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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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la stat. Bruxelles. 1847, Mohl Seite 427) und die Instruction rel.
au recensement
von Bern 1850 ansehen.

Gehen wir nun zu der Gestalt des Zählungswesens in den ein-
zelnen Staaten über, so dürften die folgenden leitenden Gesichtspunkte
den gegenwärtigen, keineswegs abgeschlossenen Zustand am besten
bezeichnen.

b) Die deutschen Volkszählungen und ihr Charakter. Engels.

Die deutschen Volkszählungen zeigen uns auf dem Gebiete des
Zählungswesens auch nach 1830 noch denselben Charakter, den das
ganze deutsche öffentliche Recht hat -- innere Gleichartigkeit des Strebens
im Ganzen, neben formeller und oft sehr hartnäckiger Verschiedenheit
innerhalb der einzelnen Souveränetäten, und mächtiger, aber etwas
theoretischer Arbeit der deutschen Wissenschaft, die Einheit durch die
Gewalt des Geistes wieder herzustellen, die durch die äußern Verhält-
nisse verloren gegangen ist.

Selbst abgesehen nämlich von der Wissenschaft, mußte sich sogar
die Praxis gestehen, daß die deutschen Volkszählungen, der Einheit
in der Form ermangelnd, natürlich auch der Einheit in ihren Resul-
taten ermangeln mußten. Die statistischen Congresse, die mit ihren ein-
heitlichen Resultaten aus den übrigen Theilen der Welt den deutschen
Repräsentanten entgegentraten, mußten das Gefühl dieser innern Un-
gleichartigkeit der Zählungen auf das Lebhafteste erneuern, und in neuester
Zeit haben deßhalb verschiedene Versuche stattgefunden, um sie zu besei-
tigen (Zusammenstellung der in Bezug auf die Volkszählungen in ver-
schiedenen deutschen Staaten getroffenen Anordnungen vom 8. Juli 1864).
Indeß muß die großherzogl. hessische Centralstelle in ihrem Nachtrag
vom Ende März vorigen Jahres sagen, daß zwar die Beschlüsse der
internationalen statistischen Congresse erfreuliche Fortschritte hervorgerufen
haben, daß aber "dennoch zwischen den Zählungsvorschriften der einzel-
nen deutschen Staaten noch immer so erhebliche Verschiedenheiten bestehen,
daß hierdurch die Vergleichbarkeit der Zählungsresultate wesentlich beein-
trächtigt wird," was der Bericht denn -- freilich hauptsächlich in Be-
ziehung auf die persönlichen Elemente der Zählung und auf die For-
mulirung der Vorschriften -- im Einzelnen nachweist. Bei aller Hoch-
achtung vor der Wissenschaft kann jedoch nicht verhehlt werden, daß die
theoretisch individuellen Anschauungen von der Bevölkerungslehre hier
vielfach auf die Differenz in dem Zählungswesen eingewirkt haben. Am
weitesten und vom pupulationistischen Standpunkt am gründlichsten ward
unter Engels Leitung die Zählung in Sachsen entwickelt. Engels
hat seinen Standpunkt genauer in dem Artikel: "Ueber die Bedeutung

la stat. Bruxelles. 1847, Mohl Seite 427) und die Instruction rel.
au recensement
von Bern 1850 anſehen.

Gehen wir nun zu der Geſtalt des Zählungsweſens in den ein-
zelnen Staaten über, ſo dürften die folgenden leitenden Geſichtspunkte
den gegenwärtigen, keineswegs abgeſchloſſenen Zuſtand am beſten
bezeichnen.

b) Die deutſchen Volkszählungen und ihr Charakter. Engels.

Die deutſchen Volkszählungen zeigen uns auf dem Gebiete des
Zählungsweſens auch nach 1830 noch denſelben Charakter, den das
ganze deutſche öffentliche Recht hat — innere Gleichartigkeit des Strebens
im Ganzen, neben formeller und oft ſehr hartnäckiger Verſchiedenheit
innerhalb der einzelnen Souveränetäten, und mächtiger, aber etwas
theoretiſcher Arbeit der deutſchen Wiſſenſchaft, die Einheit durch die
Gewalt des Geiſtes wieder herzuſtellen, die durch die äußern Verhält-
niſſe verloren gegangen iſt.

Selbſt abgeſehen nämlich von der Wiſſenſchaft, mußte ſich ſogar
die Praxis geſtehen, daß die deutſchen Volkszählungen, der Einheit
in der Form ermangelnd, natürlich auch der Einheit in ihren Reſul-
taten ermangeln mußten. Die ſtatiſtiſchen Congreſſe, die mit ihren ein-
heitlichen Reſultaten aus den übrigen Theilen der Welt den deutſchen
Repräſentanten entgegentraten, mußten das Gefühl dieſer innern Un-
gleichartigkeit der Zählungen auf das Lebhafteſte erneuern, und in neueſter
Zeit haben deßhalb verſchiedene Verſuche ſtattgefunden, um ſie zu beſei-
tigen (Zuſammenſtellung der in Bezug auf die Volkszählungen in ver-
ſchiedenen deutſchen Staaten getroffenen Anordnungen vom 8. Juli 1864).
Indeß muß die großherzogl. heſſiſche Centralſtelle in ihrem Nachtrag
vom Ende März vorigen Jahres ſagen, daß zwar die Beſchlüſſe der
internationalen ſtatiſtiſchen Congreſſe erfreuliche Fortſchritte hervorgerufen
haben, daß aber „dennoch zwiſchen den Zählungsvorſchriften der einzel-
nen deutſchen Staaten noch immer ſo erhebliche Verſchiedenheiten beſtehen,
daß hierdurch die Vergleichbarkeit der Zählungsreſultate weſentlich beein-
trächtigt wird,“ was der Bericht denn — freilich hauptſächlich in Be-
ziehung auf die perſönlichen Elemente der Zählung und auf die For-
mulirung der Vorſchriften — im Einzelnen nachweist. Bei aller Hoch-
achtung vor der Wiſſenſchaft kann jedoch nicht verhehlt werden, daß die
theoretiſch individuellen Anſchauungen von der Bevölkerungslehre hier
vielfach auf die Differenz in dem Zählungsweſen eingewirkt haben. Am
weiteſten und vom pupulationiſtiſchen Standpunkt am gründlichſten ward
unter Engels Leitung die Zählung in Sachſen entwickelt. Engels
hat ſeinen Standpunkt genauer in dem Artikel: „Ueber die Bedeutung

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[224/0246] la stat. Bruxelles. 1847, Mohl Seite 427) und die Instruction rel. au recensement von Bern 1850 anſehen. Gehen wir nun zu der Geſtalt des Zählungsweſens in den ein- zelnen Staaten über, ſo dürften die folgenden leitenden Geſichtspunkte den gegenwärtigen, keineswegs abgeſchloſſenen Zuſtand am beſten bezeichnen. b) Die deutſchen Volkszählungen und ihr Charakter. Engels. Die deutſchen Volkszählungen zeigen uns auf dem Gebiete des Zählungsweſens auch nach 1830 noch denſelben Charakter, den das ganze deutſche öffentliche Recht hat — innere Gleichartigkeit des Strebens im Ganzen, neben formeller und oft ſehr hartnäckiger Verſchiedenheit innerhalb der einzelnen Souveränetäten, und mächtiger, aber etwas theoretiſcher Arbeit der deutſchen Wiſſenſchaft, die Einheit durch die Gewalt des Geiſtes wieder herzuſtellen, die durch die äußern Verhält- niſſe verloren gegangen iſt. Selbſt abgeſehen nämlich von der Wiſſenſchaft, mußte ſich ſogar die Praxis geſtehen, daß die deutſchen Volkszählungen, der Einheit in der Form ermangelnd, natürlich auch der Einheit in ihren Reſul- taten ermangeln mußten. Die ſtatiſtiſchen Congreſſe, die mit ihren ein- heitlichen Reſultaten aus den übrigen Theilen der Welt den deutſchen Repräſentanten entgegentraten, mußten das Gefühl dieſer innern Un- gleichartigkeit der Zählungen auf das Lebhafteſte erneuern, und in neueſter Zeit haben deßhalb verſchiedene Verſuche ſtattgefunden, um ſie zu beſei- tigen (Zuſammenſtellung der in Bezug auf die Volkszählungen in ver- ſchiedenen deutſchen Staaten getroffenen Anordnungen vom 8. Juli 1864). Indeß muß die großherzogl. heſſiſche Centralſtelle in ihrem Nachtrag vom Ende März vorigen Jahres ſagen, daß zwar die Beſchlüſſe der internationalen ſtatiſtiſchen Congreſſe erfreuliche Fortſchritte hervorgerufen haben, daß aber „dennoch zwiſchen den Zählungsvorſchriften der einzel- nen deutſchen Staaten noch immer ſo erhebliche Verſchiedenheiten beſtehen, daß hierdurch die Vergleichbarkeit der Zählungsreſultate weſentlich beein- trächtigt wird,“ was der Bericht denn — freilich hauptſächlich in Be- ziehung auf die perſönlichen Elemente der Zählung und auf die For- mulirung der Vorſchriften — im Einzelnen nachweist. Bei aller Hoch- achtung vor der Wiſſenſchaft kann jedoch nicht verhehlt werden, daß die theoretiſch individuellen Anſchauungen von der Bevölkerungslehre hier vielfach auf die Differenz in dem Zählungsweſen eingewirkt haben. Am weiteſten und vom pupulationiſtiſchen Standpunkt am gründlichſten ward unter Engels Leitung die Zählung in Sachſen entwickelt. Engels hat ſeinen Standpunkt genauer in dem Artikel: „Ueber die Bedeutung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/246>, abgerufen am 21.11.2024.