daß die Benützung aller dieser Verkehrsanstalten für alle ohne Unter- schied gleich, frei und gemeinsam sein sollen, daß sie als Quelle von Einnahmen nur so weit gelten dürfen, als dadurch ihre große volks- wirthschaftliche Funktion nicht gestört wird, und endlich daß auch alle Privatunternehmungen für den Verkehr als öffentliche An- stalten gelten und daher sich dem öffentlichen Recht zu unterwerfen haben. Aus der systematischen Anwendung dieser leitenden Grundsätze auf die drei erwähnten Gebiete entsteht dann das System des Rechts der Verkehrsanstalten, das allerdings in den verschiedenen Ländern in seinen Principien zwar wesentlich gleich, in seiner Ausführung dagegen vielfach tiefgehend modificirt ist.
Eine gemeinschaftliche Literatur über das ganze Gebiet der Verkehrsan- stalten fehlt; die "Polizeiwissenschaft" hat nur die allgemeinsten Gesichtspunkte festgehalten. Auch die einzelnen Theile sind noch sehr sporadisch und unsyste- matisch behandelt; das technische Element bildet neben der einfachen Statistik fast den ausschließlichen Inhalt. Erst in neuester Zeit ist das juristische Element hinzugekommen. Im Allgemeinen aber sehen wir auch hier den Charakter der drei großen Staaten wieder ausgeprägt. Frankreich ist klar, einfach, aber im höchsten Grade administrativ; England hat der Selbstverwaltung und dem Ver- einswesen viel, oft zu viel überlassen; in Deutschland sucht man nach der Ver- einigung beider Principien. Dieß ist nun wieder sehr verschieden, je nachdem es sich um Post, Bahnwesen oder Telegraphen handelt, so daß die Einheit der Auffassung beständig zu verschwinden droht. Dennoch sind sie ein Ganzes, und von denselben Principien beherrscht und in ihrer Entwicklung bestimmt. Es ist die Aufgabe der Verwaltungslehre, eben dieß festzuhalten.
I. Das Postwesen. Natur seiner Funktion und Elemente seiner Geschichte.
Das Postwesen beruht darauf, daß der beständige, tägliche, regel- mäßige Verkehr der Einzelnen eine der großen Bedingungen aller Entwicklung ist, welche sich der Einzelne nicht schaffen kann. Die An- stalt, durch welche der Staat diese Bedingung herstellt, ist das Post- wesen. Die wissenschaftliche Behandlung des Postwesens enthält daher die Lehre von den Bedingungen und Ordnungen, durch welche das Postwesen diese organische Funktion zu erfüllen im Stande ist und welche wieder in die beiden Kategorien der Postverwaltung und des Postrechts zerfällt.
Bevor jedoch das Postwesen in diesem höheren Sinne aufgefaßt und verwaltet worden ist, sind Jahrhunderte unter sehr verschiedenen Versuchen hingegangen. Regelmäßige Verbindungen zum Zwecke der Regierung haben wohl in allen Staaten der Welt Platz gefunden.
daß die Benützung aller dieſer Verkehrsanſtalten für alle ohne Unter- ſchied gleich, frei und gemeinſam ſein ſollen, daß ſie als Quelle von Einnahmen nur ſo weit gelten dürfen, als dadurch ihre große volks- wirthſchaftliche Funktion nicht geſtört wird, und endlich daß auch alle Privatunternehmungen für den Verkehr als öffentliche An- ſtalten gelten und daher ſich dem öffentlichen Recht zu unterwerfen haben. Aus der ſyſtematiſchen Anwendung dieſer leitenden Grundſätze auf die drei erwähnten Gebiete entſteht dann das Syſtem des Rechts der Verkehrsanſtalten, das allerdings in den verſchiedenen Ländern in ſeinen Principien zwar weſentlich gleich, in ſeiner Ausführung dagegen vielfach tiefgehend modificirt iſt.
Eine gemeinſchaftliche Literatur über das ganze Gebiet der Verkehrsan- ſtalten fehlt; die „Polizeiwiſſenſchaft“ hat nur die allgemeinſten Geſichtspunkte feſtgehalten. Auch die einzelnen Theile ſind noch ſehr ſporadiſch und unſyſte- matiſch behandelt; das techniſche Element bildet neben der einfachen Statiſtik faſt den ausſchließlichen Inhalt. Erſt in neueſter Zeit iſt das juriſtiſche Element hinzugekommen. Im Allgemeinen aber ſehen wir auch hier den Charakter der drei großen Staaten wieder ausgeprägt. Frankreich iſt klar, einfach, aber im höchſten Grade adminiſtrativ; England hat der Selbſtverwaltung und dem Ver- einsweſen viel, oft zu viel überlaſſen; in Deutſchland ſucht man nach der Ver- einigung beider Principien. Dieß iſt nun wieder ſehr verſchieden, je nachdem es ſich um Poſt, Bahnweſen oder Telegraphen handelt, ſo daß die Einheit der Auffaſſung beſtändig zu verſchwinden droht. Dennoch ſind ſie ein Ganzes, und von denſelben Principien beherrſcht und in ihrer Entwicklung beſtimmt. Es iſt die Aufgabe der Verwaltungslehre, eben dieß feſtzuhalten.
I. Das Poſtweſen. Natur ſeiner Funktion und Elemente ſeiner Geſchichte.
Das Poſtweſen beruht darauf, daß der beſtändige, tägliche, regel- mäßige Verkehr der Einzelnen eine der großen Bedingungen aller Entwicklung iſt, welche ſich der Einzelne nicht ſchaffen kann. Die An- ſtalt, durch welche der Staat dieſe Bedingung herſtellt, iſt das Poſt- weſen. Die wiſſenſchaftliche Behandlung des Poſtweſens enthält daher die Lehre von den Bedingungen und Ordnungen, durch welche das Poſtweſen dieſe organiſche Funktion zu erfüllen im Stande iſt und welche wieder in die beiden Kategorien der Poſtverwaltung und des Poſtrechts zerfällt.
Bevor jedoch das Poſtweſen in dieſem höheren Sinne aufgefaßt und verwaltet worden iſt, ſind Jahrhunderte unter ſehr verſchiedenen Verſuchen hingegangen. Regelmäßige Verbindungen zum Zwecke der Regierung haben wohl in allen Staaten der Welt Platz gefunden.
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[197/0221]
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alle Privatunternehmungen für den Verkehr als öffentliche An-
ſtalten gelten und daher ſich dem öffentlichen Recht zu unterwerfen
haben. Aus der ſyſtematiſchen Anwendung dieſer leitenden Grundſätze
auf die drei erwähnten Gebiete entſteht dann das Syſtem des Rechts
der Verkehrsanſtalten, das allerdings in den verſchiedenen Ländern in
ſeinen Principien zwar weſentlich gleich, in ſeiner Ausführung dagegen
vielfach tiefgehend modificirt iſt.
Eine gemeinſchaftliche Literatur über das ganze Gebiet der Verkehrsan-
ſtalten fehlt; die „Polizeiwiſſenſchaft“ hat nur die allgemeinſten Geſichtspunkte
feſtgehalten. Auch die einzelnen Theile ſind noch ſehr ſporadiſch und unſyſte-
matiſch behandelt; das techniſche Element bildet neben der einfachen Statiſtik
faſt den ausſchließlichen Inhalt. Erſt in neueſter Zeit iſt das juriſtiſche Element
hinzugekommen. Im Allgemeinen aber ſehen wir auch hier den Charakter der
drei großen Staaten wieder ausgeprägt. Frankreich iſt klar, einfach, aber im
höchſten Grade adminiſtrativ; England hat der Selbſtverwaltung und dem Ver-
einsweſen viel, oft zu viel überlaſſen; in Deutſchland ſucht man nach der Ver-
einigung beider Principien. Dieß iſt nun wieder ſehr verſchieden, je nachdem
es ſich um Poſt, Bahnweſen oder Telegraphen handelt, ſo daß die Einheit der
Auffaſſung beſtändig zu verſchwinden droht. Dennoch ſind ſie ein Ganzes,
und von denſelben Principien beherrſcht und in ihrer Entwicklung beſtimmt.
Es iſt die Aufgabe der Verwaltungslehre, eben dieß feſtzuhalten.
I. Das Poſtweſen.
Natur ſeiner Funktion und Elemente ſeiner Geſchichte.
Das Poſtweſen beruht darauf, daß der beſtändige, tägliche, regel-
mäßige Verkehr der Einzelnen eine der großen Bedingungen aller
Entwicklung iſt, welche ſich der Einzelne nicht ſchaffen kann. Die An-
ſtalt, durch welche der Staat dieſe Bedingung herſtellt, iſt das Poſt-
weſen. Die wiſſenſchaftliche Behandlung des Poſtweſens enthält daher
die Lehre von den Bedingungen und Ordnungen, durch welche das
Poſtweſen dieſe organiſche Funktion zu erfüllen im Stande iſt und
welche wieder in die beiden Kategorien der Poſtverwaltung und
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Bevor jedoch das Poſtweſen in dieſem höheren Sinne aufgefaßt
und verwaltet worden iſt, ſind Jahrhunderte unter ſehr verſchiedenen
Verſuchen hingegangen. Regelmäßige Verbindungen zum Zwecke der
Regierung haben wohl in allen Staaten der Welt Platz gefunden.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/221>, abgerufen am 19.11.2024.
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