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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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2) Begriff des Rechts der Zählungen. Aufſtellung des
allgemeinen Princips für dieſes Recht
.

Der Begriff des Rechts des Volkszählungsweſens als eines Theiles
des Verwaltungsrechts entſteht auch hier durch den Gegenſatz der indi-
viduellen Selbſtändigkeit zur Thätigkeit der Verwaltung. Der Akt der
Volkszählung greift nämlich ſtets in die Sphäre des Einzellebens und
damit in die Sphäre der freien Individualität hinein, und jede von
der Verwaltung ausgehende Volkszählung enthält die öffentliche Pflicht
des Einzelnen, über die von der Verwaltung ihm über ſeine Privat-
verhältniſſe geſtellten Fragen gewiſſenhafte Auskunft zu geben. Für die
wiſſenſchaftliche Zählung kann es ſolcher Auskünfte nie zu viel, ja nie
genug geben; allein das Bedürfniß der Wiſſenſchaft kann kein öffentliches
Recht der ſtaatlichen Nachfrage erzwingen. Die Gränze zwiſchen der popu-
lationiſtiſchen und adminiſtrativen Zählung bezeichnet daher auch die
Gränze der Verpflichtung der Verwaltung, Lebensverhältniſſe in den
Akt der öffentlichen Volkszählung aufzunehmen, und der Pflicht des
Einzelnen, die darüber geſtellten Fragen zu beantworten; oder, kurz
geſagt, das öffentliche Recht der Volkszählung. Der hiſtoriſche
Gang der letztern hat es mit ſich gebracht, daß man dieſen Begriff faſt
ganz vernachläſſigt hat. Es iſt daher nicht unwichtig, das leitende
Rechtsprincip für die Volkszählung hier feſtzuſtellen. Daſſelbe aber iſt
nichts anderes, als eine einfache Anwendung des Princips der Verwal-
tung überhaupt auf die Volkszählung. Der Staat hat nur das Recht,
über diejenigen Lebensverhältniſſe des Einzelnen Angaben zu fordern,
deren allgemeine Kenntniß als eine Bedingung für die Ent-
wicklung des Geſammtlebens angeſehen werden müſſen. Und um zu
conſtatiren, ob dieß für die einzelnen Fragen, welche in der Volks-
zählung aufgeſtellt werden, wirklich der Fall iſt, müßte grundſätzlich die
Aufſtellung jeder einzelnen Frage durch eine beſtimmte Beziehung auf
eine beſtimmte adminiſtrative Aufgabe motivirt werden, welche jene
Kenntniß im Geſammtintereſſe vorausſetzt. Nur bei ſolchen Fragen
läßt ſich das Recht des Staats und die Pflicht des Einzelnen auf Frage
und Antwort begründen. Damit würde die Aufnahme der rein wiſſen-
ſchaftlichen Geſichtspunkte nicht ausgeſchloſſen; nur iſt es conſequent,
daß es bei dieſem im freien Ermeſſen des Einzelnen liegen muß, ob
und wie weit er ſie beantworten will. Wir geſtehen, daß dieſe Unter-
ſcheidung bisher wenig praktiſch geweſen iſt, da die Aufgaben der
Wiſſenſchaft und der Verwaltung noch ziemlich identiſch geweſen ſind;
allein mit der Entwicklung der letztern wird die Unterſcheidung eintreten,
und ſchon hat Mohl in ſeiner reichen Geſchichte und Literatur der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/237>, abgerufen am 08.01.2025.