Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.Wesen des öffentlichen Rechts der Eheconsense. (Dasselbe muß als ein, in der Gesellschaftsordnung begründetes System Scheidet man nun die Eheconsense von den populationistischen Be- Dieß nun hat zunächst drei große Grundformen. Es gibt ein Weſen des öffentlichen Rechts der Eheconſenſe. (Daſſelbe muß als ein, in der Geſellſchaftsordnung begründetes Syſtem Scheidet man nun die Eheconſenſe von den populationiſtiſchen Be- Dieß nun hat zunächſt drei große Grundformen. Es gibt ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0150" n="128"/> <div n="7"> <head><hi rendition="#g">Weſen des öffentlichen Rechts der Eheconſenſe</hi>.</head><lb/> <p>(Daſſelbe muß als ein, in der Geſellſchaftsordnung begründetes Syſtem<lb/> betrachtet werden. Daher ſind die vier Hauptformen deſſelben zu unterſcheiden:<lb/> das öffentliche Recht der Geſchlechtsordnung, der ſtändiſchen Ordnung, der<lb/> polizeilichen Epoche, und der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft.)</p><lb/> <p>Scheidet man nun die Eheconſenſe von den populationiſtiſchen Be-<lb/> förderungsmitteln der Ehe, ſo beruhen die erſteren darauf, daß das<lb/> Eingehen der Ehe ihrem Inhalte und ihren Folgen nach an ſich ein<lb/> öffentlicher Akt iſt. Sie iſt es theils durch das Austreten aus der<lb/> Familie und das Gründen einer neuen; ſie bildet neue, über die Ehe-<lb/> gatten hinausgehende Rechtsverhältniſſe; ſie erzeugt Verpflichtungen der<lb/> Gemeinſchaft, und mit dieſen das natürliche Recht der letzteren, einen<lb/> Einfluß auf das Eingehen der Ehe zu üben, und wird damit ſelbſt ein<lb/> Theil des öffentlichen Rechts. Dieß Recht aber iſt innig mit den Ele-<lb/> menten der öffentlichen Ordnung ſelbſt verſchmolzen, die wir in Familie,<lb/> Beruf, Beſitz und perſönlicher Freiheit finden. Jede Berechtigung der<lb/> Gemeinſchaft, die Eingehung der Ehe beſtimmen zu wollen, muß den<lb/> Rechtstitel für dieſe Beſchränkung der perſönlichen Freiheit in dem<lb/> Weſen der Gemeinſchaft ſelbſt finden. Mit dieſem ändert ſich daher<lb/> ſowohl dieſer Rechtstitel als der Inhalt jener Beſtimmungen, und ſo<lb/> entſteht das <hi rendition="#g">Syſtem der öffentlich-rechtlichen Eheconſenſe</hi>,<lb/> das wir kurz charakteriſiren werden.</p><lb/> <p>Dieß nun hat zunächſt drei große Grundformen. Es gibt ein<lb/> Recht der Eheconſenſe der Geſchlechterordnung, der ſtändiſchen Ordnung<lb/> und der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaftsordnung. Allein es iſt auch hier<lb/> feſtzuſtellen, daß dieſe drei Formen dieſes Rechts ſo wenig ſcharf von<lb/> einander geſchieden ſind, wie die ſocialen Grundformen, auf denen ſie<lb/> ruhen. Es iſt auch hier vielmehr der Satz durchgreifend, daß, wie erſt<lb/> alle drei Grundformen <hi rendition="#g">zugleich</hi> den vollen Organismus der Geſellſchaft<lb/> bilden, ſo auch das Recht der Eheconſenſe jeder folgenden Form das<lb/> der vorhergehenden ſo weit in ſich <hi rendition="#g">aufnimmt</hi>, als es nicht mit ihrem<lb/> Princip in Widerſpruch ſteht. Das gegenwärtig geltende Syſtem iſt<lb/> daher kein einfaches, ſondern beſteht aus der Verſchmelzung der früheren<lb/> Rechte zu einem, durch das Princip der ſtaatsbürgerlichen Freiheit<lb/> modificirten Ganzen, und der Gang der Geſchichte dieſes Rechts iſt<lb/> daher eben dieſe organiſche Verſchmelzung aller drei Grundformen durch<lb/> die Macht der Principien, welche die Gegenwart beherrſchen. Wir<lb/> werden daher jeden Theil für ſich bis zu derjenigen Geſtalt bezeichnen,<lb/> welche er durch ſeine Aufnahme in unſere Geſellſchaftsordnung empfan-<lb/> gen hat.</p> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0150]
Weſen des öffentlichen Rechts der Eheconſenſe.
(Daſſelbe muß als ein, in der Geſellſchaftsordnung begründetes Syſtem
betrachtet werden. Daher ſind die vier Hauptformen deſſelben zu unterſcheiden:
das öffentliche Recht der Geſchlechtsordnung, der ſtändiſchen Ordnung, der
polizeilichen Epoche, und der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft.)
Scheidet man nun die Eheconſenſe von den populationiſtiſchen Be-
förderungsmitteln der Ehe, ſo beruhen die erſteren darauf, daß das
Eingehen der Ehe ihrem Inhalte und ihren Folgen nach an ſich ein
öffentlicher Akt iſt. Sie iſt es theils durch das Austreten aus der
Familie und das Gründen einer neuen; ſie bildet neue, über die Ehe-
gatten hinausgehende Rechtsverhältniſſe; ſie erzeugt Verpflichtungen der
Gemeinſchaft, und mit dieſen das natürliche Recht der letzteren, einen
Einfluß auf das Eingehen der Ehe zu üben, und wird damit ſelbſt ein
Theil des öffentlichen Rechts. Dieß Recht aber iſt innig mit den Ele-
menten der öffentlichen Ordnung ſelbſt verſchmolzen, die wir in Familie,
Beruf, Beſitz und perſönlicher Freiheit finden. Jede Berechtigung der
Gemeinſchaft, die Eingehung der Ehe beſtimmen zu wollen, muß den
Rechtstitel für dieſe Beſchränkung der perſönlichen Freiheit in dem
Weſen der Gemeinſchaft ſelbſt finden. Mit dieſem ändert ſich daher
ſowohl dieſer Rechtstitel als der Inhalt jener Beſtimmungen, und ſo
entſteht das Syſtem der öffentlich-rechtlichen Eheconſenſe,
das wir kurz charakteriſiren werden.
Dieß nun hat zunächſt drei große Grundformen. Es gibt ein
Recht der Eheconſenſe der Geſchlechterordnung, der ſtändiſchen Ordnung
und der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaftsordnung. Allein es iſt auch hier
feſtzuſtellen, daß dieſe drei Formen dieſes Rechts ſo wenig ſcharf von
einander geſchieden ſind, wie die ſocialen Grundformen, auf denen ſie
ruhen. Es iſt auch hier vielmehr der Satz durchgreifend, daß, wie erſt
alle drei Grundformen zugleich den vollen Organismus der Geſellſchaft
bilden, ſo auch das Recht der Eheconſenſe jeder folgenden Form das
der vorhergehenden ſo weit in ſich aufnimmt, als es nicht mit ihrem
Princip in Widerſpruch ſteht. Das gegenwärtig geltende Syſtem iſt
daher kein einfaches, ſondern beſteht aus der Verſchmelzung der früheren
Rechte zu einem, durch das Princip der ſtaatsbürgerlichen Freiheit
modificirten Ganzen, und der Gang der Geſchichte dieſes Rechts iſt
daher eben dieſe organiſche Verſchmelzung aller drei Grundformen durch
die Macht der Principien, welche die Gegenwart beherrſchen. Wir
werden daher jeden Theil für ſich bis zu derjenigen Geſtalt bezeichnen,
welche er durch ſeine Aufnahme in unſere Geſellſchaftsordnung empfan-
gen hat.
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