Während nun der Organismus des Armenwesens die Funktion des Staats in Beziehung auf den Zustand der Armuth organisirt, enthält das Armenrecht die Gesammtheit der Bestimmungen, nach welchen der Einzelne berechtigt ist, an dieser unterstützenden Thätig- keit des Ganzen Theil zu nehmen. Dieß Armenrecht zerfällt in drei Gebiete.
I. Das Heimathsrecht enthält die Grundsätze, nach denen durch dauernde Niederlassung das Recht des Einzelnen auf Unterstützung gegen eine Gemeinde als Armenverwaltungskörper gewonnen wird. Das Heimathsrecht ist daher im Grunde nur die Anwendung der Grundsätze der Angehörigkeit an die Gemeinde für die Armen- pflege. Es unterscheidet sich jedoch wesentlich von den letzteren dadurch, daß es auch gegen den Willen der Gemeinde gewonnen werden kann, und daher ein objektives Rechtsverhältniß für dieselbe bildet. Daher langer und fast immer in derselben Weise sich bewegender Kampf um die Frage, auf welchem Punkt dieß Recht der Heimath gewonnen wird, und vielfaches Schwanken der Gesetzgebung. Die Grundzüge, auf denen dasselbe beruht, sind jedoch einfach, sobald die Gebundenheit an die Scholle mit dem Siege der staatsbürgerlichen Gesellschaft aufhört. Grundlage ist, daß so lange keine andere Heimath gewonnen ist, der Geburtsort die natürliche Heimath bildet. Die freie Bewegung von einer Gemeinde zur andern ist die Freizügigkeit, die als freies Niederlassungsrecht erscheint. Wenn diese Niederlassung eine ge- setzlich bestimmte Zeit gedauert hat, so erzeugt sie ohne bestimmten Akt das Heimaths- und damit das Armenrecht. Die eigentliche Frage bewegt sich also nur darum, erstlich, was als Niederlassung anzusehen sei (z. B. wann Dienst und Arbeit die Niederlassung ent- halten) und zweitens, ob die Gemeinde, und unter welchen Bedingungen sie das Recht hat, a) die Auswärtigen während der Zeit der Nieder- lassung in ihre frühere Heimath zu befördern, und b) die etwa gemach- ten Auslagen für die während dieser Zeit unterstützten Armen der Heimathsgemeinde aufzurechnen. Die Gesetzgebungen sind auf diesem Punkte sehr genau und oft sehr hart, und an diesen faßbaren Gegen- stand hat sich daher eine förmliche Jurisprudenz des Armenrechts an- geschlossen, die dem folgenden Punkte fehlt.
II. Das Armenrecht im eigenen Sinne ist nun das durch die Heimath für den einzelnen Armen erworbene Recht auf die Unterstützung selbst. Die Grundlage dafür ist die Aufnahme in das Armenregister, der Inhalt ist ein Privatrecht auf den Bezug der
B. Das Armenrecht.
Während nun der Organismus des Armenweſens die Funktion des Staats in Beziehung auf den Zuſtand der Armuth organiſirt, enthält das Armenrecht die Geſammtheit der Beſtimmungen, nach welchen der Einzelne berechtigt iſt, an dieſer unterſtützenden Thätig- keit des Ganzen Theil zu nehmen. Dieß Armenrecht zerfällt in drei Gebiete.
I. Das Heimathsrecht enthält die Grundſätze, nach denen durch dauernde Niederlaſſung das Recht des Einzelnen auf Unterſtützung gegen eine Gemeinde als Armenverwaltungskörper gewonnen wird. Das Heimathsrecht iſt daher im Grunde nur die Anwendung der Grundſätze der Angehörigkeit an die Gemeinde für die Armen- pflege. Es unterſcheidet ſich jedoch weſentlich von den letzteren dadurch, daß es auch gegen den Willen der Gemeinde gewonnen werden kann, und daher ein objektives Rechtsverhältniß für dieſelbe bildet. Daher langer und faſt immer in derſelben Weiſe ſich bewegender Kampf um die Frage, auf welchem Punkt dieß Recht der Heimath gewonnen wird, und vielfaches Schwanken der Geſetzgebung. Die Grundzüge, auf denen daſſelbe beruht, ſind jedoch einfach, ſobald die Gebundenheit an die Scholle mit dem Siege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft aufhört. Grundlage iſt, daß ſo lange keine andere Heimath gewonnen iſt, der Geburtsort die natürliche Heimath bildet. Die freie Bewegung von einer Gemeinde zur andern iſt die Freizügigkeit, die als freies Niederlaſſungsrecht erſcheint. Wenn dieſe Niederlaſſung eine ge- ſetzlich beſtimmte Zeit gedauert hat, ſo erzeugt ſie ohne beſtimmten Akt das Heimaths- und damit das Armenrecht. Die eigentliche Frage bewegt ſich alſo nur darum, erſtlich, was als Niederlaſſung anzuſehen ſei (z. B. wann Dienſt und Arbeit die Niederlaſſung ent- halten) und zweitens, ob die Gemeinde, und unter welchen Bedingungen ſie das Recht hat, a) die Auswärtigen während der Zeit der Nieder- laſſung in ihre frühere Heimath zu befördern, und b) die etwa gemach- ten Auslagen für die während dieſer Zeit unterſtützten Armen der Heimathsgemeinde aufzurechnen. Die Geſetzgebungen ſind auf dieſem Punkte ſehr genau und oft ſehr hart, und an dieſen faßbaren Gegen- ſtand hat ſich daher eine förmliche Jurisprudenz des Armenrechts an- geſchloſſen, die dem folgenden Punkte fehlt.
II. Das Armenrecht im eigenen Sinne iſt nun das durch die Heimath für den einzelnen Armen erworbene Recht auf die Unterſtützung ſelbſt. Die Grundlage dafür iſt die Aufnahme in das Armenregiſter, der Inhalt iſt ein Privatrecht auf den Bezug der
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B. Das Armenrecht.
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enthält das Armenrecht die Geſammtheit der Beſtimmungen, nach
welchen der Einzelne berechtigt iſt, an dieſer unterſtützenden Thätig-
keit des Ganzen Theil zu nehmen. Dieß Armenrecht zerfällt in drei
Gebiete.
I. Das Heimathsrecht enthält die Grundſätze, nach denen
durch dauernde Niederlaſſung das Recht des Einzelnen auf Unterſtützung
gegen eine Gemeinde als Armenverwaltungskörper gewonnen wird.
Das Heimathsrecht iſt daher im Grunde nur die Anwendung der
Grundſätze der Angehörigkeit an die Gemeinde für die Armen-
pflege. Es unterſcheidet ſich jedoch weſentlich von den letzteren dadurch,
daß es auch gegen den Willen der Gemeinde gewonnen werden kann,
und daher ein objektives Rechtsverhältniß für dieſelbe bildet. Daher
langer und faſt immer in derſelben Weiſe ſich bewegender Kampf um
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daſſelbe beruht, ſind jedoch einfach, ſobald die Gebundenheit an die
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einer Gemeinde zur andern iſt die Freizügigkeit, die als freies
Niederlaſſungsrecht erſcheint. Wenn dieſe Niederlaſſung eine ge-
ſetzlich beſtimmte Zeit gedauert hat, ſo erzeugt ſie ohne beſtimmten
Akt das Heimaths- und damit das Armenrecht. Die eigentliche
Frage bewegt ſich alſo nur darum, erſtlich, was als Niederlaſſung
anzuſehen ſei (z. B. wann Dienſt und Arbeit die Niederlaſſung ent-
halten) und zweitens, ob die Gemeinde, und unter welchen Bedingungen
ſie das Recht hat, a) die Auswärtigen während der Zeit der Nieder-
laſſung in ihre frühere Heimath zu befördern, und b) die etwa gemach-
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Heimathsgemeinde aufzurechnen. Die Geſetzgebungen ſind auf dieſem
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/454>, abgerufen am 19.11.2024.
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