wesens gegeben ist, ist in ihnen der Inhalt desselben gesetzt; und nach wie vor muß das System des Bildungswesen zu ihnen zurückkehren.
Zugleich aber entwickelt sich auf Grundlage der besondern gesell- schaftlichen Verhältnisse der einzelnen Völker Europas das, was wir die nationale Individualität derselben nennen, welche wiederum als ein wesentliches Element des Verständnisses für jedes einzelne Volk be- trachtet werden muß.
Die Geschichte des Bildungswesens ist im Ganzen viel zu wenig behandelt. (Raumer, Geschichte der Pädagogik; vergl. dazu Niemeyer, Grundsätze der Erziehung II. Bd. S. 453.) Ueber die alte Welt: Graßberger, Erziehung und Unterricht im klassischen Alterthum II. Bd. 1866. Charakteristisch ist auch hier die gänzliche Vernachlässigung des allgemeinen Bildungswesens. Dagegen ist die Geschichte der einzelnen Gebiete zum Theil sehr gründlich behandelt; namentlich das Volksschulwesen, obgleich stets mehr Rücksicht auf die Pädagogik und Theorie gelegt wird. Hier ist für das Ganze noch fast alles zu thun. (Vergl. Stein, Bildungswesen S. 16 ff. und 88 f.)
Das neunzehnte Jahrhundert und sein Bildungswesen.
Das neunzehnte Jahrhundert hat nun das gesammte Bildungs- wesen in die Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft aufgenommen, und dasselbe theils zum Gegenstande großer und umfassender Gesetzgebung, theils zur Aufgabe seiner das ganze geistige Leben umfassenden Bildungsanstalten, theils zum Objekt eingehender wissenschaftlicher Unter- suchungen gemacht. Es ist daher jetzt die Aufgabe der Verwaltungs- lehre, in diesem großen und so unendlich reichen Gebiete die Einheit in Auffassung und Behandlung zu schaffen, indem die für alle Theile desselben gültigen Grundbegriffe zuerst festgestellt werden. Diese sind die Elemente des Systems, die leitenden Principien für das öffent- liche Recht, die Fundamente für den Organismus, und die natio- nale Gestalt des Bildungswesens überhaupt, wobei dann jeder Theil schon hier wieder seine elementaren Grundverhältnisse zeigt, die den Inhalt des Systems des Verwaltungsrechts der Bildung abgeben.
1) Das System des Bildungswesens.
Indem nun das neunzehnte Jahrhundert die ganze öffentliche Bil- dung gleichmäßig als Aufgabe der Gemeinschaft umfaßt, erscheinen drei große Grundgebiete derselben, die allerdings in Bedeutung, Inhalt und Recht so verschieden sind, daß man sie nur vom höchsten Stand- punkt des geistigen Lebens als eine organische Einheit verstehen kann.
Das erste Gebiet ist das der elementaren Bildung, das wir
weſens gegeben iſt, iſt in ihnen der Inhalt deſſelben geſetzt; und nach wie vor muß das Syſtem des Bildungsweſen zu ihnen zurückkehren.
Zugleich aber entwickelt ſich auf Grundlage der beſondern geſell- ſchaftlichen Verhältniſſe der einzelnen Völker Europas das, was wir die nationale Individualität derſelben nennen, welche wiederum als ein weſentliches Element des Verſtändniſſes für jedes einzelne Volk be- trachtet werden muß.
Die Geſchichte des Bildungsweſens iſt im Ganzen viel zu wenig behandelt. (Raumer, Geſchichte der Pädagogik; vergl. dazu Niemeyer, Grundſätze der Erziehung II. Bd. S. 453.) Ueber die alte Welt: Graßberger, Erziehung und Unterricht im klaſſiſchen Alterthum II. Bd. 1866. Charakteriſtiſch iſt auch hier die gänzliche Vernachläſſigung des allgemeinen Bildungsweſens. Dagegen iſt die Geſchichte der einzelnen Gebiete zum Theil ſehr gründlich behandelt; namentlich das Volksſchulweſen, obgleich ſtets mehr Rückſicht auf die Pädagogik und Theorie gelegt wird. Hier iſt für das Ganze noch faſt alles zu thun. (Vergl. Stein, Bildungsweſen S. 16 ff. und 88 f.)
Das neunzehnte Jahrhundert und ſein Bildungsweſen.
Das neunzehnte Jahrhundert hat nun das geſammte Bildungs- weſen in die Aufgabe der ſtaatlichen Gemeinſchaft aufgenommen, und daſſelbe theils zum Gegenſtande großer und umfaſſender Geſetzgebung, theils zur Aufgabe ſeiner das ganze geiſtige Leben umfaſſenden Bildungsanſtalten, theils zum Objekt eingehender wiſſenſchaftlicher Unter- ſuchungen gemacht. Es iſt daher jetzt die Aufgabe der Verwaltungs- lehre, in dieſem großen und ſo unendlich reichen Gebiete die Einheit in Auffaſſung und Behandlung zu ſchaffen, indem die für alle Theile deſſelben gültigen Grundbegriffe zuerſt feſtgeſtellt werden. Dieſe ſind die Elemente des Syſtems, die leitenden Principien für das öffent- liche Recht, die Fundamente für den Organismus, und die natio- nale Geſtalt des Bildungsweſens überhaupt, wobei dann jeder Theil ſchon hier wieder ſeine elementaren Grundverhältniſſe zeigt, die den Inhalt des Syſtems des Verwaltungsrechts der Bildung abgeben.
1) Das Syſtem des Bildungsweſens.
Indem nun das neunzehnte Jahrhundert die ganze öffentliche Bil- dung gleichmäßig als Aufgabe der Gemeinſchaft umfaßt, erſcheinen drei große Grundgebiete derſelben, die allerdings in Bedeutung, Inhalt und Recht ſo verſchieden ſind, daß man ſie nur vom höchſten Stand- punkt des geiſtigen Lebens als eine organiſche Einheit verſtehen kann.
Das erſte Gebiet iſt das der elementaren Bildung, das wir
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ſchaftlichen Verhältniſſe der einzelnen Völker Europas das, was wir
die nationale Individualität derſelben nennen, welche wiederum als
ein weſentliches Element des Verſtändniſſes für jedes einzelne Volk be-
trachtet werden muß.
Die Geſchichte des Bildungsweſens iſt im Ganzen viel zu wenig behandelt.
(Raumer, Geſchichte der Pädagogik; vergl. dazu Niemeyer, Grundſätze der
Erziehung II. Bd. S. 453.) Ueber die alte Welt: Graßberger, Erziehung
und Unterricht im klaſſiſchen Alterthum II. Bd. 1866. Charakteriſtiſch iſt auch
hier die gänzliche Vernachläſſigung des allgemeinen Bildungsweſens. Dagegen
iſt die Geſchichte der einzelnen Gebiete zum Theil ſehr gründlich behandelt;
namentlich das Volksſchulweſen, obgleich ſtets mehr Rückſicht auf die Pädagogik
und Theorie gelegt wird. Hier iſt für das Ganze noch faſt alles zu thun.
(Vergl. Stein, Bildungsweſen S. 16 ff. und 88 f.)
Das neunzehnte Jahrhundert und ſein Bildungsweſen.
Das neunzehnte Jahrhundert hat nun das geſammte Bildungs-
weſen in die Aufgabe der ſtaatlichen Gemeinſchaft aufgenommen, und
daſſelbe theils zum Gegenſtande großer und umfaſſender Geſetzgebung,
theils zur Aufgabe ſeiner das ganze geiſtige Leben umfaſſenden
Bildungsanſtalten, theils zum Objekt eingehender wiſſenſchaftlicher Unter-
ſuchungen gemacht. Es iſt daher jetzt die Aufgabe der Verwaltungs-
lehre, in dieſem großen und ſo unendlich reichen Gebiete die Einheit
in Auffaſſung und Behandlung zu ſchaffen, indem die für alle Theile
deſſelben gültigen Grundbegriffe zuerſt feſtgeſtellt werden. Dieſe ſind
die Elemente des Syſtems, die leitenden Principien für das öffent-
liche Recht, die Fundamente für den Organismus, und die natio-
nale Geſtalt des Bildungsweſens überhaupt, wobei dann jeder Theil
ſchon hier wieder ſeine elementaren Grundverhältniſſe zeigt, die den
Inhalt des Syſtems des Verwaltungsrechts der Bildung abgeben.
1) Das Syſtem des Bildungsweſens.
Indem nun das neunzehnte Jahrhundert die ganze öffentliche Bil-
dung gleichmäßig als Aufgabe der Gemeinſchaft umfaßt, erſcheinen drei
große Grundgebiete derſelben, die allerdings in Bedeutung, Inhalt
und Recht ſo verſchieden ſind, daß man ſie nur vom höchſten Stand-
punkt des geiſtigen Lebens als eine organiſche Einheit verſtehen kann.
Das erſte Gebiet iſt das der elementaren Bildung, das wir
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/136>, abgerufen am 16.07.2024.
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