Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.II. Das Irrenwesen. Während das Hospitalswesen seinen verwaltungsrechtlichen Inhalt Das Irrenwesen als Theil des öffentlichen Rechts hat wohl allent- 1) Die Irrenanstalten sind öffentliche Landesanstalten mit öffent- 2) Daraus folgt, daß die sanitäre Behandlung der Irren den 3) Endlich wird das Privatrecht der Irren, die Sicherung ihrer II. Das Irrenweſen. Während das Hoſpitalsweſen ſeinen verwaltungsrechtlichen Inhalt Das Irrenweſen als Theil des öffentlichen Rechts hat wohl allent- 1) Die Irrenanſtalten ſind öffentliche Landesanſtalten mit öffent- 2) Daraus folgt, daß die ſanitäre Behandlung der Irren den 3) Endlich wird das Privatrecht der Irren, die Sicherung ihrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0143" n="127"/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Irrenweſen.</hi> </head><lb/> <p>Während das Hoſpitalsweſen ſeinen verwaltungsrechtlichen Inhalt<lb/> weſentlich durch das Armenweſen empfängt, entſteht im Irrenweſen die<lb/> zweite Seite ſeines öffentlichen Rechts aus dem Pflegſchaftsweſen. Das<lb/> öffentliche Irrenweſen enthält nämlich die Geſammtheit der Vorſchriften<lb/> und Anſtalten, vermöge deren <hi rendition="#g">einerſeits</hi> die rechtliche Vertretung,<lb/><hi rendition="#g">andererſeits</hi> die ſanitäre Behandlung der Geiſteskranken geordnet wird.</p><lb/> <p>Das Irrenweſen als Theil des öffentlichen Rechts hat wohl allent-<lb/> halben denſelben Entwicklungsgang durchgemacht. Während es in der<lb/> alten Zeit als reine Familienangelegenheit, nun als Sache der Armen-<lb/> pflege angeſehen wird, <hi rendition="#g">beginnt</hi> es ſelbſtändig mit dem Standpunkte<lb/> der Sicherheitspolizei und der Pflicht der Gemeinde, gefährliche Irren<lb/> einzuſperren. Dieſer Standpunkt macht erſt im vorigen Jahrhundert<lb/> der Idee der <hi rendition="#g">Hülfsbedürftigkeit</hi> der Irren Platz, an die ſich der<lb/> Satz anſchließt, daß man dafür öffentliche Anſtalten errichten, und den<lb/> Verwandten die Pflicht vorſchreiben müſſe, die Irren noch immer wegen<lb/> ihrer Gemeingefährlichkeit, dahin abzuliefern. Auf dieſer Grundlage bil-<lb/> dete ſich nun mit unſerem Jahrhundert der Grundſatz aus, daß die<lb/> Sorge für die Geiſteskranken eine organiſche Aufgabe der Geſundheits-<lb/> verwaltung ſei, und dieſer Grundſatz entfaltete ſich nach den drei Seiten<lb/> hin, welche zuſammengenommen das gegenwärtige <hi rendition="#g">öffentliche Recht<lb/> des Irrenweſens</hi> Europas in ſeinen Grundlagen bilden. Dieſe ſind:</p><lb/> <p>1) Die Irrenanſtalten ſind öffentliche <hi rendition="#g">Landesa</hi>nſtalten mit öffent-<lb/> licher Verwaltung, eventuell mit öffentlicher Unterſtützung und <hi rendition="#g">Pflicht</hi><lb/> zur Aufnahme von armen Irren. Die wirthſchaftliche Verwaltung ſteht<lb/> daher unter gleicher Controle wie jede andere. Die Errichtung von<lb/><hi rendition="#g">Privati</hi>rrenanſtalten unter Genehmigung und beſtändiger Oberaufſicht iſt<lb/> daneben geſtattet. Sie ſind daher ein <hi rendition="#g">Theil</hi> der Geſundheitsverwaltung.</p><lb/> <p>2) Daraus folgt, daß die <hi rendition="#g">ſanitäre</hi> Behandlung der Irren den<lb/> allgemeinen, und in den einzelnen Anſtalten auch den ſpeciellen <hi rendition="#g">Vor-<lb/> ſchriften</hi> der Geſundheitsverwaltung und ihrer beſtändigen Oberauf-<lb/> ſicht unterworfen iſt, welche letztere durch beſtimmte Geſetze und Inſtruk-<lb/> tionen geregelt wird.</p><lb/> <p>3) Endlich wird das <hi rendition="#g">Privatrecht</hi> der Irren, die Sicherung ihrer<lb/> perſönlichen und wirthſchaftlichen Freiheit zum Gegenſtande ſpecieller<lb/> Geſetzgebung, welche durch die <hi rendition="#g">rechtlichen</hi> Formen und Bedingungen<lb/> ſowohl der öffentlichen Irre<hi rendition="#g">nerklärung</hi>, als der <hi rendition="#g">Aufnahme</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Entlaſſung</hi> von Seiten der Irrenanſtalten die Einzelnen gegen den<lb/> Irrthum und Verbrechen in Bezug auf wahre oder angebliche Geiſtes-<lb/> krankheit und Heilung ſchützen.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0143]
II. Das Irrenweſen.
Während das Hoſpitalsweſen ſeinen verwaltungsrechtlichen Inhalt
weſentlich durch das Armenweſen empfängt, entſteht im Irrenweſen die
zweite Seite ſeines öffentlichen Rechts aus dem Pflegſchaftsweſen. Das
öffentliche Irrenweſen enthält nämlich die Geſammtheit der Vorſchriften
und Anſtalten, vermöge deren einerſeits die rechtliche Vertretung,
andererſeits die ſanitäre Behandlung der Geiſteskranken geordnet wird.
Das Irrenweſen als Theil des öffentlichen Rechts hat wohl allent-
halben denſelben Entwicklungsgang durchgemacht. Während es in der
alten Zeit als reine Familienangelegenheit, nun als Sache der Armen-
pflege angeſehen wird, beginnt es ſelbſtändig mit dem Standpunkte
der Sicherheitspolizei und der Pflicht der Gemeinde, gefährliche Irren
einzuſperren. Dieſer Standpunkt macht erſt im vorigen Jahrhundert
der Idee der Hülfsbedürftigkeit der Irren Platz, an die ſich der
Satz anſchließt, daß man dafür öffentliche Anſtalten errichten, und den
Verwandten die Pflicht vorſchreiben müſſe, die Irren noch immer wegen
ihrer Gemeingefährlichkeit, dahin abzuliefern. Auf dieſer Grundlage bil-
dete ſich nun mit unſerem Jahrhundert der Grundſatz aus, daß die
Sorge für die Geiſteskranken eine organiſche Aufgabe der Geſundheits-
verwaltung ſei, und dieſer Grundſatz entfaltete ſich nach den drei Seiten
hin, welche zuſammengenommen das gegenwärtige öffentliche Recht
des Irrenweſens Europas in ſeinen Grundlagen bilden. Dieſe ſind:
1) Die Irrenanſtalten ſind öffentliche Landesanſtalten mit öffent-
licher Verwaltung, eventuell mit öffentlicher Unterſtützung und Pflicht
zur Aufnahme von armen Irren. Die wirthſchaftliche Verwaltung ſteht
daher unter gleicher Controle wie jede andere. Die Errichtung von
Privatirrenanſtalten unter Genehmigung und beſtändiger Oberaufſicht iſt
daneben geſtattet. Sie ſind daher ein Theil der Geſundheitsverwaltung.
2) Daraus folgt, daß die ſanitäre Behandlung der Irren den
allgemeinen, und in den einzelnen Anſtalten auch den ſpeciellen Vor-
ſchriften der Geſundheitsverwaltung und ihrer beſtändigen Oberauf-
ſicht unterworfen iſt, welche letztere durch beſtimmte Geſetze und Inſtruk-
tionen geregelt wird.
3) Endlich wird das Privatrecht der Irren, die Sicherung ihrer
perſönlichen und wirthſchaftlichen Freiheit zum Gegenſtande ſpecieller
Geſetzgebung, welche durch die rechtlichen Formen und Bedingungen
ſowohl der öffentlichen Irrenerklärung, als der Aufnahme und
Entlaſſung von Seiten der Irrenanſtalten die Einzelnen gegen den
Irrthum und Verbrechen in Bezug auf wahre oder angebliche Geiſtes-
krankheit und Heilung ſchützen.
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