Erster Abschnitt. Die geschichtliche und organische Entwicklung des Begriffs und Inhalts der Verwaltung.
I. Die Geschichte der Verwaltungslehre.
1) Der Lebensproceß der Menschheit und die Stellung von Staat und Verwaltung in demselben.
Die Gesammtanschauung des organischen Staatslebens, wie wir sie so eben wieder kurz bezeichnet und in der Lehre von der vollziehen- den Gewalt ausführlicher dargelegt, zeigt nun zwar im Allgemeinen, daß die innere Verwaltung es mit den Elementen des Staatslebens in ihrem weitesten Umfang zu thun hat. Es ist nun aber das weder neu, noch ist es von großem Werth, es zu sagen, so lange man es in dieser Allgemeinheit auffaßt. So wie man aber sich auf einen etwas höheren Standpunkt stellt, gewinnt der Gegenstand eine ganz andere, viel höhere und faßbarere Bedeutung.
Die höhere Idee der Persönlichkeit zeigt uns, daß alles das, was auf diese Weise in die Sphäre des Einzellebens hinein oder aus ihr heraustritt, zu einem Elemente der persönlichen Entwicklung aller An- dern wird. Es ist allerdings unmöglich, diesen Proceß, der sich aus dem unendlichen Wechsel des gegenseitigen Bestimmens, des Förderns und Hemmens aller Menschen durch einander ergiebt, in seinen einzelnen Momenten genau zu verfolgen. Wohl ist die Natur reich an Erschei- nungen und an unerschöpflichem Wechsel von Verhältnissen und That- sachen; es wäre thöricht, zu glauben, daß ein menschliches Auge die äußern Bewegungen, eine menschliche Berechnung die scheinbaren Zu- fälligkeiten in den sich drängenden innern und äußeren Einflüssen der Dinge auf einander verfolgen und messen könnte. Und dennoch ist es kein
Erſter Abſchnitt. Die geſchichtliche und organiſche Entwicklung des Begriffs und Inhalts der Verwaltung.
I. Die Geſchichte der Verwaltungslehre.
1) Der Lebensproceß der Menſchheit und die Stellung von Staat und Verwaltung in demſelben.
Die Geſammtanſchauung des organiſchen Staatslebens, wie wir ſie ſo eben wieder kurz bezeichnet und in der Lehre von der vollziehen- den Gewalt ausführlicher dargelegt, zeigt nun zwar im Allgemeinen, daß die innere Verwaltung es mit den Elementen des Staatslebens in ihrem weiteſten Umfang zu thun hat. Es iſt nun aber das weder neu, noch iſt es von großem Werth, es zu ſagen, ſo lange man es in dieſer Allgemeinheit auffaßt. So wie man aber ſich auf einen etwas höheren Standpunkt ſtellt, gewinnt der Gegenſtand eine ganz andere, viel höhere und faßbarere Bedeutung.
Die höhere Idee der Perſönlichkeit zeigt uns, daß alles das, was auf dieſe Weiſe in die Sphäre des Einzellebens hinein oder aus ihr heraustritt, zu einem Elemente der perſönlichen Entwicklung aller An- dern wird. Es iſt allerdings unmöglich, dieſen Proceß, der ſich aus dem unendlichen Wechſel des gegenſeitigen Beſtimmens, des Förderns und Hemmens aller Menſchen durch einander ergiebt, in ſeinen einzelnen Momenten genau zu verfolgen. Wohl iſt die Natur reich an Erſchei- nungen und an unerſchöpflichem Wechſel von Verhältniſſen und That- ſachen; es wäre thöricht, zu glauben, daß ein menſchliches Auge die äußern Bewegungen, eine menſchliche Berechnung die ſcheinbaren Zu- fälligkeiten in den ſich drängenden innern und äußeren Einflüſſen der Dinge auf einander verfolgen und meſſen könnte. Und dennoch iſt es kein
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Erſter Abſchnitt.
Die geſchichtliche und organiſche Entwicklung des Begriffs und
Inhalts der Verwaltung.
I.
Die Geſchichte der Verwaltungslehre.
1) Der Lebensproceß der Menſchheit und die Stellung
von Staat und Verwaltung in demſelben.
Die Geſammtanſchauung des organiſchen Staatslebens, wie wir
ſie ſo eben wieder kurz bezeichnet und in der Lehre von der vollziehen-
den Gewalt ausführlicher dargelegt, zeigt nun zwar im Allgemeinen,
daß die innere Verwaltung es mit den Elementen des Staatslebens
in ihrem weiteſten Umfang zu thun hat. Es iſt nun aber das weder
neu, noch iſt es von großem Werth, es zu ſagen, ſo lange man es in
dieſer Allgemeinheit auffaßt. So wie man aber ſich auf einen etwas
höheren Standpunkt ſtellt, gewinnt der Gegenſtand eine ganz andere,
viel höhere und faßbarere Bedeutung.
Die höhere Idee der Perſönlichkeit zeigt uns, daß alles das, was
auf dieſe Weiſe in die Sphäre des Einzellebens hinein oder aus ihr
heraustritt, zu einem Elemente der perſönlichen Entwicklung aller An-
dern wird. Es iſt allerdings unmöglich, dieſen Proceß, der ſich aus
dem unendlichen Wechſel des gegenſeitigen Beſtimmens, des Förderns
und Hemmens aller Menſchen durch einander ergiebt, in ſeinen einzelnen
Momenten genau zu verfolgen. Wohl iſt die Natur reich an Erſchei-
nungen und an unerſchöpflichem Wechſel von Verhältniſſen und That-
ſachen; es wäre thöricht, zu glauben, daß ein menſchliches Auge die
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fälligkeiten in den ſich drängenden innern und äußeren Einflüſſen der
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/28>, abgerufen am 21.02.2025.
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