Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.Leitender -- nicht immer klar festgehaltener Grundsatz: die Polizei soll Ueber das vielbesprochene und selten ganz vorurtheilsfrei betrachtete Gebiet B. Die Verwaltungspolizei. I. Begriff und System. Die Verwaltungspolizei im Unterschiede von der Sicherheitspolizei Leitender — nicht immer klar feſtgehaltener Grundſatz: die Polizei ſoll Ueber das vielbeſprochene und ſelten ganz vorurtheilsfrei betrachtete Gebiet B. Die Verwaltungspolizei. I. Begriff und Syſtem. Die Verwaltungspolizei im Unterſchiede von der Sicherheitspolizei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0127" n="103"/> Leitender — nicht immer klar feſtgehaltener Grundſatz: die Polizei ſoll<lb/><hi rendition="#g">ſtets</hi> ſtreben, die perſönliche Freiheit nur auf gerichtlichen Befehl zu be-<lb/> ſchränken; thut ſie es <hi rendition="#g">ohne</hi> denſelben, ſo ſoll ſie ſofort das <hi rendition="#g">Gerichtsver-<lb/> fahren</hi> eintreten laſſen, <hi rendition="#g">haftet</hi> aber perſönlich für das, was ſie ohne<lb/> Gerichtsbefehl thut. Was zu geſchehen hat, wenn die Aktion der Rechts-<lb/> pflege beginnt, iſt <hi rendition="#g">nicht</hi> mehr Sache der Sicherheitspolizei und ihres<lb/> Rechts, ſondern der Strafrechtspflege. An dieſe Grundſätze hat ſich<lb/> eine ganze Theorie angeſchloſſen, welche namentlich in Deutſchland noch<lb/> vielfach Strafproceß und Polizei vermengt, zugleich aber in den ver-<lb/> ſchiedenen Staaten ſehr verſchieden iſt, vorzugsweiſe im Gebiete der<lb/><hi rendition="#g">Verhaftung</hi> und ihres Rechts. Einen ganz ſpeciellen Theil dieſer<lb/> Polizei bildet endlich die <hi rendition="#g">Waffenpolizei</hi>, die ſelbſt wieder zum Theil<lb/> mit der Jagdpolizei zuſammenhängt.</p><lb/> <p>Ueber das vielbeſprochene und ſelten ganz vorurtheilsfrei betrachtete Gebiet<lb/> der Einzelpolizei iſt viel von Criminaliſten und wenig von der Staatswiſſen-<lb/> ſchaft gearbeitet. Das <hi rendition="#g">engliſche</hi> Syſtem und die einſeitigen Vorſtellungen<lb/> darüber: <hi rendition="#g">Glaſer</hi>, Engliſch-ſchottiſches Strafverfahren 1860; <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Bertrand</hi>, de<lb/> la détention prévent. en France</hi> 1862. Das franzöſiſche ſeit 1790 im <hi rendition="#aq">Code<lb/> de l’Instr. Crim. V.</hi> 50. Die deutſche Rechtsbildung auf Grundlage des eng-<lb/> liſchen Princips des <hi rendition="#g">Rechts</hi> der polizeilichen Verhaftung mit der <hi rendition="#g">Pflicht</hi> der<lb/> Uebergabe an das Gericht binnen vierundzwanzig Stunden; nebſt den Beſtim-<lb/> mungen über polizeiliches Haus- und Beſchlagsrecht: in zu enger Verbindung<lb/> mit dem Strafverfahren: <hi rendition="#g">Sundelin</hi>, die <hi rendition="#aq">Habeas-Corpus</hi>-Akte 1862. <hi rendition="#g">Zöpfl</hi>,<lb/> Staatsrecht <hi rendition="#aq">II.</hi> 290 ff. <hi rendition="#g">Stein</hi>, Polizeirecht S. 133 ff. nebſt den geſetzlichen<lb/> Beſtimmungen; die öſterreichiſchen Geſetze vom 27. Okt. 1862 und 1867 (ſ. oben)<lb/> ſind noch das Beſte hierüber; die meiſten Beſtimmungen finden ſich ſonſt leider<lb/> ausſchließlich in den Strafgeſetzbüchern, die von der <hi rendition="#g">Polizei</hi> keine Vorſtellung<lb/> haben. Das Verhältniß der <hi rendition="#g">Gemeinde</hi> zur niederen Sicherheitspolizei noch<lb/> ſehr unklar; Grundlage meiſt wie in Preußen: nur die Feldpolizei derſelben<lb/> überlaſſen. Eintreten des <hi rendition="#g">Vereinsweſens</hi> für Bettler und Sträflinge, nebſt<lb/> (mangelhaften) geſetzlichen Beſtimmungen. (<hi rendition="#g">Stein</hi>, Polizeirecht S. 166 ff.)</p> </div> </div><lb/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">B.</hi> Die Verwaltungspolizei.</hi> </head><lb/> <div n="6"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Begriff und Syſtem.</hi> </head><lb/> <p>Die Verwaltungspolizei im Unterſchiede von der Sicherheitspolizei<lb/> entſteht nun da, wo es ſich nicht mehr um die in einer Perſönlichkeit<lb/> überhaupt liegende, ſondern um eine, ein <hi rendition="#g">beſtimmtes Lebensver-<lb/> hältniß</hi> der Gemeinſchaft oder Einzelner bedrohende Thätigkeit eines<lb/> Einzelnen handelt. Ihre Aufgabe iſt daher der Schutz eines ganz<lb/> beſtimmten Gebietes des öffentlichen Lebens, und da das letztere der<lb/> Verwaltung überhaupt unterliegt, ſo ergibt ſich, daß die Verwaltungs-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0127]
Leitender — nicht immer klar feſtgehaltener Grundſatz: die Polizei ſoll
ſtets ſtreben, die perſönliche Freiheit nur auf gerichtlichen Befehl zu be-
ſchränken; thut ſie es ohne denſelben, ſo ſoll ſie ſofort das Gerichtsver-
fahren eintreten laſſen, haftet aber perſönlich für das, was ſie ohne
Gerichtsbefehl thut. Was zu geſchehen hat, wenn die Aktion der Rechts-
pflege beginnt, iſt nicht mehr Sache der Sicherheitspolizei und ihres
Rechts, ſondern der Strafrechtspflege. An dieſe Grundſätze hat ſich
eine ganze Theorie angeſchloſſen, welche namentlich in Deutſchland noch
vielfach Strafproceß und Polizei vermengt, zugleich aber in den ver-
ſchiedenen Staaten ſehr verſchieden iſt, vorzugsweiſe im Gebiete der
Verhaftung und ihres Rechts. Einen ganz ſpeciellen Theil dieſer
Polizei bildet endlich die Waffenpolizei, die ſelbſt wieder zum Theil
mit der Jagdpolizei zuſammenhängt.
Ueber das vielbeſprochene und ſelten ganz vorurtheilsfrei betrachtete Gebiet
der Einzelpolizei iſt viel von Criminaliſten und wenig von der Staatswiſſen-
ſchaft gearbeitet. Das engliſche Syſtem und die einſeitigen Vorſtellungen
darüber: Glaſer, Engliſch-ſchottiſches Strafverfahren 1860; Bertrand, de
la détention prévent. en France 1862. Das franzöſiſche ſeit 1790 im Code
de l’Instr. Crim. V. 50. Die deutſche Rechtsbildung auf Grundlage des eng-
liſchen Princips des Rechts der polizeilichen Verhaftung mit der Pflicht der
Uebergabe an das Gericht binnen vierundzwanzig Stunden; nebſt den Beſtim-
mungen über polizeiliches Haus- und Beſchlagsrecht: in zu enger Verbindung
mit dem Strafverfahren: Sundelin, die Habeas-Corpus-Akte 1862. Zöpfl,
Staatsrecht II. 290 ff. Stein, Polizeirecht S. 133 ff. nebſt den geſetzlichen
Beſtimmungen; die öſterreichiſchen Geſetze vom 27. Okt. 1862 und 1867 (ſ. oben)
ſind noch das Beſte hierüber; die meiſten Beſtimmungen finden ſich ſonſt leider
ausſchließlich in den Strafgeſetzbüchern, die von der Polizei keine Vorſtellung
haben. Das Verhältniß der Gemeinde zur niederen Sicherheitspolizei noch
ſehr unklar; Grundlage meiſt wie in Preußen: nur die Feldpolizei derſelben
überlaſſen. Eintreten des Vereinsweſens für Bettler und Sträflinge, nebſt
(mangelhaften) geſetzlichen Beſtimmungen. (Stein, Polizeirecht S. 166 ff.)
B. Die Verwaltungspolizei.
I. Begriff und Syſtem.
Die Verwaltungspolizei im Unterſchiede von der Sicherheitspolizei
entſteht nun da, wo es ſich nicht mehr um die in einer Perſönlichkeit
überhaupt liegende, ſondern um eine, ein beſtimmtes Lebensver-
hältniß der Gemeinſchaft oder Einzelner bedrohende Thätigkeit eines
Einzelnen handelt. Ihre Aufgabe iſt daher der Schutz eines ganz
beſtimmten Gebietes des öffentlichen Lebens, und da das letztere der
Verwaltung überhaupt unterliegt, ſo ergibt ſich, daß die Verwaltungs-
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