Italien. -- Die Idee der Armencolonien ist wohl abgeschlossen (vergl. RauII. §. 349; Gerando, Colonisation de l'interieur IV. 49 ff.). Ueber die öffentliche Ordnung der Unterstützung das preußische Gesetz von 1842 von Döhl a. a. O. und StubenrauchII. 231.
b) Versorgungshäuser.
Die Versorgungshäuser sind wohl allenthalben Stiftungen, und sollen es sein; denn man wird wohl kaum die Errichtung solcher An- stalten als Aufgabe der Armenpflege empfehlen. Sie beruhen daher auf ihrem eigenen Stiftungsrecht und sollen nach demselben, stets aber unter Oberaufsicht der Gemeinde verwaltet werden. Das gegen- wärtige Jahrhundert ersetzt sie auf allen Punkten durch das System der Selbsthülfe, das schon jetzt überhaupt das des Armenwesens zu überwiegen beginnt.
Angaben und Nachrichten bei RauII. §. 356 und Einzelheiten bei Emminghaus. Die französischen Hospices sind die Versorgungshäuser Frankreichs, haben aber daneben manche andere Aufgabe, namentlich für die Waisen- und Krankenpflege der Armen, und lassen sich daher auch schwer von den Hospitaux in der Praxis scheiden (vergl. Block, Dict. v. Hospices und Hospitaux). -- England kennt sie fast gar nicht, sondern ersetzt sie durch die Workhouses.
Dritter Cheil. Die Verwaltung und die gesellschaftliche Entwicklung.
Begriff der socialen Frage.
Je weiter die Gesittung vorwärts schreitet, um so bestimmter löst sich die sociale Frage mit ihrem Inhalt von dem Armenwesen ab und überragt das letztere auf allen Punkten.
Ohne eine Zurückführung der socialen Frage auf ihren letzten ein- fach formulirten Inhalt ist die Beherrschung dieses mit jedem Tage mächtigeren Gebietes nicht möglich.
Dieß Wesen der socialen Frage ergibt sich aber fast von selbst aus der Wissenschaft der Gesellschaft.
Die Gesellschaft überhaupt, und in derselben jede Ordnung scheidet sich in Classen. Das Wesen der persönlichen Freiheit erzeugt in diesen Classen das, was wir die aufsteigende Bewegung genannt haben. Diese aufsteigende Bewegung ist eine organische Forderung des gesellschaft- lichen Lebens. Wo sie aufhört, entsteht bei freien Völkern eine Gefahr für den Gesammtzustand; wo sie stattfindet, ist allgemeines Wohlsein. Ihre Voraussetzung ist allerdings die gesellschaftliche Freiheit auf der
Italien. — Die Idee der Armencolonien iſt wohl abgeſchloſſen (vergl. RauII. §. 349; Gerando, Colonisation de l’intérieur IV. 49 ff.). Ueber die öffentliche Ordnung der Unterſtützung das preußiſche Geſetz von 1842 von Döhl a. a. O. und StubenrauchII. 231.
b) Verſorgungshäuſer.
Die Verſorgungshäuſer ſind wohl allenthalben Stiftungen, und ſollen es ſein; denn man wird wohl kaum die Errichtung ſolcher An- ſtalten als Aufgabe der Armenpflege empfehlen. Sie beruhen daher auf ihrem eigenen Stiftungsrecht und ſollen nach demſelben, ſtets aber unter Oberaufſicht der Gemeinde verwaltet werden. Das gegen- wärtige Jahrhundert erſetzt ſie auf allen Punkten durch das Syſtem der Selbſthülfe, das ſchon jetzt überhaupt das des Armenweſens zu überwiegen beginnt.
Angaben und Nachrichten bei RauII. §. 356 und Einzelheiten bei Emminghaus. Die franzöſiſchen Hospices ſind die Verſorgungshäuſer Frankreichs, haben aber daneben manche andere Aufgabe, namentlich für die Waiſen- und Krankenpflege der Armen, und laſſen ſich daher auch ſchwer von den Hospitaux in der Praxis ſcheiden (vergl. Block, Dict. v. Hospices und Hospitaux). — England kennt ſie faſt gar nicht, ſondern erſetzt ſie durch die Workhouses.
Dritter Cheil. Die Verwaltung und die geſellſchaftliche Entwicklung.
Begriff der ſocialen Frage.
Je weiter die Geſittung vorwärts ſchreitet, um ſo beſtimmter löst ſich die ſociale Frage mit ihrem Inhalt von dem Armenweſen ab und überragt das letztere auf allen Punkten.
Ohne eine Zurückführung der ſocialen Frage auf ihren letzten ein- fach formulirten Inhalt iſt die Beherrſchung dieſes mit jedem Tage mächtigeren Gebietes nicht möglich.
Dieß Weſen der ſocialen Frage ergibt ſich aber faſt von ſelbſt aus der Wiſſenſchaft der Geſellſchaft.
Die Geſellſchaft überhaupt, und in derſelben jede Ordnung ſcheidet ſich in Claſſen. Das Weſen der perſönlichen Freiheit erzeugt in dieſen Claſſen das, was wir die aufſteigende Bewegung genannt haben. Dieſe aufſteigende Bewegung iſt eine organiſche Forderung des geſellſchaft- lichen Lebens. Wo ſie aufhört, entſteht bei freien Völkern eine Gefahr für den Geſammtzuſtand; wo ſie ſtattfindet, iſt allgemeines Wohlſein. Ihre Vorausſetzung iſt allerdings die geſellſchaftliche Freiheit auf der
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die öffentliche Ordnung der Unterſtützung das preußiſche Geſetz von 1842 von
Döhl a. a. O. und Stubenrauch II. 231.
b) Verſorgungshäuſer.
Die Verſorgungshäuſer ſind wohl allenthalben Stiftungen, und
ſollen es ſein; denn man wird wohl kaum die Errichtung ſolcher An-
ſtalten als Aufgabe der Armenpflege empfehlen. Sie beruhen daher
auf ihrem eigenen Stiftungsrecht und ſollen nach demſelben, ſtets
aber unter Oberaufſicht der Gemeinde verwaltet werden. Das gegen-
wärtige Jahrhundert erſetzt ſie auf allen Punkten durch das Syſtem
der Selbſthülfe, das ſchon jetzt überhaupt das des Armenweſens zu
überwiegen beginnt.
Angaben und Nachrichten bei Rau II. §. 356 und Einzelheiten bei
Emminghaus. Die franzöſiſchen Hospices ſind die Verſorgungshäuſer
Frankreichs, haben aber daneben manche andere Aufgabe, namentlich für die
Waiſen- und Krankenpflege der Armen, und laſſen ſich daher auch ſchwer von
den Hospitaux in der Praxis ſcheiden (vergl. Block, Dict. v. Hospices und
Hospitaux). — England kennt ſie faſt gar nicht, ſondern erſetzt ſie durch die
Workhouses.
Dritter Cheil.
Die Verwaltung und die geſellſchaftliche Entwicklung.
Begriff der ſocialen Frage.
Je weiter die Geſittung vorwärts ſchreitet, um ſo beſtimmter löst
ſich die ſociale Frage mit ihrem Inhalt von dem Armenweſen ab und
überragt das letztere auf allen Punkten.
Ohne eine Zurückführung der ſocialen Frage auf ihren letzten ein-
fach formulirten Inhalt iſt die Beherrſchung dieſes mit jedem Tage
mächtigeren Gebietes nicht möglich.
Dieß Weſen der ſocialen Frage ergibt ſich aber faſt von ſelbſt aus
der Wiſſenſchaft der Geſellſchaft.
Die Geſellſchaft überhaupt, und in derſelben jede Ordnung ſcheidet
ſich in Claſſen. Das Weſen der perſönlichen Freiheit erzeugt in dieſen
Claſſen das, was wir die aufſteigende Bewegung genannt haben. Dieſe
aufſteigende Bewegung iſt eine organiſche Forderung des geſellſchaft-
lichen Lebens. Wo ſie aufhört, entſteht bei freien Völkern eine Gefahr
für den Geſammtzuſtand; wo ſie ſtattfindet, iſt allgemeines Wohlſein.
Ihre Vorausſetzung iſt allerdings die geſellſchaftliche Freiheit auf der
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/463>, abgerufen am 22.12.2024.
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