conjugia contrahere cum populo negari non potest, nisi delictum praecesserit (II. ii. 21). Dabei erkennt er das kirchliche Eherecht voll- kommen an. Von da an verschwindet der alte Standpunkt, ohne daß man ihn eigentlich recht verstanden hätte. Die Frage dagegen nach der Ehe zwischen Freien und Unfreien bleibt; sie gehört aber eigentlich nicht ins Geschlechterrecht, sondern in das ständische Eherecht, bei welchem wir darauf zurückkommen.
II. Das öffentliche Eherecht der ständischen Ordnung.
(Die drei Formen und Stadien derselben bis zur neueren Zeit: das Ehe- recht der ständischen Unterschiede, des ständischen Besitzes (Lehnrecht), und des ständischen Berufes.)
Das öffentliche Eherecht der ständischen Ordnung ist nicht wie das der Geschlechterordnung ein an sich einfaches. Es erscheint vielmehr als ein zum Theil sehr ausgebildetes System von Rechtssätzen, und dieß System beruht auf den drei Elementen, welche den Inhalt der ständi- schen bestimmen, dem Elemente der Freiheit, dem Elemente des ständischen Besitzes, und dem des eigentlichen Berufes. Jedes dieser Elemente hat sein Eherecht erzeugt, und hat daher auch seine eigene Geschichte; von dieser Geschichte aber ist nur ein dem Umfange nach sehr geringer Theil in die staatsbürgerliche Ordnung übergegangen.
1) Das öffentliche Eherecht zwischen Freien und Unfreien. Das reine ständische Eherecht.
Die Frage nach dem Rechte der Ehe zwischen Freien und Unfreien gehört erst dem germanischen Recht. Der römische Begriff der Sklaverei schloß natürlich die Ehe zwischen dem Ingenuus und servus aus, und sowohl die Pandekten als Constantin (l. 3. 7. Cod. de incest. et inut. nuptiis 5. 5) und ihnen gemäß selbst Justinian (l. 28. Cod. de nupt. 5. 4) sagen einfach "cum ancillis non potest esse nuptium." Allein das germanische Recht kennt zwar Unfreie, aber keine Sklaven, und die Ehe ist gleich anfangs eine christliche Institution. Damit entstand die Frage, ob hier eine Ehe stattfinden könne. Obgleich nun die alten strengen Geschlechter lange aufgelöst waren, blieb der Geschlechterstolz lebendig. "Claritas generis," sagt die Lex Wisig. V. 7. 17, bei der generosa nobilitas "sordescit commixtione abjectae conditionis," darum sollen solche Heirathen "verboten" sein; man sieht deutlich den Einfluß der römischen Bestimmungen des Cod. Theod. ("clara nobilitas indigni consortii foeditate inlescit" T. p. m. 596. ed. Lugd. 1593).
conjugia contrahere cum populo negari non potest, nisi delictum praecesserit (II. ii. 21). Dabei erkennt er das kirchliche Eherecht voll- kommen an. Von da an verſchwindet der alte Standpunkt, ohne daß man ihn eigentlich recht verſtanden hätte. Die Frage dagegen nach der Ehe zwiſchen Freien und Unfreien bleibt; ſie gehört aber eigentlich nicht ins Geſchlechterrecht, ſondern in das ſtändiſche Eherecht, bei welchem wir darauf zurückkommen.
II. Das öffentliche Eherecht der ſtändiſchen Ordnung.
(Die drei Formen und Stadien derſelben bis zur neueren Zeit: das Ehe- recht der ſtändiſchen Unterſchiede, des ſtändiſchen Beſitzes (Lehnrecht), und des ſtändiſchen Berufes.)
Das öffentliche Eherecht der ſtändiſchen Ordnung iſt nicht wie das der Geſchlechterordnung ein an ſich einfaches. Es erſcheint vielmehr als ein zum Theil ſehr ausgebildetes Syſtem von Rechtsſätzen, und dieß Syſtem beruht auf den drei Elementen, welche den Inhalt der ſtändi- ſchen beſtimmen, dem Elemente der Freiheit, dem Elemente des ſtändiſchen Beſitzes, und dem des eigentlichen Berufes. Jedes dieſer Elemente hat ſein Eherecht erzeugt, und hat daher auch ſeine eigene Geſchichte; von dieſer Geſchichte aber iſt nur ein dem Umfange nach ſehr geringer Theil in die ſtaatsbürgerliche Ordnung übergegangen.
1) Das öffentliche Eherecht zwiſchen Freien und Unfreien. Das reine ſtändiſche Eherecht.
Die Frage nach dem Rechte der Ehe zwiſchen Freien und Unfreien gehört erſt dem germaniſchen Recht. Der römiſche Begriff der Sklaverei ſchloß natürlich die Ehe zwiſchen dem Ingenuus und servus aus, und ſowohl die Pandekten als Conſtantin (l. 3. 7. Cod. de incest. et inut. nuptiis 5. 5) und ihnen gemäß ſelbſt Juſtinian (l. 28. Cod. de nupt. 5. 4) ſagen einfach „cum ancillis non potest esse nuptium.“ Allein das germaniſche Recht kennt zwar Unfreie, aber keine Sklaven, und die Ehe iſt gleich anfangs eine chriſtliche Inſtitution. Damit entſtand die Frage, ob hier eine Ehe ſtattfinden könne. Obgleich nun die alten ſtrengen Geſchlechter lange aufgelöst waren, blieb der Geſchlechterſtolz lebendig. „Claritas generis,“ ſagt die Lex Wisig. V. 7. 17, bei der generosa nobilitas „sordescit commixtione abjectae conditionis,“ darum ſollen ſolche Heirathen „verboten“ ſein; man ſieht deutlich den Einfluß der römiſchen Beſtimmungen des Cod. Theod. („clara nobilitas indigni consortii foeditate inlescit“ T. p. m. 596. ed. Lugd. 1593).
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kommen an. Von da an verſchwindet der alte Standpunkt, ohne daß
man ihn eigentlich recht verſtanden hätte. Die Frage dagegen nach der Ehe
zwiſchen Freien und Unfreien bleibt; ſie gehört aber eigentlich nicht ins
Geſchlechterrecht, ſondern in das ſtändiſche Eherecht, bei welchem wir
darauf zurückkommen.
II. Das öffentliche Eherecht der ſtändiſchen Ordnung.
(Die drei Formen und Stadien derſelben bis zur neueren Zeit: das Ehe-
recht der ſtändiſchen Unterſchiede, des ſtändiſchen Beſitzes (Lehnrecht), und des
ſtändiſchen Berufes.)
Das öffentliche Eherecht der ſtändiſchen Ordnung iſt nicht wie das
der Geſchlechterordnung ein an ſich einfaches. Es erſcheint vielmehr als
ein zum Theil ſehr ausgebildetes Syſtem von Rechtsſätzen, und dieß
Syſtem beruht auf den drei Elementen, welche den Inhalt der ſtändi-
ſchen beſtimmen, dem Elemente der Freiheit, dem Elemente des
ſtändiſchen Beſitzes, und dem des eigentlichen Berufes. Jedes dieſer
Elemente hat ſein Eherecht erzeugt, und hat daher auch ſeine eigene
Geſchichte; von dieſer Geſchichte aber iſt nur ein dem Umfange nach
ſehr geringer Theil in die ſtaatsbürgerliche Ordnung übergegangen.
1) Das öffentliche Eherecht zwiſchen Freien und Unfreien.
Das reine ſtändiſche Eherecht.
Die Frage nach dem Rechte der Ehe zwiſchen Freien und Unfreien
gehört erſt dem germaniſchen Recht. Der römiſche Begriff der Sklaverei
ſchloß natürlich die Ehe zwiſchen dem Ingenuus und servus aus, und
ſowohl die Pandekten als Conſtantin (l. 3. 7. Cod. de incest. et inut.
nuptiis 5. 5) und ihnen gemäß ſelbſt Juſtinian (l. 28. Cod. de nupt.
5. 4) ſagen einfach „cum ancillis non potest esse nuptium.“ Allein
das germaniſche Recht kennt zwar Unfreie, aber keine Sklaven, und
die Ehe iſt gleich anfangs eine chriſtliche Inſtitution. Damit entſtand
die Frage, ob hier eine Ehe ſtattfinden könne. Obgleich nun die alten
ſtrengen Geſchlechter lange aufgelöst waren, blieb der Geſchlechterſtolz
lebendig. „Claritas generis,“ ſagt die Lex Wisig. V. 7. 17, bei der
generosa nobilitas „sordescit commixtione abjectae conditionis,“ darum
ſollen ſolche Heirathen „verboten“ ſein; man ſieht deutlich den Einfluß
der römiſchen Beſtimmungen des Cod. Theod. („clara nobilitas
indigni consortii foeditate inlescit“ T. p. m. 596. ed. Lugd. 1593).
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/154>, abgerufen am 21.02.2025.
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