Das zweite Princip ist das Recht der Organisation, nach welchem jede Funktion nur zu demjenigen berechtigt ist, wozu es durch die Organisation bestimmt war. Das Recht nennen wir die Competenz. Die Aufrechthaltung der Competenz wird gleichfalls durch Klage und Beschwerde gesichert; sie selbst bildet das zweite Element der verfassungs- mäßigen Ordnung.
Das dritte Princip ist dasjenige, nach welchem der Zwang seine rechtliche Grenze findet. Die Herstellung dieser rechtlichen Grenze ge- schieht durch das Princip der individuellen Haftung der vollziehenden Organe, die durch Klage zur Geltung gelangt. Die Entwicklung des- selben bildet das verfassungsmäßige Zwangsrecht.
Die Gesammtheit dieser Grundsätze des öffentlichen Rechts bildet nun das verfassungsmäßige Verwaltungsrecht. Die Entwick- lung desselben zu einem ausgebildeten Systeme ist aber nur dann möglich, wenn man dasselbe wieder auf die drei Grundformen der voll- ziehenden Gewalt, die Regierung, die Selbstverwaltung und das Ver- einswesen anwendet, indem die besondere Natur jeder derselben diesem verfassungsmäßigen Verwaltungsrecht wieder seine Gestalt gibt. Damit entsteht der Inhalt der letzteren, von welchem allerdings jeder Theil wieder sein Recht, seine Ordnung und seine Geschichte hat. Das nun bildet somit den besondern Theil des verfassungsmäßigen Ver- waltungsrechts.
Besonderer Theil.
A. Die Regierung und das verfassungsmäßige Regierungsrecht.
I. Begriff und Organismus der Regierung. Das Staatsoberhaupt und die Regierung im eigentlichen Sinne.
Die Regierung ist die persönliche Gestalt der vollziehenden Gewalt, und damit die Vertreterin der Persönlichkeit des Staats in seiner That.
Die Regierung besteht daher aus zwei Elementen, dem Staats- oberhaupt, das zugleich das Haupt der gesetzgebenden Gewalt ist, und der eigentlichen Regierung, die den persönlichen Organis- mus der vollziehenden Gewalt enthält. Auf dem Unterschied ihrer Funktionen beruht zunächst der Unterschied ihrer Organisation, dann der Unterschied ihres Rechts; auf der Verbindung und Einheit beider die formale Natur und das Wesen der Vollziehung.
I. Das Staatsoberhaupt, an sich das persönliche Haupt der
Das zweite Princip iſt das Recht der Organiſation, nach welchem jede Funktion nur zu demjenigen berechtigt iſt, wozu es durch die Organiſation beſtimmt war. Das Recht nennen wir die Competenz. Die Aufrechthaltung der Competenz wird gleichfalls durch Klage und Beſchwerde geſichert; ſie ſelbſt bildet das zweite Element der verfaſſungs- mäßigen Ordnung.
Das dritte Princip iſt dasjenige, nach welchem der Zwang ſeine rechtliche Grenze findet. Die Herſtellung dieſer rechtlichen Grenze ge- ſchieht durch das Princip der individuellen Haftung der vollziehenden Organe, die durch Klage zur Geltung gelangt. Die Entwicklung des- ſelben bildet das verfaſſungsmäßige Zwangsrecht.
Die Geſammtheit dieſer Grundſätze des öffentlichen Rechts bildet nun das verfaſſungsmäßige Verwaltungsrecht. Die Entwick- lung deſſelben zu einem ausgebildeten Syſteme iſt aber nur dann möglich, wenn man daſſelbe wieder auf die drei Grundformen der voll- ziehenden Gewalt, die Regierung, die Selbſtverwaltung und das Ver- einsweſen anwendet, indem die beſondere Natur jeder derſelben dieſem verfaſſungsmäßigen Verwaltungsrecht wieder ſeine Geſtalt gibt. Damit entſteht der Inhalt der letzteren, von welchem allerdings jeder Theil wieder ſein Recht, ſeine Ordnung und ſeine Geſchichte hat. Das nun bildet ſomit den beſondern Theil des verfaſſungsmäßigen Ver- waltungsrechts.
Beſonderer Theil.
A. Die Regierung und das verfaſſungsmäßige Regierungsrecht.
I. Begriff und Organismus der Regierung. Das Staatsoberhaupt und die Regierung im eigentlichen Sinne.
Die Regierung iſt die perſönliche Geſtalt der vollziehenden Gewalt, und damit die Vertreterin der Perſönlichkeit des Staats in ſeiner That.
Die Regierung beſteht daher aus zwei Elementen, dem Staats- oberhaupt, das zugleich das Haupt der geſetzgebenden Gewalt iſt, und der eigentlichen Regierung, die den perſönlichen Organis- mus der vollziehenden Gewalt enthält. Auf dem Unterſchied ihrer Funktionen beruht zunächſt der Unterſchied ihrer Organiſation, dann der Unterſchied ihres Rechts; auf der Verbindung und Einheit beider die formale Natur und das Weſen der Vollziehung.
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Das zweite Princip iſt das Recht der Organiſation, nach welchem
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Organiſation beſtimmt war. Das Recht nennen wir die Competenz.
Die Aufrechthaltung der Competenz wird gleichfalls durch Klage und
Beſchwerde geſichert; ſie ſelbſt bildet das zweite Element der verfaſſungs-
mäßigen Ordnung.
Das dritte Princip iſt dasjenige, nach welchem der Zwang ſeine
rechtliche Grenze findet. Die Herſtellung dieſer rechtlichen Grenze ge-
ſchieht durch das Princip der individuellen Haftung der vollziehenden
Organe, die durch Klage zur Geltung gelangt. Die Entwicklung des-
ſelben bildet das verfaſſungsmäßige Zwangsrecht.
Die Geſammtheit dieſer Grundſätze des öffentlichen Rechts bildet
nun das verfaſſungsmäßige Verwaltungsrecht. Die Entwick-
lung deſſelben zu einem ausgebildeten Syſteme iſt aber nur dann
möglich, wenn man daſſelbe wieder auf die drei Grundformen der voll-
ziehenden Gewalt, die Regierung, die Selbſtverwaltung und das Ver-
einsweſen anwendet, indem die beſondere Natur jeder derſelben dieſem
verfaſſungsmäßigen Verwaltungsrecht wieder ſeine Geſtalt gibt. Damit
entſteht der Inhalt der letzteren, von welchem allerdings jeder Theil
wieder ſein Recht, ſeine Ordnung und ſeine Geſchichte hat. Das
nun bildet ſomit den beſondern Theil des verfaſſungsmäßigen Ver-
waltungsrechts.
Beſonderer Theil.
A. Die Regierung und das verfaſſungsmäßige Regierungsrecht.
I. Begriff und Organismus der Regierung. Das Staatsoberhaupt und
die Regierung im eigentlichen Sinne.
Die Regierung iſt die perſönliche Geſtalt der vollziehenden Gewalt,
und damit die Vertreterin der Perſönlichkeit des Staats in ſeiner That.
Die Regierung beſteht daher aus zwei Elementen, dem Staats-
oberhaupt, das zugleich das Haupt der geſetzgebenden Gewalt iſt,
und der eigentlichen Regierung, die den perſönlichen Organis-
mus der vollziehenden Gewalt enthält. Auf dem Unterſchied ihrer
Funktionen beruht zunächſt der Unterſchied ihrer Organiſation, dann der
Unterſchied ihres Rechts; auf der Verbindung und Einheit beider die
formale Natur und das Weſen der Vollziehung.
I. Das Staatsoberhaupt, an ſich das perſönliche Haupt der
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/43>, abgerufen am 30.12.2024.
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