Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

man sucht." Eine schärfere und zugleich schlagendere Kritik als die
Worte des hochbedeutenden Mannes für Gesetze, wie den Bundes-
beschluß von 1854, gibt es nicht; uns will scheinen, als wären die
Schriftsteller unserer Zeit gegenüber solchen Männern nicht berufen,
sie zu vergessen; höher steht auch bei den besten der Gegenwart weder
das Gefühl der Freiheit noch das Verständniß der Sache als bei diesen
tapfern Vorkämpfern für Güter, die wir genießen.

V. Die Geschichte des Rechts der Presse.
1) Die Elemente der Geschichte.

Obwohl nun die Elemente dieser Geschichte bereits in der bisherigen
Darstellung enthalten sind, so wird es dennoch nothwendig, sie in ihrer
speciellen Beziehung zu dem großen Ganzen der Rechtsbildung hier zu-
sammenzufassen. Es bedarf dabei wohl keiner besondern Nachweisung,
daß die Geschichte der Presse selbst etwas ganz anderes ist und enthält,
und daher von der Verwaltungslehre gar nicht berührt wird. Dagegen
ist der Unterschied der Hauptformen der Presse allerdings ein auch für
die Rechtsbildung wesentlicher und wir müssen daher für dieselben auf
das Frühere zurückweisen.

Die Grundlage dieser Geschichte ist das, was wir die sociale
Funktion der Presse
genannt haben. Das Wesen derselben besteht
in der Vertheilung der geistigen Güter an alle Klassen und Stände
der Gesellschaft ohne Unterschied, eine Vertheilung, welche darauf beruht,
daß die geistigen Güter durch die Vertheilung an Viele dem entgegen-
gesetzten Verhältniß unterliegen, wie die wirthschaftlichen; denn wäh-
rend bei den letzteren durch die Vertheilung der Antheil sich vermindert,
das auf jeden Einzelnen fällt, steigt dieser Antheil bei den geistigen
Gütern. Dadurch ist die Presse der große nie ruhende und aus sich
selbst seine eigene Kraft schöpfende Faktor des socialen Fortschritts;
indem sie die niedern Klassen in geistiger Beziehung gleich reich macht
mit den höheren, verwischt sie den tiefern Kern des Unterschiedes, hebt
das höhere geistige Princip der Ungleichheit in Recht und Gesellschaft
auf, und indem sie somit die abstrakte Idee der gleichen Bestimmung
aller Persönlichkeit in Kenntniß und Denkkraft verwirklicht, wie die
Religion es in Glaube und Liebe thut, wird sie der natürliche Gegner
jeder, auf rechtlichen Unterschieden beruhenden gesellschaftlichen Ordnung.

Dieß nun wird sie ihrerseits niemals durch das, was dem eigent-
lichen Straf- und Polizeirecht der Presse unterliegt, die einzelne
Aeußerung, mag dieselbe sonst so verbrecherisch sein wie sie will. Sie
wird es vielmehr eben durch das, was wir den geistigen Inhalt der

man ſucht.“ Eine ſchärfere und zugleich ſchlagendere Kritik als die
Worte des hochbedeutenden Mannes für Geſetze, wie den Bundes-
beſchluß von 1854, gibt es nicht; uns will ſcheinen, als wären die
Schriftſteller unſerer Zeit gegenüber ſolchen Männern nicht berufen,
ſie zu vergeſſen; höher ſteht auch bei den beſten der Gegenwart weder
das Gefühl der Freiheit noch das Verſtändniß der Sache als bei dieſen
tapfern Vorkämpfern für Güter, die wir genießen.

V. Die Geſchichte des Rechts der Preſſe.
1) Die Elemente der Geſchichte.

Obwohl nun die Elemente dieſer Geſchichte bereits in der bisherigen
Darſtellung enthalten ſind, ſo wird es dennoch nothwendig, ſie in ihrer
ſpeciellen Beziehung zu dem großen Ganzen der Rechtsbildung hier zu-
ſammenzufaſſen. Es bedarf dabei wohl keiner beſondern Nachweiſung,
daß die Geſchichte der Preſſe ſelbſt etwas ganz anderes iſt und enthält,
und daher von der Verwaltungslehre gar nicht berührt wird. Dagegen
iſt der Unterſchied der Hauptformen der Preſſe allerdings ein auch für
die Rechtsbildung weſentlicher und wir müſſen daher für dieſelben auf
das Frühere zurückweiſen.

Die Grundlage dieſer Geſchichte iſt das, was wir die ſociale
Funktion der Preſſe
genannt haben. Das Weſen derſelben beſteht
in der Vertheilung der geiſtigen Güter an alle Klaſſen und Stände
der Geſellſchaft ohne Unterſchied, eine Vertheilung, welche darauf beruht,
daß die geiſtigen Güter durch die Vertheilung an Viele dem entgegen-
geſetzten Verhältniß unterliegen, wie die wirthſchaftlichen; denn wäh-
rend bei den letzteren durch die Vertheilung der Antheil ſich vermindert,
das auf jeden Einzelnen fällt, ſteigt dieſer Antheil bei den geiſtigen
Gütern. Dadurch iſt die Preſſe der große nie ruhende und aus ſich
ſelbſt ſeine eigene Kraft ſchöpfende Faktor des ſocialen Fortſchritts;
indem ſie die niedern Klaſſen in geiſtiger Beziehung gleich reich macht
mit den höheren, verwiſcht ſie den tiefern Kern des Unterſchiedes, hebt
das höhere geiſtige Princip der Ungleichheit in Recht und Geſellſchaft
auf, und indem ſie ſomit die abſtrakte Idee der gleichen Beſtimmung
aller Perſönlichkeit in Kenntniß und Denkkraft verwirklicht, wie die
Religion es in Glaube und Liebe thut, wird ſie der natürliche Gegner
jeder, auf rechtlichen Unterſchieden beruhenden geſellſchaftlichen Ordnung.

Dieß nun wird ſie ihrerſeits niemals durch das, was dem eigent-
lichen Straf- und Polizeirecht der Preſſe unterliegt, die einzelne
Aeußerung, mag dieſelbe ſonſt ſo verbrecheriſch ſein wie ſie will. Sie
wird es vielmehr eben durch das, was wir den geiſtigen Inhalt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0110" n="94"/>
man &#x017F;ucht.&#x201C; Eine &#x017F;chärfere und zugleich &#x017F;chlagendere Kritik als die<lb/>
Worte des hochbedeutenden Mannes für Ge&#x017F;etze, wie den Bundes-<lb/>
be&#x017F;chluß von 1854, gibt es nicht; uns will &#x017F;cheinen, als wären die<lb/>
Schrift&#x017F;teller un&#x017F;erer Zeit gegenüber &#x017F;olchen Männern <hi rendition="#g">nicht</hi> berufen,<lb/>
&#x017F;ie zu verge&#x017F;&#x017F;en; höher &#x017F;teht auch bei den be&#x017F;ten der Gegenwart weder<lb/>
das Gefühl der Freiheit noch das Ver&#x017F;tändniß der Sache als bei die&#x017F;en<lb/>
tapfern Vorkämpfern für Güter, die wir genießen.</p>
                </div>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Die Ge&#x017F;chichte des Rechts der Pre&#x017F;&#x017F;e.</hi> </head><lb/>
              <div n="5">
                <head>1) <hi rendition="#g">Die Elemente der Ge&#x017F;chichte</hi>.</head><lb/>
                <p>Obwohl nun die Elemente die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte bereits in der bisherigen<lb/>
Dar&#x017F;tellung enthalten &#x017F;ind, &#x017F;o wird es dennoch nothwendig, &#x017F;ie in ihrer<lb/>
&#x017F;peciellen Beziehung zu dem großen Ganzen der Rechtsbildung hier zu-<lb/>
&#x017F;ammenzufa&#x017F;&#x017F;en. Es bedarf dabei wohl keiner be&#x017F;ondern Nachwei&#x017F;ung,<lb/>
daß die Ge&#x017F;chichte der Pre&#x017F;&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t etwas ganz anderes i&#x017F;t und enthält,<lb/>
und daher von der Verwaltungslehre gar nicht berührt wird. Dagegen<lb/>
i&#x017F;t der Unter&#x017F;chied der Hauptformen der Pre&#x017F;&#x017F;e allerdings ein auch für<lb/>
die Rechtsbildung we&#x017F;entlicher und wir mü&#x017F;&#x017F;en daher für die&#x017F;elben auf<lb/>
das Frühere zurückwei&#x017F;en.</p><lb/>
                <p>Die Grundlage die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte i&#x017F;t das, was wir die <hi rendition="#g">&#x017F;ociale<lb/>
Funktion der Pre&#x017F;&#x017F;e</hi> genannt haben. Das We&#x017F;en der&#x017F;elben be&#x017F;teht<lb/>
in der Vertheilung der gei&#x017F;tigen Güter an <hi rendition="#g">alle</hi> Kla&#x017F;&#x017F;en und Stände<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ohne Unter&#x017F;chied, eine Vertheilung, welche darauf beruht,<lb/>
daß die gei&#x017F;tigen Güter durch die Vertheilung an Viele dem entgegen-<lb/>
ge&#x017F;etzten Verhältniß unterliegen, wie die wirth&#x017F;chaftlichen; denn wäh-<lb/>
rend bei den letzteren durch die Vertheilung der Antheil &#x017F;ich vermindert,<lb/>
das auf jeden Einzelnen fällt, <hi rendition="#g">&#x017F;teigt</hi> die&#x017F;er Antheil bei den gei&#x017F;tigen<lb/>
Gütern. Dadurch i&#x017F;t die Pre&#x017F;&#x017F;e der große nie ruhende und aus &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine eigene Kraft &#x017F;chöpfende Faktor des &#x017F;ocialen Fort&#x017F;chritts;<lb/>
indem &#x017F;ie die niedern Kla&#x017F;&#x017F;en in gei&#x017F;tiger Beziehung gleich reich macht<lb/>
mit den höheren, verwi&#x017F;cht &#x017F;ie den tiefern Kern des Unter&#x017F;chiedes, hebt<lb/>
das höhere gei&#x017F;tige Princip der Ungleichheit in Recht und Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
auf, und indem &#x017F;ie &#x017F;omit die ab&#x017F;trakte Idee der gleichen Be&#x017F;timmung<lb/>
aller Per&#x017F;önlichkeit in Kenntniß und Denkkraft verwirklicht, wie die<lb/>
Religion es in Glaube und Liebe thut, wird &#x017F;ie der natürliche Gegner<lb/>
jeder, auf rechtlichen Unter&#x017F;chieden beruhenden ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Ordnung.</p><lb/>
                <p>Dieß nun wird &#x017F;ie ihrer&#x017F;eits niemals durch das, was dem eigent-<lb/>
lichen Straf- und Polizeirecht der Pre&#x017F;&#x017F;e unterliegt, die <hi rendition="#g">einzelne</hi><lb/>
Aeußerung, mag die&#x017F;elbe &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o verbrecheri&#x017F;ch &#x017F;ein wie &#x017F;ie will. Sie<lb/>
wird es vielmehr eben durch das, was wir den gei&#x017F;tigen Inhalt der<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0110] man ſucht.“ Eine ſchärfere und zugleich ſchlagendere Kritik als die Worte des hochbedeutenden Mannes für Geſetze, wie den Bundes- beſchluß von 1854, gibt es nicht; uns will ſcheinen, als wären die Schriftſteller unſerer Zeit gegenüber ſolchen Männern nicht berufen, ſie zu vergeſſen; höher ſteht auch bei den beſten der Gegenwart weder das Gefühl der Freiheit noch das Verſtändniß der Sache als bei dieſen tapfern Vorkämpfern für Güter, die wir genießen. V. Die Geſchichte des Rechts der Preſſe. 1) Die Elemente der Geſchichte. Obwohl nun die Elemente dieſer Geſchichte bereits in der bisherigen Darſtellung enthalten ſind, ſo wird es dennoch nothwendig, ſie in ihrer ſpeciellen Beziehung zu dem großen Ganzen der Rechtsbildung hier zu- ſammenzufaſſen. Es bedarf dabei wohl keiner beſondern Nachweiſung, daß die Geſchichte der Preſſe ſelbſt etwas ganz anderes iſt und enthält, und daher von der Verwaltungslehre gar nicht berührt wird. Dagegen iſt der Unterſchied der Hauptformen der Preſſe allerdings ein auch für die Rechtsbildung weſentlicher und wir müſſen daher für dieſelben auf das Frühere zurückweiſen. Die Grundlage dieſer Geſchichte iſt das, was wir die ſociale Funktion der Preſſe genannt haben. Das Weſen derſelben beſteht in der Vertheilung der geiſtigen Güter an alle Klaſſen und Stände der Geſellſchaft ohne Unterſchied, eine Vertheilung, welche darauf beruht, daß die geiſtigen Güter durch die Vertheilung an Viele dem entgegen- geſetzten Verhältniß unterliegen, wie die wirthſchaftlichen; denn wäh- rend bei den letzteren durch die Vertheilung der Antheil ſich vermindert, das auf jeden Einzelnen fällt, ſteigt dieſer Antheil bei den geiſtigen Gütern. Dadurch iſt die Preſſe der große nie ruhende und aus ſich ſelbſt ſeine eigene Kraft ſchöpfende Faktor des ſocialen Fortſchritts; indem ſie die niedern Klaſſen in geiſtiger Beziehung gleich reich macht mit den höheren, verwiſcht ſie den tiefern Kern des Unterſchiedes, hebt das höhere geiſtige Princip der Ungleichheit in Recht und Geſellſchaft auf, und indem ſie ſomit die abſtrakte Idee der gleichen Beſtimmung aller Perſönlichkeit in Kenntniß und Denkkraft verwirklicht, wie die Religion es in Glaube und Liebe thut, wird ſie der natürliche Gegner jeder, auf rechtlichen Unterſchieden beruhenden geſellſchaftlichen Ordnung. Dieß nun wird ſie ihrerſeits niemals durch das, was dem eigent- lichen Straf- und Polizeirecht der Preſſe unterliegt, die einzelne Aeußerung, mag dieſelbe ſonſt ſo verbrecheriſch ſein wie ſie will. Sie wird es vielmehr eben durch das, was wir den geiſtigen Inhalt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/110
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/110>, abgerufen am 21.11.2024.