Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Möge es uns dabei erlaubt sein, ausdrücklich zu bemerken, daß Allgemeiner Theil. I. Der Beruf und die Berufsbildung an sich. Es ist vielleicht schwierig, einen formell bestimmten Begriff des I. Begriff und Inhalt des Berufes. Der Beruf an sich Möge es uns dabei erlaubt ſein, ausdrücklich zu bemerken, daß Allgemeiner Theil. I. Der Beruf und die Berufsbildung an ſich. Es iſt vielleicht ſchwierig, einen formell beſtimmten Begriff des I. Begriff und Inhalt des Berufes. Der Beruf an ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0177" n="149"/> <p>Möge es uns dabei erlaubt ſein, ausdrücklich zu bemerken, daß<lb/> wir die von uns gebrauchten neuen Begriffe und Ausdrücke nur an-<lb/> genommen haben, weil ohne ſie eine organiſche Auffaſſung unthunlich<lb/> erſcheint. Wir dürfen endlich hinzufügen, daß eine <hi rendition="#g">vollſtändige</hi> Mit-<lb/> theilung des Materials geradezu unmöglich iſt, wenn man ſich auf<lb/> irgend eine Weiſe zu beſchränken hat. Das was wir dagegen ange-<lb/> ſtrebt haben, iſt zweierlei — Vollſtändigkeit der Grundbegriffe und<lb/> ihres Syſtems und Klarheit des großen Bildes, das ſich vor uns aufrollt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Allgemeiner Theil.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Der Beruf und die Berufsbildung an ſich.</hi> </head><lb/> <p>Es iſt vielleicht ſchwierig, einen formell beſtimmten Begriff des<lb/> Berufes anzuerkennen. Dennoch iſt ſchon im Allgemeinen das was<lb/> wir den „Beruf“ nennen, ein ſo entſcheidendes Element für jedes Einzel-<lb/> leben und ein ſo gewaltiger Faktor für das Leben der Weltgeſchichte,<lb/> daß wir deſſelben nicht entbehren können. Aber ſpeciell das Bildungs-<lb/> weſen der verſchiedenen Völker und Zeiten bleibt ohne beſtimmte Auf-<lb/> faſſung des Berufes immer unklar. Wir können uns daher der Auf-<lb/> gabe nicht entziehen, den Begriff deſſelben hier zu entwickeln, um auf<lb/> Grundlage deſſelben zu einem Syſtem des Berufsbildungsweſens zu ge-<lb/> langen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Begriff und Inhalt des Berufes. Der Beruf an ſich<lb/> und der öffentliche Beruf</hi>. — Der Beruf iſt ſeinem abſtrakten<lb/> Begriffe nach die beſtimmte Lebensaufgabe des Einzelnen, und zwar<lb/><hi rendition="#g">inſofern</hi> die letztere demſelben als ſolche zum Bewußtſein kommt und<lb/> dieß Bewußtſein allen Beſtrebungen und Thätigkeiten eine dieſer Lebens-<lb/> aufgabe dienende Richtung gibt. In dieſem Sinne hat jeder Menſch<lb/> mit ſeiner Lebensaufgabe auch ſeinen Beruf. Derſelbe aber iſt für ihn<lb/> nicht bloß der Ausdruck eines Zweckes, ſondern er iſt zugleich ein hohes<lb/> ethiſches Element ſeines Lebens. Denn in ihm iſt mit dem Bewußtſein<lb/> von der beſondern Aufgabe jedes Einzelnen zugleich das der höheren<lb/> geiſtigen Gemeinſchaft mit allen andern, das Gefühl der inneren Ein-<lb/> heit des ganzen Menſchenlebens gegeben, welche das Bedingtwerden aller<lb/> Lebensberufe durcheinander, die lebengebende Gegenſeitigkeit aller be-<lb/> ſondern Thätigkeiten, die Erhebung des Einzelnen zum Ganzen zum<lb/> Bewußtſein bringt und dadurch auch das Beſondere adelt und veredelt.<lb/> Die Idee des Berufs, in jedem Einzelnen lebendig werdend, iſt deßhalb<lb/> von jeher der Anfang aller Geſittung in der Menſchheit geweſen.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149/0177]
Möge es uns dabei erlaubt ſein, ausdrücklich zu bemerken, daß
wir die von uns gebrauchten neuen Begriffe und Ausdrücke nur an-
genommen haben, weil ohne ſie eine organiſche Auffaſſung unthunlich
erſcheint. Wir dürfen endlich hinzufügen, daß eine vollſtändige Mit-
theilung des Materials geradezu unmöglich iſt, wenn man ſich auf
irgend eine Weiſe zu beſchränken hat. Das was wir dagegen ange-
ſtrebt haben, iſt zweierlei — Vollſtändigkeit der Grundbegriffe und
ihres Syſtems und Klarheit des großen Bildes, das ſich vor uns aufrollt.
Allgemeiner Theil.
I. Der Beruf und die Berufsbildung an ſich.
Es iſt vielleicht ſchwierig, einen formell beſtimmten Begriff des
Berufes anzuerkennen. Dennoch iſt ſchon im Allgemeinen das was
wir den „Beruf“ nennen, ein ſo entſcheidendes Element für jedes Einzel-
leben und ein ſo gewaltiger Faktor für das Leben der Weltgeſchichte,
daß wir deſſelben nicht entbehren können. Aber ſpeciell das Bildungs-
weſen der verſchiedenen Völker und Zeiten bleibt ohne beſtimmte Auf-
faſſung des Berufes immer unklar. Wir können uns daher der Auf-
gabe nicht entziehen, den Begriff deſſelben hier zu entwickeln, um auf
Grundlage deſſelben zu einem Syſtem des Berufsbildungsweſens zu ge-
langen.
I. Begriff und Inhalt des Berufes. Der Beruf an ſich
und der öffentliche Beruf. — Der Beruf iſt ſeinem abſtrakten
Begriffe nach die beſtimmte Lebensaufgabe des Einzelnen, und zwar
inſofern die letztere demſelben als ſolche zum Bewußtſein kommt und
dieß Bewußtſein allen Beſtrebungen und Thätigkeiten eine dieſer Lebens-
aufgabe dienende Richtung gibt. In dieſem Sinne hat jeder Menſch
mit ſeiner Lebensaufgabe auch ſeinen Beruf. Derſelbe aber iſt für ihn
nicht bloß der Ausdruck eines Zweckes, ſondern er iſt zugleich ein hohes
ethiſches Element ſeines Lebens. Denn in ihm iſt mit dem Bewußtſein
von der beſondern Aufgabe jedes Einzelnen zugleich das der höheren
geiſtigen Gemeinſchaft mit allen andern, das Gefühl der inneren Ein-
heit des ganzen Menſchenlebens gegeben, welche das Bedingtwerden aller
Lebensberufe durcheinander, die lebengebende Gegenſeitigkeit aller be-
ſondern Thätigkeiten, die Erhebung des Einzelnen zum Ganzen zum
Bewußtſein bringt und dadurch auch das Beſondere adelt und veredelt.
Die Idee des Berufs, in jedem Einzelnen lebendig werdend, iſt deßhalb
von jeher der Anfang aller Geſittung in der Menſchheit geweſen.
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