Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.und Oertlichkeiten aufgefaßt, daß derselbe dadurch das lebendige Ele- Es wird demnach darauf ankommen, den allgemeinen Charakter II. Die Ausbildung der bäuerlichen Unfreiheit durch die Geschlechter bis nach dem dreißigjährigen Krieg. Es ist keine Frage mehr, daß Deutschland die Heimath der ur- und Oertlichkeiten aufgefaßt, daß derſelbe dadurch das lebendige Ele- Es wird demnach darauf ankommen, den allgemeinen Charakter II. Die Ausbildung der bäuerlichen Unfreiheit durch die Geſchlechter bis nach dem dreißigjährigen Krieg. Es iſt keine Frage mehr, daß Deutſchland die Heimath der ur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0170" n="152"/> und Oertlichkeiten aufgefaßt, daß derſelbe dadurch das lebendige Ele-<lb/> ment des Werdens und Lebens vielfach zu verlieren in Gefahr iſt;<lb/> am meiſten durch den einſeitigen Grundſatz, daß die Auffaſſung des<lb/> Ganzen unberechtigt ſein ſoll, ſo lange nicht <hi rendition="#g">jede</hi> Einzelheit von der-<lb/> ſelben verarbeitet iſt. Warum ſollen jedoch nicht beide Elemente mit<lb/> gleichem Rechte neben einander gehen? Die Anſchauung des europäi-<lb/> ſchen Geſammtlebens aber iſt beſtimmt, der deutſchen Gelehrſamkeit zu<lb/> zeigen, daß wenn ſie ſelbſt auch keine Gränze hat, ſie doch allein dieſe<lb/> Gränze nicht ausfüllen kann.</p><lb/> <p>Es wird demnach darauf ankommen, den allgemeinen Charakter<lb/> jener Zuſtände dadurch zu bezeichnen, daß man die reichen Ergebniſſe<lb/> der deutſchen Rechtsgeſchichte und des deutſchen Privatrechts, wie ſie<lb/> durch Männer wie Eichhorn im Ganzen erkannt und durch Männer<lb/> wie Mittermaier im Einzelnen geſammelt ſind, in ihrem Verhältniß<lb/> zum hiſtoriſchen Entwicklungsproceß zuſammenfaßt.</p> </div><lb/> <div n="6"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Ausbildung der bäuerlichen Unfreiheit durch die Geſchlechter bis<lb/> nach dem dreißigjährigen Krieg.</hi> </head><lb/> <p>Es iſt keine Frage mehr, daß Deutſchland die Heimath der ur-<lb/> ſprünglichen bäuerlichen Geſchlechterordnung iſt, mit dem freien Bauern<lb/> und ſeiner Hufe, der gemeinſamen Almend, und dem unfreien, ſchon<lb/> von Anfang an leibeigenen Hinterſaſſen. Niemand hat dieß beſſer dar-<lb/> geſtellt, als <hi rendition="#g">Maurer</hi> in ſeiner „Geſchichte der Markenverfaſſung“ auf<lb/> den wir ſpeciell für Deutſchland in erſter Linie verweiſen. Nur hat<lb/> er nicht beſtimmt genug das Weſen des <hi rendition="#g">dritten</hi> großen Elements der<lb/> Geſchlechterepoche in ſeiner Selbſtändigkeit hervorgehoben; er zeigt uns<lb/> daher mehr Zuſtände, als einen lebendigen Proceß der Geſchichte. In<lb/> der That nämlich ward jenes einfache Verhältniß vermöge der inneren<lb/> und äußeren Kriege und andrer Umſtände allmählig durch das dritte<lb/> Element der Geſchlechterordnung, die herrſchende Klaſſe der Grundherren,<lb/> überragt. Anfänglich ſtehen hier wie in ganz Europa jene drei Klaſſen<lb/> unvermittelt neben einander. Die Verhältniſſe des Grundbeſitzes, als<lb/> der faſt ausſchließlich herrſchenden Form des Capitals, übernehmen<lb/> jedoch alsbald die Vermittlung weſentlich in derſelben Weiſe, wie im<lb/> übrigen Europa. Der Herr verleiht ſeinen überflüſſigen Grund und<lb/> Boden theils an ſeine Leibeigenen, theils auch an die Söhne der freien<lb/> Bauern, theils behält er am Hofe einige perſönliche Leibeigenen ohne<lb/> verliehenen Grundbeſitz. Die urſprünglich ganz freien Bauern aber<lb/> müſſen ſich vielfach dazu verſtehen, ihren ganz freien Grundbeſitz<lb/> dem großen Grundherrn zu Lehen aufzutragen. Damit beginnt hier<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0170]
und Oertlichkeiten aufgefaßt, daß derſelbe dadurch das lebendige Ele-
ment des Werdens und Lebens vielfach zu verlieren in Gefahr iſt;
am meiſten durch den einſeitigen Grundſatz, daß die Auffaſſung des
Ganzen unberechtigt ſein ſoll, ſo lange nicht jede Einzelheit von der-
ſelben verarbeitet iſt. Warum ſollen jedoch nicht beide Elemente mit
gleichem Rechte neben einander gehen? Die Anſchauung des europäi-
ſchen Geſammtlebens aber iſt beſtimmt, der deutſchen Gelehrſamkeit zu
zeigen, daß wenn ſie ſelbſt auch keine Gränze hat, ſie doch allein dieſe
Gränze nicht ausfüllen kann.
Es wird demnach darauf ankommen, den allgemeinen Charakter
jener Zuſtände dadurch zu bezeichnen, daß man die reichen Ergebniſſe
der deutſchen Rechtsgeſchichte und des deutſchen Privatrechts, wie ſie
durch Männer wie Eichhorn im Ganzen erkannt und durch Männer
wie Mittermaier im Einzelnen geſammelt ſind, in ihrem Verhältniß
zum hiſtoriſchen Entwicklungsproceß zuſammenfaßt.
II. Die Ausbildung der bäuerlichen Unfreiheit durch die Geſchlechter bis
nach dem dreißigjährigen Krieg.
Es iſt keine Frage mehr, daß Deutſchland die Heimath der ur-
ſprünglichen bäuerlichen Geſchlechterordnung iſt, mit dem freien Bauern
und ſeiner Hufe, der gemeinſamen Almend, und dem unfreien, ſchon
von Anfang an leibeigenen Hinterſaſſen. Niemand hat dieß beſſer dar-
geſtellt, als Maurer in ſeiner „Geſchichte der Markenverfaſſung“ auf
den wir ſpeciell für Deutſchland in erſter Linie verweiſen. Nur hat
er nicht beſtimmt genug das Weſen des dritten großen Elements der
Geſchlechterepoche in ſeiner Selbſtändigkeit hervorgehoben; er zeigt uns
daher mehr Zuſtände, als einen lebendigen Proceß der Geſchichte. In
der That nämlich ward jenes einfache Verhältniß vermöge der inneren
und äußeren Kriege und andrer Umſtände allmählig durch das dritte
Element der Geſchlechterordnung, die herrſchende Klaſſe der Grundherren,
überragt. Anfänglich ſtehen hier wie in ganz Europa jene drei Klaſſen
unvermittelt neben einander. Die Verhältniſſe des Grundbeſitzes, als
der faſt ausſchließlich herrſchenden Form des Capitals, übernehmen
jedoch alsbald die Vermittlung weſentlich in derſelben Weiſe, wie im
übrigen Europa. Der Herr verleiht ſeinen überflüſſigen Grund und
Boden theils an ſeine Leibeigenen, theils auch an die Söhne der freien
Bauern, theils behält er am Hofe einige perſönliche Leibeigenen ohne
verliehenen Grundbeſitz. Die urſprünglich ganz freien Bauern aber
müſſen ſich vielfach dazu verſtehen, ihren ganz freien Grundbeſitz
dem großen Grundherrn zu Lehen aufzutragen. Damit beginnt hier
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |