaft des Güterlebens hat sie auszuführen. Um von ihr
weiter zu gelangen, müssen wir eben den Begriff der Persönlichkeit
als die Grundlage der Gestaltung des Güterlebens weiter entwickeln.

2) Die Staatswirthschaft.

Diejenige Gestalt der Persönlichkeit nun, welche eine neue Gestalt
des Güterlebens neben und über Wirthschaft und Volkswirthschaft
erzeugt, ist der Staat. Es liegt uns fern, hier auf den Begriff des
Staats an sich zurückzukommen; allein so viel Vorstellungen sich auch
über das Wesen des Staats kreuzen und scheiden, darüber sind alle
einig, daß er sein selbständiges wirthschaftliches Leben, das nach seiner
Natur, und bei jedem wirklichen Staate nach seiner Individualität
geartet ist, nicht bloß theoretisch haben muß, sondern auch praktisch
hat. Und diese individuelle Wirthschaft des persönlichen Staats nennen
wir die Staatswirthschaft.

Begriff und Inhalt der Staatswirthschaft entstehen daher durch
die Anwendung des Begriffs der Wirthschaft auf den Staat; und dieß
ist zugleich der Punkt, der die Staatswirthschaft von der Volkswirth-
schaftspflege definitiv scheidet. Das Wesen jeder Wirthschaft nämlich
beruht darauf, daß in ihr die einzelne, wirthschaftende Persönlichkeit
ihr eigener persönlicher Zweck ist, und alle Elemente und Gesetze des
Güterlebens nur gebraucht, um das eigene Interesse zu fördern. Die
Gränze ihrer Thätigkeit ist hier deßhalb nur da gegeben, wo das was
sie nimmt, zuletzt ihrem eigenen Interesse nachtheilig, aber das was
sie thut, ihrem eigenen Interesse vortheilhaft werden kann. Jede
Wirthschaft, und so naturgemäß auch die Staatswirthschaft, hat zuletzt
nur sich selbst im Auge. Die Wirthschaft kennt an sich kein Opfer,
keine Hingabe, keine Sorge für Andere als für sich, sie nimmt jedes
andere wirthschaftliche Leben nur so weit in sich auf, als es Nachtheil
oder Vortheil bringt; ohne dieses Wesen der Wirthschaft ist sie selbst
gar nicht denkbar. Ist dem so, so ist dem auch so für den Staat und
seine Wirthschaft; sie ist nur für den Staat als Individuum vor-

Unternehmungen auf einander an; ſie geben denſelben durch die in
ihnen liegenden objektiven, unabweisbaren Momente eine gewiſſe Ge-
meinſchaft in Auffaſſung und Thätigkeit, in Stoff und Arbeit, in
Produktion und Conſumtion, in Kapitalbildung, Credit und äußerer
wirthſchaftlicher Sitte; und dieſe Gemeinſchaft, auf den Thatſachen
des Landes und Volkes baſirt, erzeugt das, was wir die Volks-
wirthſchaft
nennen.

Dieß nun ſind die elementaren Begriffe der Nationalökonomie.
Die Wiſſenſchaft des Güterlebens hat ſie auszuführen. Um von ihr
weiter zu gelangen, müſſen wir eben den Begriff der Perſönlichkeit
als die Grundlage der Geſtaltung des Güterlebens weiter entwickeln.

2) Die Staatswirthſchaft.

Diejenige Geſtalt der Perſönlichkeit nun, welche eine neue Geſtalt
des Güterlebens neben und über Wirthſchaft und Volkswirthſchaft
erzeugt, iſt der Staat. Es liegt uns fern, hier auf den Begriff des
Staats an ſich zurückzukommen; allein ſo viel Vorſtellungen ſich auch
über das Weſen des Staats kreuzen und ſcheiden, darüber ſind alle
einig, daß er ſein ſelbſtändiges wirthſchaftliches Leben, das nach ſeiner
Natur, und bei jedem wirklichen Staate nach ſeiner Individualität
geartet iſt, nicht bloß theoretiſch haben muß, ſondern auch praktiſch
hat. Und dieſe individuelle Wirthſchaft des perſönlichen Staats nennen
wir die Staatswirthſchaft.

Begriff und Inhalt der Staatswirthſchaft entſtehen daher durch
die Anwendung des Begriffs der Wirthſchaft auf den Staat; und dieß
iſt zugleich der Punkt, der die Staatswirthſchaft von der Volkswirth-
ſchaftspflege definitiv ſcheidet. Das Weſen jeder Wirthſchaft nämlich
beruht darauf, daß in ihr die einzelne, wirthſchaftende Perſönlichkeit
ihr eigener perſönlicher Zweck iſt, und alle Elemente und Geſetze des
Güterlebens nur gebraucht, um das eigene Intereſſe zu fördern. Die
Gränze ihrer Thätigkeit iſt hier deßhalb nur da gegeben, wo das was
ſie nimmt, zuletzt ihrem eigenen Intereſſe nachtheilig, aber das was
ſie thut, ihrem eigenen Intereſſe vortheilhaft werden kann. Jede
Wirthſchaft, und ſo naturgemäß auch die Staatswirthſchaft, hat zuletzt
nur ſich ſelbſt im Auge. Die Wirthſchaft kennt an ſich kein Opfer,
keine Hingabe, keine Sorge für Andere als für ſich, ſie nimmt jedes
andere wirthſchaftliche Leben nur ſo weit in ſich auf, als es Nachtheil
oder Vortheil bringt; ohne dieſes Weſen der Wirthſchaft iſt ſie ſelbſt
gar nicht denkbar. Iſt dem ſo, ſo iſt dem auch ſo für den Staat und
ſeine Wirthſchaft; ſie iſt nur für den Staat als Individuum vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0026" n="8"/>
Unternehmungen auf einander an; &#x017F;ie geben den&#x017F;elben durch die in<lb/>
ihnen liegenden objektiven, unabweisbaren Momente eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ge-<lb/>
mein&#x017F;chaft in Auffa&#x017F;&#x017F;ung und Thätigkeit, in Stoff und Arbeit, in<lb/>
Produktion und Con&#x017F;umtion, in Kapitalbildung, Credit und äußerer<lb/>
wirth&#x017F;chaftlicher Sitte; und die&#x017F;e Gemein&#x017F;chaft, auf den <hi rendition="#g">That&#x017F;achen</hi><lb/>
des Landes und Volkes ba&#x017F;irt, erzeugt das, was wir die <hi rendition="#g">Volks-<lb/>
wirth&#x017F;chaft</hi> nennen.</p><lb/>
              <p>Dieß nun &#x017F;ind die elementaren Begriffe der Nationalökonomie.<lb/>
Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft des Güterlebens hat &#x017F;ie auszuführen. Um von ihr<lb/>
weiter zu gelangen, mü&#x017F;&#x017F;en wir eben den Begriff der Per&#x017F;önlichkeit<lb/>
als die Grundlage der Ge&#x017F;taltung des Güterlebens weiter entwickeln.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>2) <hi rendition="#g">Die Staatswirth&#x017F;chaft</hi>.</head><lb/>
              <p>Diejenige Ge&#x017F;talt der Per&#x017F;önlichkeit nun, welche eine neue Ge&#x017F;talt<lb/>
des Güterlebens neben und über Wirth&#x017F;chaft und Volkswirth&#x017F;chaft<lb/>
erzeugt, i&#x017F;t der Staat. Es liegt uns fern, hier auf den Begriff des<lb/>
Staats an &#x017F;ich zurückzukommen; allein &#x017F;o viel Vor&#x017F;tellungen &#x017F;ich auch<lb/>
über das We&#x017F;en des Staats kreuzen und &#x017F;cheiden, darüber &#x017F;ind alle<lb/>
einig, daß er &#x017F;ein &#x017F;elb&#x017F;tändiges wirth&#x017F;chaftliches Leben, das nach &#x017F;einer<lb/>
Natur, und bei jedem wirklichen Staate nach &#x017F;einer Individualität<lb/>
geartet i&#x017F;t, nicht bloß theoreti&#x017F;ch haben muß, &#x017F;ondern auch prakti&#x017F;ch<lb/><hi rendition="#g">hat</hi>. Und die&#x017F;e individuelle Wirth&#x017F;chaft des per&#x017F;önlichen Staats nennen<lb/>
wir die <hi rendition="#g">Staatswirth&#x017F;chaft</hi>.</p><lb/>
              <p>Begriff und Inhalt der Staatswirth&#x017F;chaft ent&#x017F;tehen daher durch<lb/>
die Anwendung des Begriffs der Wirth&#x017F;chaft auf den Staat; und dieß<lb/>
i&#x017F;t zugleich der Punkt, der die Staatswirth&#x017F;chaft von der Volkswirth-<lb/>
&#x017F;chaftspflege definitiv &#x017F;cheidet. Das We&#x017F;en jeder Wirth&#x017F;chaft nämlich<lb/>
beruht darauf, daß in ihr die einzelne, wirth&#x017F;chaftende Per&#x017F;önlichkeit<lb/>
ihr eigener per&#x017F;önlicher <hi rendition="#g">Zweck</hi> i&#x017F;t, und alle Elemente und Ge&#x017F;etze des<lb/>
Güterlebens nur gebraucht, um das eigene Intere&#x017F;&#x017F;e zu fördern. Die<lb/>
Gränze ihrer Thätigkeit i&#x017F;t hier deßhalb nur da gegeben, wo das was<lb/>
&#x017F;ie nimmt, zuletzt ihrem eigenen Intere&#x017F;&#x017F;e nachtheilig, aber das was<lb/>
&#x017F;ie thut, ihrem eigenen Intere&#x017F;&#x017F;e vortheilhaft werden kann. Jede<lb/>
Wirth&#x017F;chaft, und &#x017F;o naturgemäß auch die Staatswirth&#x017F;chaft, hat zuletzt<lb/>
nur <hi rendition="#g">&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> im Auge. Die Wirth&#x017F;chaft kennt an &#x017F;ich kein Opfer,<lb/>
keine Hingabe, keine Sorge für Andere als für &#x017F;ich, &#x017F;ie nimmt jedes<lb/>
andere wirth&#x017F;chaftliche Leben nur &#x017F;o weit in &#x017F;ich auf, als es Nachtheil<lb/>
oder Vortheil bringt; ohne die&#x017F;es We&#x017F;en der Wirth&#x017F;chaft i&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
gar nicht denkbar. I&#x017F;t dem &#x017F;o, &#x017F;o i&#x017F;t dem auch &#x017F;o für den Staat und<lb/>
&#x017F;eine Wirth&#x017F;chaft; &#x017F;ie i&#x017F;t nur für den Staat als Individuum vor-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0026] Unternehmungen auf einander an; ſie geben denſelben durch die in ihnen liegenden objektiven, unabweisbaren Momente eine gewiſſe Ge- meinſchaft in Auffaſſung und Thätigkeit, in Stoff und Arbeit, in Produktion und Conſumtion, in Kapitalbildung, Credit und äußerer wirthſchaftlicher Sitte; und dieſe Gemeinſchaft, auf den Thatſachen des Landes und Volkes baſirt, erzeugt das, was wir die Volks- wirthſchaft nennen. Dieß nun ſind die elementaren Begriffe der Nationalökonomie. Die Wiſſenſchaft des Güterlebens hat ſie auszuführen. Um von ihr weiter zu gelangen, müſſen wir eben den Begriff der Perſönlichkeit als die Grundlage der Geſtaltung des Güterlebens weiter entwickeln. 2) Die Staatswirthſchaft. Diejenige Geſtalt der Perſönlichkeit nun, welche eine neue Geſtalt des Güterlebens neben und über Wirthſchaft und Volkswirthſchaft erzeugt, iſt der Staat. Es liegt uns fern, hier auf den Begriff des Staats an ſich zurückzukommen; allein ſo viel Vorſtellungen ſich auch über das Weſen des Staats kreuzen und ſcheiden, darüber ſind alle einig, daß er ſein ſelbſtändiges wirthſchaftliches Leben, das nach ſeiner Natur, und bei jedem wirklichen Staate nach ſeiner Individualität geartet iſt, nicht bloß theoretiſch haben muß, ſondern auch praktiſch hat. Und dieſe individuelle Wirthſchaft des perſönlichen Staats nennen wir die Staatswirthſchaft. Begriff und Inhalt der Staatswirthſchaft entſtehen daher durch die Anwendung des Begriffs der Wirthſchaft auf den Staat; und dieß iſt zugleich der Punkt, der die Staatswirthſchaft von der Volkswirth- ſchaftspflege definitiv ſcheidet. Das Weſen jeder Wirthſchaft nämlich beruht darauf, daß in ihr die einzelne, wirthſchaftende Perſönlichkeit ihr eigener perſönlicher Zweck iſt, und alle Elemente und Geſetze des Güterlebens nur gebraucht, um das eigene Intereſſe zu fördern. Die Gränze ihrer Thätigkeit iſt hier deßhalb nur da gegeben, wo das was ſie nimmt, zuletzt ihrem eigenen Intereſſe nachtheilig, aber das was ſie thut, ihrem eigenen Intereſſe vortheilhaft werden kann. Jede Wirthſchaft, und ſo naturgemäß auch die Staatswirthſchaft, hat zuletzt nur ſich ſelbſt im Auge. Die Wirthſchaft kennt an ſich kein Opfer, keine Hingabe, keine Sorge für Andere als für ſich, ſie nimmt jedes andere wirthſchaftliche Leben nur ſo weit in ſich auf, als es Nachtheil oder Vortheil bringt; ohne dieſes Weſen der Wirthſchaft iſt ſie ſelbſt gar nicht denkbar. Iſt dem ſo, ſo iſt dem auch ſo für den Staat und ſeine Wirthſchaft; ſie iſt nur für den Staat als Individuum vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/26
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/26>, abgerufen am 22.12.2024.